Ossifikation

Ossifikation

Ossifikation (von lat. OsKnochen“) ist die Bildung von Knochengewebe im Wachstum, nach Brüchen oder bei pathologischer (krankhafter) Verknöcherung. Osteogenese bezeichnet die Bildung eines individuellen Knochens. Während der Entwicklung können Knochen auf zwei Wegen entstehen:

  • aus Bindegewebe: desmale Osteogenese (Ossifikation)
  • aus Knorpelgewebe: chondrale Osteogenese (Ossifikation)
  • durch Anlagerung von Knochengewebe an bestehendes: appositionelle Ossifikation

Inhaltsverzeichnis

Desmale Ossifikation

Bei der desmalen Ossifikation entsteht das Knochengewebe direkt aus dem embryonalen Bindegewebe (Mesenchym). So gebildete Knochen nennt man Bindegewebs-, Geflecht-, Deck- oder Belegknochen. Auf diese Art und Weise entstehen die Knochen des Schädeldachs und des Gesichtsschädels sowie das Schlüsselbein.

Mesenchymzellen verdichten sich inselartig zu Vorläuferzellen. Diese differenzieren sich zu Osteoblasten und bauen die Knochengrundsubstanz (Osteoid) auf, die anschließend mineralisiert. Dabei mauern sie sich durch die Anlagerung weiterer Osteoidschichten allmählich selbst ein und werden zu Osteozyten (ruhenden Zellen). Es entstehen so einzelne Verknöcherungspunkte, die sich zu Knochenspangen vereinigen und so den fertigen Knochen bilden.

Kommt es zu einem Knochenbruch, so wird immer zuerst desmal neues Knochengewebe gebildet, welches später zu Lamellenknochen umgewandelt wird (→ Knochenheilung).

Chondrale Ossifikation

Ablauf der chondralen Ossifikation

Bei dieser Form entstehen aus dem Mesenchym zunächst knorpelige Skelettelemente, das Primordialskelett - sie wird daher auch als indirekte Ossifikation bezeichnet. Man nennt diese Knochen auch Ersatzknochen.

Es gibt die Verknöcherung von innen her (enchondrale Ossifikation), dabei wachsen in das Knorpelgewebe Blutgefäße ein, in deren Begleitung sich Mesenchymzellen befinden. Diese differenzieren sich zu Chondroklasten (Knorpelabbau) und Osteoblasten (für den Knochenaufbau). Im Bereich der Epiphysenfugen kommt es durch den ständigen Auf- und Abbau zu einem Längenwachstum (interstitielles Wachstum). Auch entsteht im Inneren des Knochens ein Innenraum (primäres Mark), welches durch pluripotente Mesenchymzellen ersetzt wird und somit das eigentliche Knochenmark darstellt.

Bei der Verknöcherung von außen (perichondrale Ossifikation) sondern sich von der Knorpelhaut (Perichondrium) Osteoblasten ab. Diese lagern sich ringförmig um das Knorpelmodell und es entsteht so eine Knochenmanschette. Die perichondrale Ossifikation findet am Mittelschaft (Diaphyse) der langen Röhrenknochen statt. Die perichondrale Ossifikation dient somit dem Dickenwachstum (appositionelles Wachstum).

Bei beiden Formen der chondralen Ossifikation sondern die Osteoblasten eine Grundsubstanz, das Osteoid, ab. Durch den Einfluss der Osteoblastenfermente werden Kalksalze abgelagert. Die Osteoblasten differenzieren sich daraufhin zu Osteozyten. Die Punkte, von denen die Verknöcherung ausgeht, nennt man Knochenkerne oder Ossifikationszentren. Die Ossifikationszentren entstehen bei Nestflüchtern vor, bei den Nesthockern zumeist erst nach der Geburt.

Appositionelle Ossifikation

Bei der appositionellen Ossifikation wird Knochengewebe an bestehendes angelagert. Auf diese Weise erfolgt das Dickenwachstum von Knochen.

Knochenumbildung

Sowohl durch desmale als auch durch chondrale Ossifikation und auch bei der Heilung von Knochenbrüchen entsteht zunächst Geflecht- oder Faserknochen. Hier sind die Kollagenfibrillen der Knochengrundsubstanz noch ungeordnet. Die Faserknochen haben eine große Wachstumspotenz, jedoch eine geringe mechanische Festigkeit. Durch mechanische Beanspruchung (formative Reize) kommt es in den ersten Lebensjahren zum Umbau in den stabileren und strenger organisierten Lamellenknochen.

Ein Lamellenknochen im Querschnitt (Schema)

Der Aufbau des Lamellenknochens ist in der Substantia compacta am deutlichsten ausgeprägt. Er entsteht zunächst durch Osteoklasten, die größere, gefäßführende Kanäle in der Längsrichtung des (Geflecht-)Knochens freilegen, indem sie sich mit der Sekretion starker proteolytischer Enzyme einen Weg durch das Gewebe bahnen. Anschließend lagern sich Osteoblasten an die Wände dieses Kanals an, der als Havers-Kanal bezeichnet wird, und produzieren neue Grundsubstanz, bis sie sich „eingemauert“ haben (von da an bezeichnet man sie als Osteozyten). Durch die Anlagerung weiterer Schichten von Osteoblasten wird der Durchmesser des Kanales allmählich kleiner. Auf diese Weise entsteht ein sogenanntes Osteon – ein System aus etwa 4–20 mineralisierten Knochenlamellen, die konzentrisch um einen Havers-Kanal mit kleineren („Haverschen“) Blutgefäßen angeordnet sind. Zwischen den längs ausgerichteten Haverschen Gefäßen untereinander und den Gefäßen des Periosts gibt es Querverbindungen, die Volkmann-Kanäle.

Die Kollagenfaserbündel innerhalb der Lamellen verlaufen schraubenförmig um den Kanal, wobei sich der Drehsinn mit jeder angrenzenden Lamelle ändert. Sie sind hier durch Vorspannung gestreckt und nicht – wie sonst im Bindegewebe – gewellt. Dieser Aufbau aus gegenläufigen, vernetzten Spiralen wandelt Druck- und Zugbelastungen in Flächenpressungen um und verleiht dem Knochen seine besondere Stabilität.

Durch den ständigen Umbau, der im fertigen Knochen stattfindet, kommt es immer wieder zur Bildung von neuen Osteonen (siehe auch Knochengeweberemodellierung). Reste älterer Osteone, die man zwischen den jüngeren intakten Osteonen findet, bezeichnet man als Schaltlamellen.

Knochenwachstum

Kurze und platte Knochen wachsen durch äußere Anlagerung von Knochensubstanz. Auf diese Weise erfolgt auch das Dickenwachstum der langen Knochen.

Das Längenwachstum der langen Knochen erfolgt im Bereich einer Knorpelscheibe zwischen dem perichondral entstandenen Mittelstück (Diaphyse) und dem enchondral entstandenen Endstück (Epiphyse). Man nennt diese Knorpelplatte auch Epiphysenfuge oder Wachstumsfuge. Hier vermehren sich zunächst die Knorpelzellen und der produzierte Knorpel wird in Richtung Diaphyse allmählich in Knochen umgebaut. Frakturen oder mechanische Traumata in diesem Bereich können dazu führen, dass die Fuge das Wachstum einstellt und der Knochen nicht mehr wächst. Mit dem Wachstumabschluss verschwindet diese Knorpelplatte vollständig und Dia- und Epiphysen wachsen knöchern zusammen. Die Grenze ist aber häufig noch als Fugenlinie (Linea physealis) zu erkennen.

Siehe auch

Literatur


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