Peking-Oper

Peking-Oper
Maske der Pekingoper
Aufführung einer Pekingoper

Die Peking-Oper (chinesisch 京劇 / 京剧 Jīngjù) ist eine Form der chinesischen Oper. Die Peking-Oper vermischt viele künstlerische Elemente, so Singen, Tanzen, darstellendes Spiel und Kampfkunst. Die Ausstattung ist spärlich; allgemein arbeitet sie eher mit symbolischen als mit realistischen Mitteln. Zeit und Raum werden auf der Bühne in pantomimischen Darstellungen durchschritten. Im Gegensatz zu den anderen Formen der chinesischen Oper ist die Peking-Oper nicht nur eine regionale Spielart, sondern wird in ganz China von Theatergruppen aufgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Trotz des Namens ist die Peking-Oper nicht in Peking entstanden, sondern in den Provinzen Anhui, Hubei und Shaanxi. 1790 entdeckten kaiserliche Inspektoren Nachwuchsdarsteller, die in den Provinzen auf Tournee durch die Dörfer gingen. Sie luden die Künstler in die Hauptstadt ein. Auf dem 80. Geburtstag des Kaisers Qianlong erzielte die Kunstform große Erfolge. Die erfolgreichsten Theatergruppen blieben in der Hauptstadt, um den Hof zu unterhalten. Die Peking-Oper wurde so populär, dass Händler den Dorffamilien ihre Kinder abkaufen, um sie den Theatergruppen und Opernschulen als neue auszubildende Künstler weiter zu verkaufen. Manche Opern dauerten mehrere Tage und gingen über mehr als 100 Akte. Die Peking-Oper wechselte oft ihr Repertoire, um der Zensur wegen unmoralischen oder subversiven Charakters zu entgehen.

Ein bekannter Künstler jener Zeit war Cheng Changgeng. Er wurde 1811 in Anhui geboren und von seinem Onkel in der Kunst des Dramas ausgebildet. Seine berühmteste Rolle ist die des Wu Zixu. Sein Erfolg ist so groß, dass Kaiser Xianfeng ihn mit dem Rang eines hohen Beamten auszeichnet. Cheng Changgeng wurde Mitglied und später Intendant einer der vier größten Theatergruppen: die San-Qing-Gruppe („Dreifaches Glück“). 1880 starb er und sein Ensemble zerfiel.

1900 ging mit dem Boxeraufstand die erste große Ära der Peking-Oper zu Ende. Erst in den 1920er Jahren wurde die Peking-Oper durch Mei Lanfang (1894–1961) neu belebt, bis sie während des zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges 1937–1945 wieder von der Bildfläche verschwand. Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 wurde sie abermals wieder belebt. Versuchsweise wurden auch Themen des modernen Lebens in die Vorführungen mit eingebunden. (vgl. Huo, 1997; S.9)

Zur Zeit der Kulturrevolution (1966–1976) waren alle traditionellen Peking-Opern verboten und nur acht, nach politischen Vorgaben neu konzipierte Opern wurden aufgeführt. Kaiser, Könige, Generäle und Kanzler, Gelehrte und Schönheiten wurden von der Bühne verbannt, an ihre Stelle traten Arbeiter, Bauern und Soldaten, die zu Helden stilisiert wurden und als Vorbilder für das Volk dienen sollten. Diese konnten natürlich nicht mit den traditionellen Kostümen und der traditionellen Schminktechnik dargestellt werden. Auch die Musik, die Instrumente, der Gesang, und der Tanz wurden dem neuen Bild Chinas angepasst. (vgl. Stoll, 1987; S.90-91)

Nach der Kulturrevolution erholte sich die Peking-Oper Schritt für Schritt wieder. Die traditionellen Stücke werden seitdem wieder gespielt und fortentwickelt. Dennoch scheint sie in soweit in einer Krise zu stecken, als dass das Publikum immer älter wird und die meisten jungen Chinesen sich nicht mehr für sie interessieren. Wohl auch durch die Kulturrevolution hatte die junge Generation keine Möglichkeit mit dieser Tradition aufzuwachsen. So verstehen nur noch die Alten diese komplexe Kunstform. Ein weiterer Grund könnte die Beeinflussung durch westliche Musik sein.

Formen und Inhalte

Die Peking-Oper vereint eine Vielzahl von Künsten. Gesang, Instrumentalspiel, Schauspiel, Pantomime, Tanz, Akrobatik und Kampftechniken werden auf der Bühne gezeigt. Diese bunte Mischung hat ihren Ursprung in den verschiedenen Lokalopern und ist nicht Peking-Oper spezifisch. Nicht in jeder Peking-Oper werden alle dieser Künste auch gezeigt. Sie sind je nach Sujet in ihrer Gewichtung unterschiedlich. (vgl. Huo, 1997; S.21)

Die Sujets der traditionellen Peking-Opern kann man in drei Kategorien unterteilen. Den wichtigsten Platz nehmen Mythen ein. Ihre Darstellung besteht häufig aus akrobatischen Kampfszenen. Außerdem werden Geschichten aus prähistorischer Zeit bis in die Ming (1368–1644)- und Qing (1644–1911)-Dynastie dargestellt. Einige Stücke versuchen sich seit den 1930er Jahren auch an modernen Themen.

Die Mythen, Sagen und alten Geschichten die den meisten Peking-Opern zugrunde liegen sind in China allgemein bekannt, wie bei uns etwa Grimms Märchen. (vgl. Kleinen, 2006; S.32) In Ihnen spielen Kaiser und ihre Mätressen, Könige, Generäle, Minister, Frauen und Töchter reicher Familien und Jünglinge die Hauptrollen, aber auch überirdische Wesen wie Götter und Geister spielen wichtige Rollen. Oft werden ethische Werte ausgedrückt, wie zum Beispiel Ehrfurcht vor den Eltern und Liebe zum Vaterland aber auch Freundschaft und Liebe sind häufige Themen. (vgl. Alley, 1984; S.13)

Da viele der Geschichten sehr lang und dem Publikum wohlbekannt sind, wird bei einer Vorstellung selten eine ganze Oper gezeigt. Meistens wird ein Potpourri mit verschiedenen Szenen aus verschiedenen Opern geboten, damit die Vorstellung abwechslungsreich wird. Die Form entstand im Laufe der Jahrhunderte in den verschiedenen Lokalopern, bevor es die Peking-Oper gab. Seitdem hat sie sich nur wenig verändert (vgl. ebd.; S.14). Aufführungen, die sich an ein westliches Publikum richten, sind mit einer Länge von 60 bis 90 Minuten stark gekürzt, um sich den Gewohnheiten der Touristen anzupassen.

Schlaginstrumente kündigen den Beginn der Stückes an. Danach betritt ein Schauspieler die Bühne und trägt einen Vierzeiler vor. Daraufhin beginnt das Stück mit seinem Wechsel aus Arien, rezitativartigen Passagen (das so genannte gedehnte Wort) und je nach Stück, Tanz, Akrobatik, Kampfkunst etc. (vgl. Stoll, 1987; S.73)

Bühne und Requisiten

Seinen Ursprung hat die Architektur der Peking-Oper in den Teehäusern. Hier konnte man sich früher beim Teetrinken unterhalten lassen. Das Eintrittsgeld war im Preis für den Tee enthalten. Noch heute sitzt man im Parkett an Tischen und es werden Tee und Knabbereien gereicht. Im Allgemeinen geht es ungezwungener zu als in einem europäischen Theatersaal. Das Publikum kann zu jeder Zeit seine Meinung zur Darstellung mit Applaus und Rufen kundtun. (vgl. Zung, 1964; S.3-4)

Das Bühnenbild der Peking Oper ist sehr spärlich. Das Orchester sitzt an einer Seite der Bühne, die hintere Wand der Bühne ist mit einem reich dekorierten Vorhang geschmückt. Auf der Bühne stehen meist nur ein Tisch und zwei Stühle. Alles Weitere muss sich der Zuschauer vorstellen, und es ist an den Schauspielern, anhand von einigen Requisiten und Pantomime alles weitere darzustellen. Auch wird hier mit verschiedenen Symbolen gearbeitet, um unterschiedliche Situationen darzustellen. Stehen der Tisch in der Mitte der Bühne und die Stühle an beiden Seiten daneben, so zeigt dies an, dass man sich im Innern eines Hauses befindet. Steht einer der beiden Stühle an Bühneneingang oder -ausgang, so symbolisiert dies, dass man sich außerhalb eines Gebäudes oder eines Zeltes befindet. Auch können die Stühle zum Beispiel Berge darstellen. Wenn einer der Darsteller darüber steigt, bedeutet dies, dass er gerade einen Berg überquert hat. (Vgl. Huo, 1997; S.77)

Zu den Requisiten gehören künstliche Waffen aller Art, zum Beispiel Speere, Messer, Breitschwerter und Hammer. Außerdem werden beispielsweise Paddel benutzt, um eine Bootsfahrt zu symbolisieren und Reitpeitschen, um Reiter darzustellen. Zudem werden verschiedene Fahnen benutzt. Um zum Beispiel das Meer darzustellen, gibt es eine Fahne mit Wellenmuster. Eine schwarze Fahne bedeutet Sturm; gelbe Fahnen, auf die ein Rad gemalt ist, symbolisieren einen Wagen. Um den Symbolen mehr Ausdruck zu verleihen, unterstützen die Darsteller sie mit bestimmten Gesten. Je nachdem wie der Darsteller steht und die Reitpeitschen in der Hand hält, kann beispielsweise dargestellt werden, ob er gerade reitet, das Pferd besteigt oder von ihm absteigt, oder ob er es führt. Die Verwendung dieser vielen Symbole macht es umso schwieriger für den Laien der Handlung zu folgen. (vgl.ebd.)

Mimik und Gestik

Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, so nehmen in der Peking Oper Mimik und Gestik eine zentrale Rolle ein. Sie sind hoch stilisiert und zumeist nur von eingeweihtem Publikum zu verstehen. Unterschieden werden die Gesten in Hand-, Ärmel- und Armgesten. Weiterer Körperausdruck kommt durch die Hüft-, Bein- und Fußbewegung hinzu. (vgl. Zung, 1964; S. 77-127) Alles gemeinsam wird im Tanz vereint. Ein Tanz kann zum Beispiel ausdrücken, wie sich Generäle für einen Feldzug bereit machen. Dieser Tanz heißt Qiba. (vgl. Huo,1997; S.35)

Die Gesten müssen nicht immer in Verbindung mit Tanz vorkommen. Auch einzeln oder zusammen mit der Mimik können sie für den Ausdruck des Darstellers benutzt werden. So wird zum Beispiel das Öffnen und Schließen einer Tür nur durch Gesten dargestellt, da sich auf Grund der wenigen Requisiten keine reale Tür auf der Bühne befindet. (vgl.ebd.)

Auch die Beziehung zwischen Personen wird mit Mimik und Gestik ausgedrückt. Kalvodova gibt ein Beispiel für den Ausdruck von Abneigung gegen eine Person, die man wegschicken möchte: „Beschreibe mit der Hand einen Kreis und schleudere den Ärmel heftig gegen die Person, die du vertreiben willst. Blicke sie zornig an und wende dann den Kopf ab, zum Zeichen, dass du keinerlei Gemeinschaft mit ihr wünschst.“ (Kalvodova, 1956; S.9) Dies ist auch ein Beispiel für eine der vielen Ärmelgesten, die mit dem Wasserärmel (Shui Xiu) ausgeführt werden. Viele der Kostüme haben diese langen, weißen Seidenärmel. Sie verleihen dem Träger mehr Grazie. Außerdem können mit ihnen verschiedene Gesten ausgeführt werden. (vgl. Zung, 1964; S.77-81)

Diese Gestiken und Mimiken müssen von den Peking-Oper Darstellern immer wieder geübt werden, bis zur Vervollkommnung. Je nach Rolle sind sie unterschiedlich. Deshalb werden die Darsteller in bestimmte Rollenfächer eingeteilt.

Rollentypen

Aufführung an der Opernschule Taipeh

Grundlegend für die Peking-Oper sind die stilisierten, festgelegten Rollen. Ein Schauspieler wird für nur einen Rollentyp ausgebildet und versucht ihn während seiner langen Ausbildungszeit (ca.10 Jahre) zu vervollkommnen. Jeder Rollentyp hat neben Gestik und Mimik eine bestimmte Stimmfärbung, Körperhaltung und Gangart. (vgl. Stoll, 1987; S. 78)

Die vier wichtigsten Rollen sind:

  • Shēng (, Männliche Rolle)
  • Dàn (, Weibliche Rolle)
  • Jìng (, Temperamentvolle Rolle mit bemaltem Gesicht, das der Rolle entspricht)
  • Chǒu (, Clown)

Die Namen der Rollen drücken eigentlich etwas Gegensätzliches aus. Shēng bedeutet „seltsam“ oder „selten“, tatsächlich stellt diese Rolle jemanden sehr bekannten dar. Dàn bedeutet „Morgen“ oder „männlich“, der Charakter ist jedoch weiblich. Jìng bedeutet „sauber“. Aber die Schminke macht einen unsauberen, aber farbigen Eindruck. Chǒu steht für den Ochsen, der phlegmatisch und ruhig ist. Der Clown-Charakter dagegen ist aufgedreht, redselig und hektisch.

Die vier Rollentypen können noch weiter untergliedert werden:

  • Shēng: Lǎo Shēng (alter Mann), Xiǎo Shēng (junger Mann) und Wǔ Shēng (Militär).
  • Dàn: Qíng Yì („Zuneigung“, Frau mittleren Alters), Lǎo Dàn (alte Frau), Huā Dàn (junge Frau) und Wǔ Dàn (in der Kriegskunst bewanderte Frau).
  • Jìng: Tong Chui („großes bemaltes Gesicht“, eine Rolle mit Schwerpunkt auf Gesang), Jia Zi („zweites bemaltes Gesicht“, eine Rolle mit Schwerpunkt auf Gestik) und Wǔ Jìng (Militär mit bemaltem Gesicht, Rollen mit Schwerpunkt auf Kampf und Akrobatik). Die Farben, mit denen die Gesichter bemalt sind, geben dem Publikum Hinweise auf den Charakter der Rolle.
  • Chǒu: Wén Chǒu (zivile komische Rolle) und Wǔ Chǒu (militärische komische Rolle).

Auch diese Unterkategorien können noch weiter untergliedert werden, zum Beispiel Wǔ Shēng in Lǎo Wǔ Shēng (alter Krieger) und Xiǎo Wǔ Shēng (junger Krieger). Die Typen unterscheiden sich durch Kostüme und Masken, die symbolhaften Charakter haben.

Früher wurden auch die Frauenrollen von Männern gespielt. Diese Tradition stirbt aber immer mehr aus. Zwar gibt es noch einige männliche Dàns, aber sie klagen häufig über mangelnde Aufträge, da das chinesische Publikum inzwischen lieber wirkliche Frauen in den Frauenrollen sieht. Frauen dagegen haben Männerrollen gespielt, wobei nun auch das am Aussterben ist.

Siehe auch

Literatur

  • Huo Jianying: Die Kunst der Pekingoper. Verlag China heute, Beijing: 1997
  • Kalvodova, Sis Vanis: Schüler des Birngartens – Das chinesische Singspiel. Prag: 1956
  • Kleinen, Günter: Unbekannte, exotische Welt der Peking-Oper – Ein Annäherungsversuch. In: Bremer Jahrbuch für Musikkultur. Hrsg.: Nolte, Frank – Temmen, Bremen: 3/1997, S.118-122
  • Kleinen, Günter (Hrsg.): Musik der Welt – China. Lugert, Marschacht: 2006
  • Lin, Kuan-wu: Westlicher Geist im östlichen Körper?: „Medea“ im interkulturellen Theater Chinas und Taiwans. Zur Universalisierung der griechischen Antike Transcript, Bielefeld 2010, ISBN 3-8376-1350-X
  • Stoll, Rolf W.: Musik in China – zur außereuropäischen Musik im Unterricht. Bosse, Regensburg: 1987
  • Yi Bian: Die Pekingoper – Essenz der chinesischen Kultur. Verlag für fremdsprachige Literatur, Beijing: 2006; ISBN 7-119-04159-2
  • Zung, Cecilia S. L.: Secrets of the Chinese Dram – a complete explanatory guide to actions and symbols as seen in the performance of Chinese dramas. Benjamin Blom, inc., New York: 1964

Weblinks

 Commons: Pekingoper – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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