- NSV.-Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnen-Seminar Friedberg bei Augsburg
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Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Anfang Mai 1938 wurde in Friedberg das erste NSV.-Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnen-Seminar für den Gau Schwaben feierlich eröffnet. Träger der Einrichtung war die NSV.-Gauamtsleitung Schwaben, Augsburg, Halderstraße 16, die sich in unmittelbarer Nähe der Augsburger Synagoge befand. Die politisch Verantwortlichen konstatierten über die Notwendigkeit einer ideologischen gebundenen sozialpädagogischen Ausbildungsstätte (archiviert im Ida-Seele-Archiv):
Innerhalb des Hilfswerks 'Mutter und Kind' ist eines der wichtigsten Teilgebiete die Arbeit in den Kindergärten und Horten, die zur Aufnahme solcher Kinder bestimmt sind, deren Familienerziehung nicht sichergestellt ist. Es handelt sich um Kinder erwerbstätiger Mütter, um Einzel- oder auch schwer erziehbare Kinder, mit denen die Mütter nicht so recht fertigwerden können. Da in vielen Kindergärten aber bis jetzt noch immer mehr das 'Bewahren' des Kindes, als seine körperliche und geistige Ertüchtigung im Vordergrunde stand, will die NSV. Kindergärten schaffen und erhalten, in denen ein neuer Mensch erzogen wird. Hierzu erforderlich ist aber natürlich auch ein Umschulen der Kindergärtnerinnen bzw. eine gründliche Ausbildung derjenigen jungen Mädel, die Kindergärtnerinnen oder Hortnerinnen werden wollen. Um in diesem Sinne neue Arbeit zu leisten, wird von der 'NSV.-Gauamtleitung Schwaben' im Mai in Friedberg bei Augsburg ein Seminar eröffnet.
Die Stadt Friedberg hatte Grundstück und Gebäude kostenlos der NSV. zur Verfügung gestellt. Das Seminar erfreute sich schnell eines regen Zuspruchs. Demzufolge konnte es bereits ein Jahr später zweizügig geführt werden. Insgesamt dauerte die Ausbildung zwei Jahre, unterbrochen von einem mehrwöchigen Praktikum im ersten und zweiten Ausbildungsjahr in einem Kindergarten, Hort, Kinderheim, Säuglingsheim, Krippe oder Krabbelstube, in Küche, Haus und Garten. Auswärtige Seminaristinnen konnten in einem Kameradschaftsheim wohnen. 1940 kam noch eine Kinderpflegeschule hinzu.
Die angehenden Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Kinderpflegerinnen wurden nicht in Klassenverbänden, sondern in straff geführten Kameradschaften zusammengefasst, denen die Erzieher- und Lehrerkameradschaft als positiv vorgelebtes Beispiel gegenüberstand. Die straff geführten Kameradschaften wurden während der Ausbildung noch vertieft in "achttätigen Lageraufenthalten" im ersten Halbjahr sowie am Ende des dritten Halbjahres.
Um in das Seminar aufgenommen zu werden, musste die Bewerberin folgende Aufnahmebedinugen erfüllen (laut Prospekt aus dem Jahre 1938, archiviert im Ida-Seele-Archiv):
1. Arische Abstammung - 2. Vollendetes 17. Lebensjahr - 3. Erbgesundheit . 4. Abschluss eines Lyzeums oder einer Mittelschule. Volksschülerinnen müssen erweiterte Allgemeinkenntnisse in einer schulwissenschaftlichen Prüfung nachweisen - 5. Hauswirtschaftliche Vorbildung in Frauenschule, Haushaltungsschule oder Familie. In letzterem Falle ist eine hauswirtschaftliche Prüfung bei der Aufnahme abzulegen - 6. Zugehörigkeit zu BDM oder Frauenwerk - 7. Eignung und Neigung für sozialpädagogische Arbeit.
Alle am Seminar tätigen Lehrkräfte mussten der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehören, da sie die nationalsozialistische Ideologie rein zu vermitteln hatten. Diesbezüglich ist in den vorhandenen Dokumenten (archiviert im Ida-Seele-Archiv) nachzulesen:
Die nationalsozialpolitische Erziehung durchdringt alle Fachgebiete der Ausbildung. Im engeren Sinne dienen ihr die Fächer Reichskunde, Heimatkunde, Volkstumpflege und Deutsch. Der Unterricht geht aus von der Erb- und Rassenlehre, führt von der deutschen Geschichte zu Fragen der Volks- und Staatskunde der Gegenwart und verknüpft diese mit der Heimatkunde und der Volkstumpflege....
Im Jahr 1942 wurden im Gau Schwaben alle konfessionell gebundenen Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnenseminare verboten. Davon betroffen waren die Ausbildungsstätten in Augsburg, Dillingen, Nördlingen und Kaufbeuren. Daraufhin war die Nachfrage an einem Ausbildungsplatz am Friedberger Seminar extrem hoch. Demzufolge mussten Sonderlehrgänge eingeführt werden, die in wenigen Monaten junge Mädchen und Frauen ausbildeten, mit der Verpflichtung, nach dem Krieg eine Nachschulung zu absolvieren.
Im Februar 1945 wurden, nach einer um drei Monate verkürzten Ausbildung, die letzten 44 Seminaristinnen geprüft, die Schülerinnen entlassen und Flüchtlinge, Mütter und Kinder aus Ostpreußen aufgenommen. Zwei Monate später besetzten Amerikaner das Haus und lösten die Ausbildungsstätte auf.
Das ehemalige NSV.-Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnen-Seminar wurde im Jahre 1976/77 abgebrochen und es entstand an dieser Stelle eine Schwimmhalle mit 3-fach-Turnhalle.
Leitbild
Darüber ist im Schulprosekt (archiviert im Ida-Seele-Archiv) nachzulesen:
Die Erziehungsaufgabe, die die NSV-Kindergärtnerin zu erfüllen hat, erfordert Menschen, die erzieherische Fähigkeiten mit liebevollem Verständnis und fröhlicher Lebensbejahung verbinden. Unsere Kindergärtnerinnen müssen die Bereitschaft und die Verpflichtung in sich tragen, in nationalsozialistischem Sinne Dienst zu tun an der Volksgemeinschaft, treue Hüterinnen und Wächterinnen zu sein über dem kostbarsten Gut eines Volkes - seinen Kindern.
Schulleitung
Maria Krawinkel leitete das Seminar von 1938 bis 1945. Sie war ausgebildete Kindergärtnerin, Jugendleiterin und Werklehrerin. Die 1903 in Neckendorf bei Gelsenkirchen geborene Pädagogin war zuvor stellvertretende Leiterin des Friedrich-Fröbel-Hauses Berlin-Niederschönhausen (Haushaltungs- und Kinderpflegerinnenschule). Nach den Zusammenbruch der Nazi-Diktatur übernahm sie die Leitung eines Jugendwohnheimes für SBZ-Flüchtlinge des Caritasverbandes Hannover. Mai 1955 wurde ihr die Leitung der ersten katholischen Mütterschule der BRD in Köln übertragen. Daneben zeichnete sie für einige Jahre als Vorsitzende der Dachorganisation Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Mütterschulen verantwortlich.
Literatur
- Manfred Berger: Vorschulerziehung im Nationalsozialismus. Recherchen zur Situation des Kindergartenwesens 1933-1945, Weinheim 1986, S. 109-113
- Manfred Berger: Recherchen zur Ausbildungssituation der Kindergärtnerin im Dritten Reich. In: Unsere Jugend, 1985/H. 11, S. 433-442
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