- Kriminalisierung
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Als Kriminalisierung wird im Sprachgebrauch eine Gesetzesänderung bezeichnet, die zur Strafbarkeit von Handlungen führt. Oft bildet sich bei der Erschließung neuer Rechtsräume wie z. B. neuen Medien ein Regulationsvakuum, sog. Strafbarkeitslücken, in denen sich verschiedene gewohnheitsrechtliche Strukturen bilden, die sich noch an vorhandenen Gesetzen ähnlichener Bereiche orientieren. Bei der Regelung durch den Gesetzgeber kommt es dann zu einem Verbot von Handlungen, die sich in diesem Vakuum eingebürgert haben. Auch beim Wechsel der Gesetzgebung in ein neues Paradigma durch technische, wissenschaftliche und kulturelle Veränderungen (z. B. durch die sexuelle Befreiung nach Verfügbarkeit von einfach anzuwendenden Verhütungsmitteln) werden die Gesetze in Richtungen geändert, die vorher gestattetes oder erwünschtes Verhalten unter Repressionen, d. h. Strafe, stellt.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele in Deutschland
- Einführung des „Stromdiebstahls“ als Entziehung elektrischer Energie (§ 248c StGB)
- 1976 wurde die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung strafbar.
- Heraufstufung des „Mundraubs“ zu einem Diebstahl geringwertiger Sachen (§§ 242, 248a StGB)
- Schaffung von Umweltdelikten.
- Abschaffung eines gewohnheitsrechtlich anerkannten Züchtigungsrechts (verboten durch § 1631 Abs. 2 BGB, nunmehr in die Tatbestände der Körperverletzungsdelikte, Freiheitsberaubung und Nötigung einzustufen, „Kriminalisierung der Eltern“.
- Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe (in Deutschland seit 1997)
- Schaffung der Computerdelikte im Rahmen der Automatisierung zahlreicher Lebenssachverhalte (das sind u.a. Computersabotage, Datenveränderung, Ausspähen von Daten), „Kriminalisierung der Hacker“.
- Eine in Erwägung gezogene Verschärfung des Urheberrechts wurde von vielen demgegenüber negativ eingestellten Gruppen als „Kriminalisierung der Schulhöfe“ bezeichnet (gemeint sind Schulkinder).
Motivation
Für die wesentlichen Umwälzungen in der Kriminalisierungen stehen in der Regel punitive Auffassungen der Vertreter in den Gesetzgebungsorganen. Die Ursachen sind vielfältig. Nachweisbar ist das Agenda setting im Wechselwirkungsprozess zwischen Medien, Politik und Bevölkerung. Häufig kommt der Presse dabei nicht nur die Funktion des Katalysators zu. Teilweise wird auch im Rahmen politischer Schnellschüsse auf singuläre Ereignisse reagiert (Schaffung von Straftatbeständen in Deutschland wie unerlaubter Umgang mit gefährlichen Hunden).
Entkriminalisierung
Im Rahmen der Liberalisierung sind auch gegenläufige Tendenzen sichtbar. So wird als Entkriminalisierung die Herabstufung von Straftatbeständen zu Ordnungswidrigkeiten oder die völlige Streichung von Straftatbeständen bezeichnet. Beispiele in Deutschland hierfür sind:
- Streichung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen (§ 175 StGB aF) im Rahmen der Großen Strafrechtsreform.
- Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts teilweise verfassungswidrig)
Weitere Verwendung
Der Begriff Kriminalisierung wird in der politischen Auseinandersetzung auch als abwertendes Schlagwort verwendet, um die einseitige Strafverfolgung bei politisch motivierten Straftaten zu kritisieren. So wurde den Strafverfolgungsbehörden beispielsweise vorgeworfen, Hausbesetzer zu kriminalisieren, wenn diese wegen Hausfriedensbruchs oder anderer Straftaten verurteilt wurden. Von Kriminalisierung spricht man auch, wenn zwei widerstrebende Rechtsgüter so gegeneinander gewertet werden, dass jemand ungeachtet seiner Motivation zum Straftäter gemacht wird.
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