Moorleiche von Obenaltendorf

Moorleiche von Obenaltendorf
Der Mann von Obenaltendorf

Der Mann von Obenaltendorf ist die Moorleiche eines Mannes aus dem 3. Jahrhundert, die im Mai 1895 beim Torfstechen im Kehdinger Moor in Obenaltendorf, Gemeinde Osten (Oste) im Landkreis Cuxhaven, Niedersachsen, gefunden wurde. In der Fachliteratur wird der Ort manchmal fälschlicherweise auch als Oberaltendorf bezeichnet.

Der Mann von Obenaltendorf ist heute im Schwedenspeicher-Museum in Stade ausgestellt.

Inhaltsverzeichnis

Fundumstände

Am 24. Mai 1907 stieß ein Arbeiter beim Torfstechen auf die Leiche. In der Meinung, es handele sich um ein Tierkadaver, zerschnitt er sie mit dem Spaten und warf die untere Körperhälfte zunächst bei Seite. Beim Weitergraben stieß er auf Kleidung und Haare und erkannte die menschlichen Überreste. Der im nahe gelegenen Schulhaus unterrichtende Lehrer H. Meyer erfuhr von dem Fund, eilte sofort zur Fundstelle und begutachtete die freigelegten Überreste. Er erkannte die historische Bedeutung des Fundes, ließ die Fundstelle absperren und sammelte die herumliegenden Teile ein. In mehrtägiger Arbeit grub er die zerschnittenen Leichen- und Kleidungsteile aus und barg sie nahezu vollständig. Meyer beobachtete und notierte bei seiner Grabung außerdem weitere Details in unmittelbarer Umgebung um die Leiche wie Pflanzenteile von Heidekraut, die normalerweise in dieser Tiefe nicht mehr vorkommen. Einige dieser Pflanzenteile wiesen mit ihrer Unterseite nach oben, was auf umgedrehte Erdklumpen durch eine Bestattung des Leichnams hindeuten kann. Nach der Ausgrabung verkaufte Meyer Bundschuhe, Kleidung und Anhänger an den Leiter des Museums in Stade. Der Verbleib der Leiche selbst lässt sich aus den vorhandenen Akten nicht mehr sicher rekonstruieren. Meyer versuchte diese vergeblich an das Provinzialmuseum in Hannover zu verkaufen. Aus nicht mehr ermittelbaren Gründen erwarb ein Händler kurze Zeit später das Skelett der Moorleiche, das er vermutlich zu Mumia verarbeitete. Erst 1919 tauchten einige weitere Teile der Leiche wieder auf.

Untersuchungsergebnisse

Die Leiche des älteren Mannes lag in etwa 2 m Tiefe unter der Oberfläche in Süd-Nord Ausrichtung. Durch die Umstände vor der Bergung ist die Leiche in viele Teile zerteilt. Die an den Körperteilen verbliebene Haut ist jedoch zäh und intakt und von brauner Farbe. Die Weichteile und Knochen der durch den Bodendruck flachgedrückten Leiche haben sich aufgrund der Moorsäure in eine weiße, talgartige Masse verwandelt. Besonders gut erhalten sind die halblangen tiefblonden, fast rötlichen Haare auf dem Kopf des Mannes, mit einer kleinen Scheitelglatze. Der Bart des Mannes ist kurzgeschoren, das Kinn wurde nur wenige Tage vor dem Tod noch rasiert.

Die Moorleiche ist mit ihrer vollständigen Kleidung aus fein gewebter Wolle und Schuhen in das Moor gekommen, die durch das Torfstechen mehrfach zerschnitten wurde. Der Mann ist mit einem ärmellosen Kittel, einer Kniehose und Wadenwickeln um die Beine bekleidet. Die Leiche ist in einen 173 x 253 cm großen Wollmantel oder eine Wolldecke eingehüllt. Alle Textilien wurden in Leinwandbindung gewebt, Hose und Mantel weisen eingewebte farbige Streifen auf. Die Füße steckten in Bundschuhen, die aus einer behaarten Lederhaut geschnitten wurden. Zwei kleine, verschließbare Kapseln aus Silberblech trug der Tote als Schmuckanhänger.

Der Tote war ursprünglich nur von einer dünnen Moorplaggenschicht bedeckt, nach seiner Versenkung wuchs über ihm das Hochmoor noch 2 bis 3 m höher.

Verwunderlich ist, warum der Mann etwa 4 Kilometer fernab der nächsten Siedlung, dem heutigen Altendorf, beigesetzt wurde, die damals einen eigenen Bestattungsplatz hatte. Eine gewaltsame Tötung des Mannes ist aber aufgrund der Fundumstände auszuschließen.

Eine 14C-Datierung einiger Kopfhaare des Mannes aus dem Nachlass von Alfred Dieck, einer möglicherweise unsicheren Quelle, sowie Wollfäden aus der Kleidung ergab einen Todeszeitpunkt von etwa der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts.[1]

Einzelnachweise

  1. * Wijnand van der Sanden C14-Datierungen von Moorleichen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In: Die Kunde Neue Folge 46. Hrsg. vom Niedersächsischen Landesverein für Urgeschichte. Hannover 1995. S.139

Literatur

  • Alfred Dieck: Die Moorleiche von Obenaltendorf bei Stade. In: Stader Jahrbuch. N.F. 73/1983, Stader Geschichts- und Heimatverein, ISSN 0930-8946
  • Susan Möller-Wiering: Italienische Mode im Stader Moor? In: Frank M. Andraschko, Barbara Kraus, Birte Meller (Hrsg.): Archäologie zwischen Befund und Rekonstruktion. Kovač, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8300-2711-9
  • Wijnand van der Sanden: Mumien aus dem Moor - Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Drents Museum / Batavian Lion International. Amsterdam 1996, ISBN 90-6707-416-0

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