Notifizierungspflicht

Notifizierungspflicht

Als Notifizierungspflicht wird die gesetzliche Verpflichtung des öffentlichen Sektors bezeichnet, eine Subvention, die sogenannte Beihilfe, bei der Europäischen Kommission anzumelden und genehmigen zu lassen.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Beihilfe umfasst die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige, wodurch der Wettbewerb verfälscht wird oder zu verfälschen droht. Dies ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit hierdurch der Handel beeinträchtigt wird. Darunter werden insbesondere öffentliche Gelder und Gewährleistungen für nichtöffentliche Unternehmen subsumiert. Zudem umfasst der Begriff der Beihilfe jede Art von Vergünstigung an privatwirtschaftlich organisierte und erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsformen, die hierfür keine adäquate Gegenleistung erbringen. Neben Gebietskörperschaften unterliegen auch öffentliche Unternehmen diesen Notifizierungspflichten (Art. 106 AEUV). Die Europäische Kommission genehmigt die Subvention nur, wenn sie diese für mit dem Binnenmarkt vereinbar hält.

Verfahren

Nach Art.108 Abs.3 S.1 AEU-Vertrag sind Beihilfen unter obigen Voraussetzungen vor ihrer Vergabe bei der Kommission anzumelden und von ihr genehmigen zu lassen (Notifizierungspflicht). Die Anmeldepflicht obliegt der die Beihilfe gewährenden Stelle.

Die Notifizierungspflicht gilt sowohl für Einzelförderungen als auch für Programme. Lediglich Förderungen in kleine(re)m Umfang bedürfen nicht der Genehmigung (sog. de minimis-Beihilfen). De minimis-Beihilfen sind Subventionen, die den Wert von € 200.000 (seit der Förderperiode 2007 - 2013, davor € 100.000) an dieselbe begünstigte Stelle binnen 3 Jahren nicht überschreiten.

Rechtsfolgen eines Verstoßes bei einer Gewährung im Zivilrecht

Wird allerdings gegen diese Notifizierungspflicht verstoßen, so ist die Beihilfe nichtig[1]. Nichtigkeitsgrund ist der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), weil der BGH die Notifizierungspflicht als Verbotsgesetz klassifiziert[2]. Im zitierten Verfahren hat der BGH klargestellt, dass § 134 BGB anerkanntermaßen auch dann Anwendung findet, wenn es zwar um die Verletzung eines nur an eine staatliche Vertragspartei (Bundesrepublik Deutschland) gerichteten gesetzlichen Verbots geht, der Zweck des Gesetzes aber nicht anders zu erreichen ist als durch Annullierung der durch das Rechtsgeschäft getroffenen privatrechtlichen Regelung. Der betroffenen Förderbank stand demnach kein Rückzahlungsanspruch aus einem (nichtigen) Darlehensvertrag, sondern lediglich aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu (mit dem Nachteil gesetzlicher Zinsen). Fehlt es an einer derartigen Genehmigung bei Kommunalbürgschaften, die Kredite an nichtkommunale Kreditnehmer sichern, so sind diese Bürgschaften nichtig und die Kredite unbesichert (Art.108 Abs. 3 Satz 1 AEUV in Verbindung mit § 134 BGB). Den beteiligten Banken wird regelmäßig zugemutet, sich von der Einhaltung der Notifizierungspflicht zu vergewissern[3]. Die Banken müssen die in einer Nichtanzeige liegende formelle Gemeinschaftsrechtswidrigkeit erkennen[4]. Dabei kommt dem Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem einfachen deutschen Recht zu[5].

Einzelnachweise

  1. BGH WM 2004, 468
  2. BGH WM 2003, 1491
  3. vgl. EuGH, Urteil vom 20. März 1997 -- Rs C-24/95; BVerwGE 92, 81, 86 aus 1993
  4. BVerwG a.a.O.
  5. vgl. BVerfGE 75, 223, 244 aus 1987


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