Nikodemus

Nikodemus

Nikodemus ist der Name einer Person aus dem Johannesevangelium im Neuen Testament der Bibel. Das griechische Wort (eigentlich Nikodemos) bedeutet sinngemäß: „Sieger in der Volksversammlung“ bzw. „Sieger aus dem Volk“.

Nikodemus in einer Grablegungsgruppe. Skulptur in Groß St. Martin

Inhaltsverzeichnis

Biblisches Zeugnis

Nach Joh 3,1 EU gehört Nikodemus zur jüdischen Gruppe der Pharisäer und wird darüber hinaus als ein „Führer der Juden“ bezeichnet. Während eines nächtlichen Besuchs bei Jesus weist dieser ihn darauf hin, dass der Eintritt in das Reich Gottes eine geistige Wiedergeburt voraussetzt. Nikodemus missversteht jedoch diese Geburt als ein leibliches Geschehen. Daraufhin greift Jesus zu dem Vergleich: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8 EU). Damit betont das Johannesevangelium den Vorrang der spirituellen Dimension in der Beziehung zu Gott.

Später im Johannesevangelium (Joh 7,50-52 EU) tritt Nikodemus gegenüber den jüdischen Autoritäten für Jesus ein. Ein drittes Mal wird er bei der Grablegung Jesu erwähnt, als er eine beträchtliche Menge von Myrrhe und Aloe zur Salbung des Leichnams bringt (Joh 19,39 EU).

Nikodemus und das christlich-jüdische Gespräch

Die nächtliche Situation des Gesprächs zwischen Jesus und Nikodemus wird oft so verstanden, dass Nikodemus nur im Geheimen, ohne Wissen der anderen Pharisäer und aus Furcht vor deren Reaktionen zu Jesus zu kommen wagt.[1] Die Beziehung zwischen Nikodemus und Jesus steht somit im Kontext des christlich-jüdischen Dialogs. Eine aus der Szene abgeleitete grundsätzlich feindliche jüdische Haltung gegenüber Jesus ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung für das Verständnis. Der Talmud beschreibt eine Gepflogenheit jüdischer Rabbis, sich bei Nacht mit den Geheimnissen der Tora zu beschäftigen (bMen 110a):

„Ein Stufenlied: Preiset den Herrn, alle Diener des Herrn, die ihr in den Nächten im Hause des Herrn steht (Ps 134,1). Was heißt: in den Nächten? Rabbi Jochanan erwiderte: Das sind die Schriftgelehrten, die sich nachts mit der Tora befassen. Die Schrift rechnet es ihnen an, als würden sie sich mit dem Opferdienst befassen.“

Dem entspricht auch Mt 10,27 EU: „Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet (später) am hellen Tag.“ So verstanden ist der nächtliche Besuch des Nikodemus bei Jesus vor allem ein spirituelles Gespräch, wie es der jüdische Gelehrte üblicherweise mit der Tora führt. Das würde darauf hinweisen, dass es dem Johannesevangelium in dieser Szene nicht um eine schroffe Gegenüberstellung zwischen Judentum und Christentum geht, sondern darum, die Bedingung für einen ernsthaften Dialog aufzuzeigen. Diese lautet: Nicht die unterschiedliche leibliche oder organisatorische Herkunft von Juden und Christen, sondern die verbindende geistige Verfassung ist Voraussetzung für das beiden gemeinsame rechte Verhältnis zu Gott.

Hinzu tritt noch das Element des Gegensatzes zwischen Dunkelheit und Licht, das im Johannesevangelium grundsätzlich eine bedeutende Rolle spielt und auch die Nikodemusszene abschließt (Joh 3,19-21 EU). Das durch die Dunkelheit veranschaulichte Unverständnis des Nikodemus soll durch das Licht der geistigen Erkenntnis abgelöst werden.[2]

Außerbiblische Quellen

Flavius Josephus erwähnt in seinen Antiquitates (XIV,3,2) einen Nikodemus als Abgesandten des Aristobul an Pompeius; dieser lebte jedoch vor 63 v. Chr und kann deshalb mit dem Nikodemus des Johannesevangeliums nicht identisch sein. Eher könnte der Nikodemus des Evangeliums mit dem in der rabbinischen Literatur mehrfach genannten Naqdemon ben Gorjon gleichgesetzt werden (siehe Strack und Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, München 1924, Band 2, S. 413-418). Dieser soll auch Buni geheißen haben und einer der drei reichsten Leute Jerusalems gewesen sein, die während der Belagerung der Stadt durch Titus das Volk aus ihren Vorräten erhalten wollten. Da im Talmud (Sanh 43a) behauptet wird, Jesus habe einen Schüler namens Buni gehabt, wäre die Gleichsetzung mit dem Nikodemus des Evangeliums möglich.

Die apokryphe christliche Schrift Acta Pilati wird seit dem Mittelalter auch als „Nikodemusevangelium“ bezeichnet.

Aufgrund der spärlichen außerbiblischen Quellen wird die historische Existenz des Nikodemus von Bibelkritikern in Zweifel gezogen.

Die Katholische Kirche verehrt ihn als Heiligen mit dem Gedenktag 3. August.

Einzelbelege

  1. Klaus Wengst, Das Johannesevangelium 1, S. 119
  2. Charles K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes, S. 226

Literatur

  • Charles K. Barrett: Das Evangelium nach Johannes, Göttingen 1990 ISBN 3-525-51623-1
  • Cornel Heinsdorff: Christus, Nikodemus und die Samaritanerin bei Juvencus. Mit einem Anhang zur lateinischen Evangelienvorlage, Berlin/ New York 2003 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, Bd. 67) ISBN 3-11-017851-6
  • Jan Dobraczyński: Briefe des Nikodemus, Warschau 1952
  • Klaus Wengst: Das Johannesevangelium, ThK NT 4,1, Stuttgart 2000 ISBN 3-17-016696-4

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Nikodemus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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