Narrenturm

Narrenturm
Der Narrenturm
Reste eines der ältesten Blitzableiter der Welt am Narrenturm

Der Narrenturm in Wien neben dem Gelände des alten Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien und heutigen Universitätscampus stellt das weltweit erste Spezialgebäude zur Unterbringung von „Geisteskranken“ dar. Es wurde 1784 gebaut. Heute ist es Sitz des Pathologisch-anatomischen Bundesmuseums Wien.

Inhaltsverzeichnis

Das Gebäude

Das Gebäude wurde 1784 unter Kaiser Joseph II. durch Isidore Canevale errichtet. Es handelte sich um einen fünfstöckigen festungsähnlichen Rundbau mit 28 Räumen und schlitzartigen Fenstern pro Ring und einen in Nord-Süd-Richtung ausgerichteten Mitteltrakt. Insgesamt gab es für die Insassen 139 Einzelzellen. Ausgangspunkt der Errichtung des „Narrenturmes“ war die Entdeckung von unterirdischen Verliesen bei den Wiener Kapuzinern, deren geisteskranke Mitbrüder dort untergebracht wurden. Joseph II. hatte zudem auf seinen Reisen nach Frankreich Gelegenheit, französische Einrichtungen zu studieren. Die Errichtung des Narrenturms ist ein Zeugnis einer neuen Haltung gegenüber Geisteskranken, er stellte den Beginn der Ausgrenzung von Geisteskranken aus der Gesellschaft dar und trennte sie von der gesellschaftlichen Kategorie der „Armen“.[1]

Jede Zelle hatte starke Gittertüren und Ringe zur Ankettung unbändiger Insassen. Mit seiner Kasernenartigkeit ist der Bau sichtbarer Ausdruck für die Segregation, Tabuisierung und Kriminalisierung gesellschaftlich devianter Verhaltensformen und damit unfreiwilliges Dokument des ambivalenten Vernunftparadigmas der Aufklärung.

Ein Reisender inspizierte 1789, wenige Jahre nach der Eröffnung, auch diese „Hauptsehenswürdigkeit“ bei seinem Wienbesuch: Ein großer Theil der Unglücklichen, hier Eingesperrten, sind Soldaten. Viele sind nicht in die Behältnisse eingekerkert, sondern sitzen und laufen in den Gängen umher. Manche liegen an Ketten in ihren Kerkern, und sind an die Wände angeschlossen.

Zehn Jahre später galt der Turm infolge der Neuerungen in der Therapie von "Geisteskranken" bereits als völlig überholt, da nur ein geringer Teil der Geisteskranken – dies gilt als Gesamttrend für das 18. und 19. Jahrhundert – sozial genau abgestuft und unterschiedlich behandelt, hospitalisiert und versorgt werden konnte. Von seiner Rundform leitet sich die in Wien übliche umgangssprachliche Bezeichnung Gugelhupf für Irrenhäuser bzw. psychiatrische Kliniken ab. Die Annahme, dass der Narrenturm eine Umsetzung der Idee des Panoptikum von Jeremy Bentham sei, trifft nicht zu, da die Zellen nicht von einem Zentrum aus kontrollierbar sind.

Bereits am ältesten Modell des Narrenturms findet sich am Dachfirst ein Blitzableiter oder Blitzfänger. Zwei seiner Halterungen im Innenhof existieren noch. Unabhängig von Benjamin Franklin, der den Blitzableiter 1753 erfand,[2] baute der Pfarrer von Přímětice bei Znaim, Prokop Diviš OPraem, 1754 den weltweit ersten geerdeten Leiter in seinem Garten. Josef II. waren die Versuche von Diviš bekannt, welchem es vor allem um eine vermutete Heilkraft von Strömen ging. Ob die vermutlich ältesten erhaltenen Blitzableiterreste der Welt im Narrenturm möglicherweise eher ein Blitzfänger als Blitzableiter zur Behandlung der Insassen waren, ist bisher noch nicht geklärt.

Das Museum

Der derzeitige Nutzer ist das Pathologisch-anatomische Bundesmuseum.

Das Museum wurde 1796 unter Kaiser Franz II. als Museum des Pathologisch-anatomischen Institutes gegründet. Seit 1974 ist es Bundesmuseum.

Elektro-Pathologisches Museum

So sind Teile des ehemaligen elektro-pathologischen Museums von Stefan Jellinek untergebracht. Das Museum wurde von Jellinek im Jahr 1936 eröffnet, bevor er 1939 als Jude das Land verlassen musste. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam er seine Sammlung zurück. Sein Mitarbeiter Franz Maresch organisierte die Ausstellung nach dem Tod des Gründers im Jahr 1968 neu. In den 1980er wurde ein großer Teil vom Technischen Museum übernommen, während die tierischen und menschlichen Feuchtpräparate dem Pathologisch-anatomischen Museum übergeben wurde.[3]

Einzelnachweise

  1. Scheutz, Universität Wien, Vorlesung Geschichte der Armut und des Bettels in der Neuzeit
  2. „IMA Held: Benjamin Franklin“ (Biographie), IMA Hero, 2003, Webseite: IMA-BF (Es gibt Blitzstange 1753, nach Drachen mit Sohn 1752 an).
  3. Eröffnung der Elektro- Pathologischen Sammlung im Wiener Narrenturm vom 12. Februar 2010 abgerufen am 27. Februar 2010

Literatur

Weblinks

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