Phanes (Mythologie)

Phanes (Mythologie)

Phanes (griechisch  Φάνης Phánēs „der Erscheinende“, „der Leuchtende“) ist ein Gott in der griechischen Mythologie.

Die Verehrung des Phanes beschränkte sich anscheinend auf die Orphiker, in deren Kosmogonie (Weltentstehungslehre) er eine zentrale Rolle spielte. Daher stammen die heutigen Kenntnisse über ihn in erster Linie aus den erhaltenen Fragmenten des orphischen Schrifttums.

Inhaltsverzeichnis

Mythos

Die Orphiker nahmen eine Urgottheit an, die aus dem Welt-Ei hervorging. Diese Gottheit hatte verschiedene Namen bzw. trat in verschiedenen Erscheinungsformen auf; von den sie betreffenden Mythen sind unterschiedliche Varianten überliefert. Da der Urgott das erste geborene Lebewesen war, wurde er Prōtogónos' (Πρωτογόνος „Erstgeborener“) genannt. In erster Linie wurde er als Lichtträger betrachtet; daher gab man ihm den Namen Phanes, der vom Verb phaínein (zum Vorschein kommen, erscheinen, leuchten, glänzen, strahlen) abgeleitet ist. In der Antike brachte man diesen Namen oft mit pháos (phōs) „Feuer“ in Verbindung; tatsächlich besteht ein etymologischer Zusammenhang zwischen phaínein und pháos. Ein anderer Name war Antauges („der Entgegenleuchtende“). Wegen seiner Lichthaftigkeit wurde er mit dem Sonnengott Helios identifiziert. Andere Götter, mit denen man ihn gleichsetzte, sind Dionysos, Mithras und Zeus; die letztere Gleichsetzung ergab sich daraus, dass seine Verehrer ihn als Weltherrscher und Göttervater betrachteten.

Für die Orphiker war Phanes der Schöpfergott; er soll das Menschengeschlecht erschaffen haben. Als Hervorbringer des Lebens wurde er mit dem Fruchtbarkeitsgott Priapos gleichgesetzt. Vor allem identifizierte man ihn mit Eros; die älteste erhaltene Quelle, die Komödie Die Vögel des Aristophanes, nennt ihn überhaupt nur Eros.[1] In dieser frühen Zeit wurde die Gestalt des Eros noch nicht in erster Linie mit Liebe und Sexualität assoziiert, sondern mit der Vorstellung von weltschaffender und lichtspendender Aktivität. Den Namen Phanes erhielt Eros anscheinend erst später. In Quellen, die ihn nicht namentlich nennen oder mit einem anderen Namen bezeichnen, ist das Merkmal, das seine Identifizierung ermöglicht, seine Entstehung aus dem Ur-Ei. Sicher bezeugt ist der Name Phanes erst bei Diodor im 1. Jahrhundert v. Chr.,[2] doch wird vermutet, dass er schon auf einem Papyrus-Fragment aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. zu ergänzen ist.[3] Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Verehrung unter dem Namen Phanes im Zeitalter des Hellenismus einsetzte und dass damals die Phanes preisende orphische Dichtung entstand.

Aussehen

Phanes war androgyn. Er hatte vier Augen oder vier Gesichter. Man stellte sich ihn wie Eros mit goldenen Flügeln vor. Nach einer von dem Christen Athenagoras von Athen überlieferten Fassung des Mythos erzeugte er aus sich heraus das schlangengestaltige Monster Echidna. Die Nachtgöttin Nyx galt bei den Orphikern als seine Tochter, die nach ihm die Weltherrschaft übernahm.

Die Bildende Kunst steuert wenig Informationen über Phanes bei, da er nur auf einer einzigen Abbildung klar identifizierbar ist. Es handelt sich um ein Steinrelief im Museo Civico Archeologico von Modena aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Man sieht den ziegenfüßigen Phanes den beiden Hälften des kosmischen Eis entsteigen; auf der Brust trägt er eine Löwenmaske.

Quellensammlung

  • Otto Kern (Hrsg.): Orphicorum fragmenta. 2. Auflage, Weidmann, Berlin 1963 (Nachdruck der ersten Auflage von 1922)

Literatur

Weblinks

  • Phanes auf Theoi.com (engl.)

Anmerkungen

  1. Aristophanes, Die Vögel 690–702 (= Orphicorum fragmenta 1).
  2. Diodor 1,11,3 (= Orphicorum fragmenta 237).
  3. Orphicorum fragmenta 31, I Zeile 23.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Phanes — bezeichnet: eine orphische Gottheit, siehe Phanes (Mythologie) in der Nomenklatur der organischen Chemie die Bezeichnung für eine komplexe Substruktur, siehe Phanes (Chemie) Diese Seite …   Deutsch Wikipedia

  • Phanès — Éros Éros, bobine attique à figures rouges, 470 450 av. J. C., musée du Louvre …   Wikipédia en Français

  • Mythologie grecque — Le buste de Zeus découvert à Otricoli, en Italie. La mythologie grecque est la mythologie, c est à dire l ensemble organisé des mythes, provenant de la Grèce antique. Elle se développe au cours d une très longue période allant de la civilisation… …   Wikipédia en Français

  • Griechische Mythologie — Griechische Gottheiten …   Deutsch Wikipedia

  • Pan (mythologie) — Pour les articles homonymes, voir Pan. Haut relief de Pan, Palais Neuf (Rome) Personnage de la mythologie grecque …   Wikipédia en Français

  • Ananke (Mythologie) — Ananke (griechisch Ἀνάγκη „Bedürfnis“, „Zwangsläufigkeit“) war in der griechischen Mythologie die Personifizierung des unpersönlichen Schicksals, im Unterschied von dem von den Moiren zugeordneten persönlichen (gerechten) Schicksal und zu… …   Deutsch Wikipedia

  • DIONYSOS (mythologie) — DIONYSOS, mythologie Longtemps tenu pour un dieu étranger, venu de la Thrace, qui aurait été la patrie de l’orgiasme, introduit en Grèce par ses missionnaires et ses dévots, Dionysos est en réalité un dieu qui signifie l’ailleurs et qui désigne… …   Encyclopédie Universelle

  • Protogonoi — Ein Protogonos (griech. zuerst geborener , Mehrzahl Protogonoi) ist in der griechischen Mythologie nach Hesiod bzw. Aristophanes die göttliche Verkörperung eines der Urprinzipien (wie etwa Chaos, der ungeordnete Ursprung allen Seins), die in… …   Deutsch Wikipedia

  • Aithir — Aither oder Aether (griech. Αἰθήρ Aithēr) ist in der griechischen Mythologie die Personifikation des „oberen Himmels“, der Sohn von Erebos und Nyx. Er ist die Seele der Welt und alles Leben entspringt aus ihm; die reine „Luft“, die die Götter… …   Deutsch Wikipedia

  • Necessitas — Ananke (griechisch Ἀνάγκη „Bedürfnis“, „Zwangsläufigkeit“) war in der griechischen Mythologie die Personifizierung des unpersönlichen Schicksals, im Unterschied von dem von den Moiren zugeordneten persönlichen (gerechten) Schicksal und zu Tyche,… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”