Orientierungspolarisation

Orientierungspolarisation
Dipolmoment eines H2O-Moleküls.
rot: negative Teilladung
blau: positive Teilladung
grün: gerichteter Dipol

Als Orientierungspolarisation bezeichnet man die durch Ausrichtung permanenter elektrischer Dipole (z. B. Wasser) in einem elektrischen Feld bewirkte Polarisation.

Die thermische Bewegung der Dipole wirkt ihrer Ausrichtung entgegen. Diese Temperaturabhängigkeit der Polarisation wird durch die Debye-Gleichung beschrieben. Permanente Dipolmomente sind im Allgemeinen viel größer als induzierte Dipolmomente (etwa Faktor 103).

Kehrt man die Richtung des elektrischen Feldes um, so müssen sich die ganzen Moleküle umorientieren (Relaxationsprozess). Aufgrund ihrer relativ großen Trägheit benötigen die Dipole eine gewisse Zeit, um sich neu auszurichten (typische Rotationszeit eines Moleküls in Flüssigkeit 10−12 s). Bei hochfrequenter Änderung des elektrischen Feldes (z. B. ab Mikrowellen-Bereich) ist also keine Orientierungspolarisation mehr, sondern nur noch Verschiebungspolarisation zu beobachten und die Debye-Gleichung geht in die Clausius-Mossotti-Gleichung über.

Herleitung der Temperaturabhängigkeit

Die Wechselwirkungsenergie W eines permanenten elektrischen Dipols mit einem äußeren elektrischen Feld ist:

W=-\vec{p}\cdot \vec{E}=-pE\cos \vartheta

Der vollständigen Ausrichtung im elektrischen Feld steht die thermische Energie W\propto kT entgegen, die eine Gleichverteilung aller Richtungen anstrebt. Können die Dipole frei rotieren und befinden sich bei der Temperatur T im thermodynamischen Gleichgewicht, so ist die Wahrscheinlichkeit einen Dipol mit der Energie W bzw. dem Winkel \vartheta anzutreffen, proportional zum Boltzmann-Faktor:

\exp \left( -\frac{W}{kT} \right)=\exp \left( \frac{pE\cos \vartheta }{kT} \right)

Für ein konstantes elektrisches Feld in z-Richtung \vec{E}=E\hat{e}_{z} ist das mittlere Dipolmoment in z-Richtung gleich:

\left\langle p_{z} \right\rangle = p \left\langle \cos \vartheta \right\rangle =p\,\frac{\int_{0}^{\pi }{\cos \vartheta \;\operatorname{e}^{pE\cos \vartheta /kT}\sin \vartheta \;\mathrm{d}\vartheta }}{\int_{0}^{\pi }{\operatorname{e}^{pE\cos \vartheta /kT}\sin \vartheta \;\mathrm{d}\vartheta }}=p\left[ \coth \left( \frac{pE}{kT} \right)-\frac{kT}{pE} \right]

Die Summe über alle mittleren Dipolmomente pro Volumen ergibt die makroskopische Polarisation (N ist eine Dichte, nämlich Dipole pro Volumen):

P=N\left\langle p_{z} \right\rangle =Np\left[ \coth \left( \frac{pE}{kT} \right)-\frac{kT}{pE} \right]

Der in eckigen Klammern stehende Ausdruck ist die Langevin-Funktion. Für große Temperaturen bzw. kleine Feldstärken kann man die Langevin-Funktion entwickeln:

L(x)=\coth (x)-\frac{1}{x}\ \overset{x\ll 1}{\mathop{=}}\ \frac{x}{3}-\frac{x^{3}}{45}+\mathcal {O}(x^{5})     mit     x=\frac{pE}{kT}

Somit folgt für die makroskopische Polarisation mit pE\ll kT in erster Näherung:

P=\frac{Np^{2}}{3kT}E

Bei Zimmertemperatur beträgt kT etwa 1/40 eV = 0,025 eV und die Orientierungsenergie der Dipole mit Dipolmoment ca. 10-30 A·s·m bei einer Feldstärke von 107 V/m beträgt etwa 0,00062 eV. Somit ist pE / kT = 1 / 40 und obige Annahme erfüllt \ll 1.

Für schwache elektrische Feldstärken ist die Polarisation eine lineare Funktion des elektrischen Feldes

\vec{P}=\varepsilon _{0}\chi \vec{E}

Mit der vorherigen Gleichung erhält man eine temperaturabhängige elektrische Suszeptibilität

\chi =\frac{Np^{2}}{3\varepsilon _{0}kT}

Die Orientierungspolarisation ist also proportional zur reziproken Temperatur (Curie-Gesetz). Man beachte, dass dieses Ergebnis nur für Dipole gilt, die frei rotieren können. Bei einem Festkörper ist dies im Allgemeinen nicht gegeben.

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