- Philippe Ariès
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Philippe Ariès (* 21. Juli 1914 in Blois; † 8. Februar 1984 in Paris) war ein französischer Mediävist und Historiker der Annales-Schule.
Seine frühen Werke sind von der historischen Demographie geprägt, später verfolgte er einen mentalitätengeschichtlichen Ansatz. In seinen international erfolgreichen, gleichwohl umstrittenen Monographien erforschte er u. a. die Geschichte der Kindheit und die Geschichte des Todes. Zusammen mit Georges Duby und Paul Veyne verfasste er eine fünfbändige Geschichte des privaten Lebens. Ariès war ein enger Freund Michel Foucaults.
Inhaltsverzeichnis
Ariès' Position zur Geschichte und Entwicklung der Kindheit
Laut Ariès leitete die "Entdeckung" der Kindheit im 16.-18. Jahrhundert eine Entwicklung zum Negativen ein. Im Mittelalter hatte die Gesellschaft keine Vorstellung von Kindheit und somit auch nicht von Erziehung. Kinder waren bis ungefähr zum siebten Lebensjahr von ihren Eltern abhängig, danach wurden sie als eigenständige Mitglieder der Erwachsenengesellschaft anerkannt. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern war vergleichbar der zwischen einem Lehrherrn und seinem Lehrling. Es gab kaum emotionale Bindungen. In der Gesellschaft herrschte eine kollektive Lebensform, die keine Privatsphäre kannte. Die Funktion der Familie war weitgehend auf die Produktion von Nachkommen und auf den Fortbestand des Namens und Besitzes beschränkt.
Seit der "Entdeckung" der Kindheit hat sich die Vorstellung vom Wesen und der Entwicklung des Kindes grundlegend verändert. Die Funktion der Familie lag nun stärker auf der Vermittlung von Normen und Werten sowie der Förderung von Individualität und Identität. Ariès ist der Ansicht, mit Beginn der Neuzeit sei es zu einer Isolation der Kinder von der Erwachsenengesellschaft und zu einer Trennung der Lebenssphären von Erwachsenen und Kindern gekommen. Schule, die auf Disziplin und Gehorsam großen Wert lege, schränke die Freiheit des Kindes ein. Ariès bezieht seine Argumentation ausschließlich auf die (vermeintliche) Freiheit des Kindes im Mittelalter und lässt das physische und psychische Wohlbefinden des Kindes außer Acht. Er betrachtet lediglich die positiven Aspekte der Kindheit im Mittelalter und sieht nicht die negative Seite, beispielsweise die hohe Sterblichkeitsrate unter Kindern.
Schriften
- Geschichte der Kindheit. (Originaltitel: L'enfant et la vie familiale sous l'ancien régime. Plon, Paris 1960, übersetzt von Caroline Neubaur und Karin Kersten), Hanser, München 1975 (als Taschenbuch: 17. Taschenbuchauflage, dtv Sachbuch; Kultur & Geschichte 30138 , München 2011 (Erstausgabe 1978), ISBN 978-3-423-30138-1).
- Studien zur Geschichte des Todes im Abendland, München und Wien: Hanser 1976 (2. Auflage 1981)
- Geschichte des Todes, München und Wien: Hanser 1980 (11. Auflage 2005)
- Bilder zur Geschichte des Todes, München und Wien: Hanser 1984
- Die Masken des Begehrens und die Metamorphosen der Sinnlichkeit, Frankfurt am Main: Fischer 1984 (zusammen mit André Béjin und Michel Foucault, mehrere Auflagen, zuletzt 1995)
- Zeit und Geschichte, Frankfurt am Main: Athenäum, 1988
- Geschichte des privaten Lebens, Frankfurt am Main: Fischer, 1989-93, 5 Bände (zusammen mit Georges Duby und Paul Veyne, 2. Auflage 1999-2000)
- Geschichte im Mittelalter, Frankfurt am Main: Hain, 1990
- Ein Sonntagshistoriker. Philippe Ariès über sich, Frankfurt am Main: Hain, 1990
- Saint-Pierre oder die Süße des Lebens, Berlin: Wagenbach, 1994
Literatur
- Patrick H. Hutton: Philippe Ariès and the politics of French cultural history. University of Massachusetts Press, Amherst 2004
Weblinks
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