Nationalversammlung (Republik China)

Nationalversammlung (Republik China)

Die Nationalversammlung war von 1913 bis 2005 das Parlament der Republik China.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Nationalversammlung der Republik China entspringt den Vorstellungen des Staatstheoretikers Sun Yat-sen von einer Verfassung, die er "Drei Prinzipien des Volkes" nannte. Die Republik China sollte hierbei staatliche Unabhängigkeit, Volkswohlfahrt und nach einer Phase der Anleitung der Bevölkerung zu gesetzmäßigem Handeln Demokratie genießen. Die demokratische Entscheidungsgewalt in grundsätzlichen Angelegenheiten sollte der Nationalversammlung (Guomin Dahui 國民大會) obliegen, während einfache Gesetze unter dem Verfassungsrang durch eine zweite Gesetzeskammer, dem "Legislativ-Yuan" behandelt werden sollten.

1913 wurde die erste Nationalversammlung gewählt, in der die Guomindang (Kuomintang) die Mehrheit gegenüber der Republikanischen Partei, der Vereinigungspartei, der Demokratischen Partei, einer Mehrparteienliste und einer größeren Zahl von Parteilosen errang. Nachdem sich der frühere Monarchist Yuan Shikai von der Nationalversammlung zum Präsidenten wählen ließ, zerschlug er dieses Verfassungsorgan durch einen Staatsstreich.

Die im Norden Chinas herrschenden Militärmachthaber riefen die Nationalversammlung unter Ausschluss der Guomindang wieder ein, das ab 1923 wegen einer groß angelegten Bestechungsaffäre seitens der ins Ausland oder in den Untergrund vertriebenen Opposition mit dem Schimpfwort "Ferkelparlament" belegt wurde.

1936 wurde die Nationalversammlung reorganisiert, konnte aber zu einem Fünftel nicht frei gewählt werden, weil Japan große Gebiete Chinas okkupiert hatte. Nach dem Krieg mit Japan wurde das Wahlsystem neu überarbeitet. Die mit japanischen Waffen ausgestattete Kommunistische Partei Chinas, welche die Sowjetunion zuvor erbeutet hatte, beteiligte sich nicht an den Wahlen. Ihr nahestehende kleinere Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokratischen Partei und der Jungchina-Partei schlossen sich der KP an.

Als die Wahlen im November 1947 auf dem chinesischen Festland wie auch in Taiwan abgehalten wurden, gingen 250 Millionen von 350 Millionen Wahlberechtigten zu den Urnen. China hatte zu dieser Zeit etwa 460 Millionen Staatsangehörige. In den kommunistisch besetzten Gebieten durften keine Wahlen abgehalten werden. Die neue Nationalversammlung bestand zu 48 % aus unabhängigen Abgeordneten, zu 37,4 % aus Guomindang-Abgeordneten, zu 7,8 % aus Abgeordneten der Jungchina-Partei und zu 6,8 % der Sozialdemokratischen Partei. Das Verfassungsorgan konstituierte sich im März 1948.

Wegen des stetigen Vorrückens der kommunistischen Truppen erließ die Nationalversammlung mit Zweidrittelmehrheit am 18. April 1948 ein Gesetz zur "Niederschlagung der kommunistischen Rebellion", das dem Präsidenten große Vollmachten zubilligte und gesamtchinesische Wahlen auf die Zeit danach verschob.

In der Nationalversammlung wurde für die anstehende Wahl zum Staatspräsidenten der Intellektuelle und Schriftsteller Dr. Hu Shi favorisiert, der allerdings für den im Widerstand gegen Japan populären Chiang Kai-shek plädierte. Nachdem sich über 2000 Abgeordnete diesem Vorschlag angeschlossen hatten, kandidierte Chiang. Mit einer Mehrheit von 2430 der 2734 abgegebenen Stimmen wählte die Versammlung Chiang zum Präsidenten. Sein Herausforderer, der Jurist Ju Zheng erhielt nur 269 Stimmen. Der Rest der Stimmen war ungültig. [1]

Nachdem die Kommunistische Partei Chinas in den eroberten Gebieten die Macht übernommen hatte und der Ausrufung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 bestand für die meisten Abgeordneten auf dem chinesischen Festland Todesgefahr. Deshalb bemühten sich die meisten von ihnen, auf die Insel Taiwan zu gelangen, wo die Nationalversammlung weiterhin mit kleinerer Besetzung ab 1950 tagte.

Langes Parlament

Die Nationalversammlung wurde somit 1947 letztmalig gesamtchinesisch gewählt. Aufgrund des Kriegrechts ab 1947 bis 1991 regierte sie, ohne dass es allgemeine Neuwahlen gab (daher auch die Bezeichnung der Opposition Langes Parlament). Lediglich für Abgeordnete aus Taiwan wurden Wahlen möglich. Das Parlament blieb im Amt, weil die Republik China befürchtete, ihre gesamtchinesische Legitimationsbasis zu verlieren.

Auflösung

1991 schaffte die Nationalversammlung das "Gesetz zur Niederschlagung der kommunistischen Rebellion" ab. Sämtliche Abgeordnete traten zurück und machten den Weg für allgemeine Wahlen frei. Im Jahr 2000 verfügte es die überwiegende Gesetzeskompetenz zum Legislativ-Yuan. Nach einer Entscheidung im Legislativ-Yuan, einer anderer Parlamentskammer der Republik, löste sich die Nationalversammlung im Jahr 2005 gänzlich auf.

In den 1980er und 1990ern wurde die Legislativ-Gewalt schrittweise an den Legislativ-Yuan übertragen. Die Neuwahlen 1992 waren die ersten Wahlen, bei den die alteingesessenen Taiwaner die Mehrheit der Wahlberechtigten stellten.

2005 wurde die Nationalversammlung durch eine Verfassungsänderung im selben Jahr durch eigenen Beschluss ganz abgeschafft.

Literatur

  • Weyrauch, Thomas: Chinas unbeachtete Republik. 100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte. Band 1 (1911 – 1949) . 350 Seiten, Longtai 2009, ISBN 978-3-938946-14-5
  • Weyrauch, Thomas: Chinas unbeachtete Republik. 100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte. Band 2 (1950 – 2011) . Longtai 2011, ISBN 978-3-938946-15-2

Einzelnachweise

  1. Weyrauch: Chinas unbeachtete Republik. 100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte. Bd. 1, S. 287 ff.

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