Mui Tsai

Mui Tsai

Mui Tsai (geschrieben: 妹仔) ist kantonesich und heißt „kleine Schwester“.[1] Dieser Begriff ist eine Bezeichnung für junge chinesische Frauen, die als Dienstmädchen in reichen chinesischen Haushalten arbeiten. Die Frauen kommen üblicherweise aus armen Familien und werden für mehrere Jahre verkauft, bevor sie heiraten. Solche Vereinbarungen werden als gemeinnützig betrachtet, da sich der Lebensstandard der Frauen verbessern kann.

Hierzu muss man wissen, dass die traditionelle chinesische Familie einen männlichen Nachkommen braucht. Arme Eltern, die nicht in der Lage sind, mehrere Kinder zu unterhalten, haben früher auch neugeborene Mädchen getötet. Angesichts drückender Armut kann durch den Weiterverkauf wenigstens das Überleben der Mädchen sichergestellt werden.[2]

Allerdings gibt es keine schriftlichen Verträge und manche Frauen werden in die Prostitution weiterverkauft.[3] Das Mui-Tsai-System war bis in die 1940er-Jahre vor allem in China, Hongkong, Singapur und Teilen von Südostasien weit verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

Macao

Im 16. Jahrhundert war es in Macao üblich, dass arme Familien ihre Töchter für 40 Jahre als Hausdienerinnen vermieteten. Als die Portugiesen in Macao siedelten haben sie Mui Tsais nicht nur im Haushalt eingesetzt sondern auch Bordelle eingerichtet, wogegen die zuständigen Mandarine allerdings protestierten.[4]

Hongkong

Im 19. Jahrhundert wurden von der britischen Regierung zunächst der Slave Trade Act und später der Slavery Abolition Act erlassen, mit dem die Sklaverei verboten wurde. In der britischen Kolonie Hongkong gab es lange Zeit keine Beschränkung bei der Weitergabe von Mädchen als Mui Tsais, da dies traditionell als eine familiäre Angelegenheit betrachtet wurde.

Nach Pressekampagnen in Großbritannien versprach der Kolonialminister Winston Churchill die Abschaffung des Mui-Tsai-Systems in Hongkong innerhalb eines Jahres. Auf Druck des britischen Parlaments erließ die Regierung von Hongkong 1923 das Gesetz für weibliche Hausangestellte (Female Domestic Service Bill), mit dem der Import und die Weitergabe von Mui Tsai verboten wurde. Die Forderung nach Registrierung aller Mui Tsais wurde allerdings verschoben. Die Einhaltung des Gesetzes wurde nicht ernsthaft überwacht.

1926 unterzeichnete Großbritannien die Slavery Convention des Völkerbundes. Das Thema Mui Tsais wurde bald Gegenstand einer internationalen Untersuchung. Nach starkem politischem Druck erließ die Regierung von Hongkong 1929 die Verordnung für weibliche Hausangestellte (Female Domestic Service Ordinance). Alle Mui Tsais mussten bis zum 31. Mai 1930 registriert werden. Danach war keine Registrierung und somit auch kein Verkauf mehr erlaubt. Inspektoren wurden ernannt, die die Mui Tsais besuchten, um sicherzustellen, dass sie nicht misshandelt wurden und ihren Lohn erhielten.[5]

Der letzte Fall wurde 2005 bekannt. Chinesische Eltern erhielten eine Ablösesumme für ihre Tochter, die nach Hongkong gebracht wurde. Sie musste ununterbrochen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten. Nach körperlicher Misshandlung wurde sie schließlich in ein Krankenhaus eingeliefert.[6]

USA

Im 19. Jahrhundert immigrierten viele chinesische Arbeiter in die USA. Durch den Chinese Exclusion Act von 1882 konnten chinesische Arbeiter keine Frauen aus China nachholen und durften auch keine Frauen mit anderer Nationalität heiraten. Nun immigrierten viele chinesische Mädchen und junge Frauen mit falschen Papieren, in denen bescheinigt wurde, dass sie Ehefrauen oder Töchter der Oberklasse wären. Sie wurden als Hausmädchen verkauft und, wenn sie älter wurden, oft in die Prostitution weiterverkauft. Mui Tsais erhielten Unterstützung von reformierten Christen in San Francisco. Das Presbyterianische Missionshaus in San Franciscos Chinatown rettete chinesische Mädchen und Frauen vor Missbrauch.[7]

Trotz der Arbeit der Reformer in den USA existierte das dortige Mui-Tsai-System bis ins frühe 20. Jahrhundert.[1]

Quellen

  1. a b Yung, Unbound Feet, 37.
  2. Professor David K. Jordan (UCSD): The Traditional Chinese Family & Lineage (englisch)
  3. Yung, Unbound Feet, 38.
  4. Ronald Daus: Die Erfindung des Kolonialismus. Hammer, Wuppertal 1983, ISBN 3-87294-202-6, S. 232.
  5. Hong Kong Med J Vol. 12., S. 464-465
  6. Hong Kong Med J Vol. 12., S. 463-464
  7. Encyclopedia of San Francisco, Donaldina Cameron (englisch)

Literatur

  • Judy Yung: Unbound Feet: A Social History of Chinese Women in San Francisco, University of California Press: Berkeley 1995, ISBN 0520088670
  • Judy Yung: Unbound Voices: A Documentary History of Chinese Women in San Francisco, University of California Press: Berkeley 1999, ISBN 0520218604

Weblinks


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