- Phlogiston
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Phlogiston (von griech. φλογιστός phlogistós „verbrannt“) oder Caloricum ist eine hypothetische Substanz, von der man im späten 17. und 18. Jahrhundert vermutete, dass sie allen brennbaren Körpern bei der Verbrennung entweicht sowie bei Erwärmung in sie eindringt. Die Phlogistontheorie wurde im 18. Jahrhundert widerlegt.
Inhaltsverzeichnis
Die Phlogistontheorie
Die Phlogistontheorie wurde, basierend auf Arbeiten des Chemikers Johann Joachim Becher, insbesondere durch den Chemiker Georg Ernst Stahl (1659−1734) zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausgearbeitet.[1] Stahl verfeinerte die Theorie von Becher in seinem Werk Zymotechnica fundamentalis (1697). Es ist dabei zu beachten, dass die Unterteilungen von Stoffen und Ereignissen sich zu diesem Zeitpunkt von unseren heutigen Vorstellungen wesentlich unterschieden.
Nach dieser Theorie war Phlogiston ein feuriges Element in Stoffen, das die Verbrennung, die Oxidation von reinen Metallen, die Gärung von organischen Stoffen, die Verwesung von Pflanzen und Tieren fördert. Chemiker hatten beobachtet, dass Kohle oder Schwefel rückstandslos verbrannten. Diese Stoffe enthielten nach damaliger Vorstellung sehr viel Phlogiston. Andere Stoffe wie die Metalle Kupfer, Zinn, Zink wandelten sich in erdige, salzige Stoffe um. Dadurch lag der Schluss nahe, dass diese Stoffe weniger Phlogiston enthielten. Je nach Schnelligkeit und Stärke der Umwandlung in salzartige Stoffe waren die Metalle unterschiedlich edel. Nur Gold und teilweise Silber blieben bei Einsatz aller Chemikalien unverändert, sie enthielten mithin wenig oder kein Phlogiston, sie waren aus der Sicht damaliger Chemiker edel und unveränderbar. Durch Erhitzen mit Kohle konnte man dem Metall das Phlogiston wieder zuführen, die Metalle wurden dabei mit Phlogiston wiederbelebt. Diese Vorstellung war damit umgekehrt der Rolle des Sauerstoffs, wie beim Oxidations-, Reduktionsprozess.
Die Phlogistontheorie unterschied, im Gegensatz zu der cartesisch geprägten Chemie Robert Boyles, zwischen mechanisch herstellbaren Gemischen und sogenannten Mixts (chemischen Verbindungen). Dabei waren die Eigenschaften der Mixts nicht einfach die Summe ihrer Komponenten: Metalle enthielten Phlogiston, waren aber selbst nicht brennbar, da sie noch das Prinzip der metallischen Erde enthielten.
Stärken und Grenzen der Theorie
Der Einfluss dieser Theorie war im 18. Jahrhundert sehr groß, weil nach dieser Theorie Oxidations-, Reduktionsreaktionen, Säuren, Basen und Salze systematisch untersucht werden konnten. Bestimmte Stoffe wie Schwefel, Phosphor verbrannten zu Gasen, die sich in Wasser sauer lösten. Andere Salze der Natur (gebrannter Kalk, Metallkalke also Metalloxide) reagierten mit Wasser basisch. Mit Lackmus konnten Säuren und Basen nachgewiesen werden. Vereinigte man solche entgegensetzten Stoffe wie Säuren und Basen, so entstanden neutrale Salze. Mit Hilfe der Phlogistontheorie ließen sich die Säuren (Phosphor, Schwefel) und Basen (Metallkalke) aus bestimmten Stoffgruppen besser systematisieren. Zugleich bewahrte die Phlogistontheorie alte alchemistische Vorstellungen über die vier Urelemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer) nach Empedokles. Nach der Phlogistontheorie gab es nur Stoffe, die viel oder wenig Phlogiston enthielten. Es gab keine Elemente im heutigen Sinn, sondern alles waren zusammengesetzte Stoffe mit viel oder wenig Phlogiston - nur Phlogiston war nach Stahl ein grundlegendes Element. Hinzu kamen die alchemistischen Prinzipien Quecksilber (flüssig, metallglänzend) und Schwefel (brennbar).
Robert Boyle hatte bereits in seinem Buch The Sceptical Chemist aus dem Jahr 1661 im 6. Abschnitt seines Buches die Elementvorstellung anders formuliert und im Gegensatz zur Phlogistontheorie eine klarere Vorstellung vom chemischen Element.[2]
Jedoch war es im 18. Jahrhundert schon möglich, mit der Phlogiston-Theorie viele damals bekannte Phänomene der Chemie zu beschreiben. So erklärte sie den Befund, dass in abgeschlossenen Gefäßen Kerzen nach einiger Zeit ausgehen. Luft sollte danach nur eine bestimmte Menge aus der Kerze entweichendes Phlogiston aufnehmen können. Auch die Erkenntnis, dass ein Teil der Luft (nach späterer Erkenntnis der Sauerstoff) die Verbrennung länger unterhalten kann, wurde von Joseph Priestley anfangs damit erklärt, dass dieser dephlogestierte Luft sei, die somit mehr Phlogiston aufnehmen könne.
Die Verbrennung organischer Stoffe verläuft (ohne die damals noch nicht bekannten gasförmigen Reaktionsprodukte) meist unter Gewichtsverkleinerung. Nach der Phlogistontheorie soll dabei das vorher von den Pflanzen aufgenommene Phlogiston wieder abgegeben werden. Gleiche Erklärungen sind auch für einige Nichtmetalle, wie Phosphor oder Schwefel, möglich. Bei Metallen gab es dagegen Probleme, da diese im allgemeinen feste Oxide bilden und somit beim Verbrennen schwerer werden. Die von Boyle unternommenen Versuch wurden jedoch dadurch entkräftet, dass es auf das spezifische Gewicht und nicht auf das absolute Gewicht ankäme.[3] Auch waren im 18. Jahrhundert die experimentellen Möglichkeiten beschränkt, so dass viele Chemiker (auf Grund des unbeobachteten Verdampfens eines Teils des Oxides) von Gewichtsabnahmen berichteten. Die Reduktion von Metalloxiden mit Kohle zu Metallen ist durch die Aufnahme von Phlogiston aus der Kohle widerspruchslos erklärbar.
Im Zuge der Entdeckung vieler gasförmiger Verbindungen und dem Einsatz genauerer Messmethoden wurden zunehmend die Probleme und mögliche Fehler dieser Theorie deutlich. Insbesondere fehlte eine schlüssige Erklärung für die Gewichtszunahme bei Verbrennungen von Metallen. Um die Theorie zu retten, versuchten Befürworter, dem Phlogiston seltsame Eigenschaften, so auch eine negative Masse, zuzuschreiben. Auch der neu entdeckte Wasserstoff wurde teilweise für Phlogiston gehalten.
Endgültig widerlegt wurde die Theorie 1785 von Antoine Lavoisier, der zeigen konnte, dass alle Verbrennungsphänomene ohne Einsatz von unwahrscheinlichen Annahmen mit seiner Oxidationstheorie und durch das Gas Sauerstoff erklärt werden konnten. Die letzte starke Hypothese der Phlogiston-Theorie, die Erklärung der Wasserstoffentstehung bei Reaktion von Metallen mit Säuren konnte von ihm durch die Erkenntnis, dass Wasser eine Verbindung von Sauerstoff und Wasserstoff ist, entkräftet werden.
Letzte noch mögliche Erklärungsversuche des Phlogistons als „Wärmestoff“ konnten 1798 von Benjamin Thompsons zugunsten der Theorie von der Bewegung der Teilchen widerlegt werden. Er ließ in Kanonenrohren stumpfe Stahlbohrer laufen. Die Rohre wurden immer wieder aufs neue heiß und das angeblich vorhandene Phlogiston durch Wasser abgeführt. Die Wärme konnte also nicht durch einen in den Rohren vorhandenen erschöpflichen Stoff hervorgerufen worden sein.
Die Realität von Phlogiston schien in dieser Zeit bewiesen, so gab es wenige Versuche die Abläufe anders zu erklären. Man hatte in dieser Periode der naturwissenschaftlichen Forschung nicht den Anspruch der restlosen Aufklärungsarbeit aller Detailkenntnisse und blieb gegebenenfalls im Rahmen der Beobachtungsmöglichkeiten. In der Absicht ganzheitlicher Erklärungsversuche blieben die Naturwissenschaften dabei, „sittlich schöne“ mit den älteren religiösen Ansichten zur Natur zu verbinden. Selbst Forscher wie Joseph Priestley, die den inneren Widerspruch zur Phlogistontheorie erkannten, beharrten mit ihren Erklärungsversuchen auf dieser Theorie.
Die wichtigen Auswirkungen dieser Theorie
Obgleich die Theorie die Verhältnisse nach heutiger Kenntnis umkehrte, konnte mit dieser Deutung in jener Periode der Wissenschaftsgeschichte vieles verstanden und systematisiert werden.
- Die Phlogistontheorie konnte ausreichend die Oxidations- und Reduktionsprozesse erklären.
- Sie regte dazu an, das „feinst verteilte“ Phlogiston aufzufangen und zu untersuchen und die Gaseigenschaften zu verstehen.[4]
- Die Theorie ermöglichte eine Systematisierung von Stoffgruppen, die Säuren und Basen bilden.
Erster Versuch einer Tabelle der neueren Meinungen verschiedener Naturforscher über die Zusammensetzung einfacher Stoffe
Taschenbuch für Scheidekünstler und Apotheker auf das Jahr 1791. Zwölftes Jahr, Weimar[5]Feuer Phlogiston Wasser Heiße Luft Phlogistonisierte Luft Inflammable Luft Luftsäure Metall Metallkalk heute --- [Wärme] Wasserstoff + Sauerstoff Sauerstoff Stickstoff Wasserstoff Kohlendioxid Elemente Metalloxid Achard Freye Feuermaterie Ein besonderer Stoff - Mit Feuermaterie verbundenes Wasser - Elementarluft, Brennbares und Säure Elementarluft und eine besondere Säure Metallische Erde und Phlogiston Metallische Erde Cavendish Freye Feuermaterie Ein besonderer Stoff Reine und inflammable Luft entbranntes Wasser Salpetersäure mit Phlogiston - - Metallische Erde und Phlogiston Metallische Erde mit Wasser Gren Freye Wärme und Lichtmaterie Gebundene Wärme und Lichtmaterie - Wärmematerie und Wasser Reine Luft mit Phlogiston Wärmestoff, Wasser, Brennstoff, Säure (Vitriol-, Salz- oder Pflanzensäure Eine eigene phlogistisierte Säure Metallische Erde und Phlogiston Metallische Erde Lavoisier Freye Feuermaterie - Dephlogistierte und inflammable Luft Feuermaterie und Sauerstoff Durch Feuermaterie veränderte Salpetersäure - Sauerstoff und Kohlenstoff einfacher Stoff Metall und Sauerstoff Priestley Freye Feuermaterie Elementarstoff Elementarstoff - Reine Luft und Brennbares Phlogiston an eine feine Erde gebunden Modificierte Vitriol- und Salpetersäure Metall-Erde und inflammable Luft Metallische Erde Scheele Phlogiston und Feuerluft Elementarstoff Elementarstoff Reine Luft und Brennbares Abänderung der Salpetersäure - - Metall-Erde und Phlogiston Metallische Erde und Wasser Wolta Freye Wärmematerie Gebundene Wärme mit Luftsäure Elementarstoff Mit Brennbarem übersättigte Luftsäure - Brennbare und Lebensluft - Metallische Erde Ablösung durch die Oxidationstheorie
Die Phlogistontheorie wurde Ende des 18. Jahrhunderts durch die Oxidationstheorie des Chemikers Antoine Lavoisier abgelöst. Er untersuchte die Gewichtsveränderungen verschiedener Stoffe bei Oxidation und bei Reduktion und entdeckte, dass das gerade aufgefundene Element Sauerstoff dabei die entscheidende Rolle spielt.
Er wies nach, dass
- sich beim Verbrennen von Metallen oder Schwefel diese mit Sauerstoff vereinigen,
- dabei so viel Sauerstoff verbraucht wird, wie in den entstandenen Oxiden enthalten ist,
- man, um Metalle aus den Oxiden wiederzugewinnen, nicht Phlogiston hinzufügen, sondern den Sauerstoff entfernen muss.
Literatur
- Gilman McCann: Chemistry Transformed: The Paradigmatic Shift from Phlogiston to Oxygen. Ablex Pub, 1998, ISBN 0-89391-004-X.
- Peter Laupheimer: Phlogiston oder Sauerstoff. Wissenschaftliche VG, 1992, ISBN 3-8047-1212-6.
- William H. Brock: Viewegs Geschichte der Chemie. Vieweg, Braunschweig 1997. ISBN 3-540-67033-5.
- Strube, Stolz, Remane: Geschichte der Chemie. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1986, S.54 ff., ISBN 3-326-00037-5.
- Günther Bugge: Das Buch Der Grossen Chemiker. Verlag Chemie, Weinheim 1955, Band I, S. 198.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Brockhaus ABC Chemie, VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1965, S. 1054.
- ↑ Günther Bugge: Das Buch Der Grossen Chemiker. Verlag Chemie, Weinheim 1955, Band I, Robert Boyle S. 184.
- ↑ Günther Bugge: Das Buch Der Grossen Chemiker. Verlag Chemie, Weinheim 1955, Band I, S. 198.
- ↑ Strube, Stolz, Remane: Geschichte der Chemie. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1986, S. 54 ff.
- ↑ Aus P. Köthner: Aus der Chemie des Ungreifbaren. Verlag von A.W.Zickfeldt, Osterwieck Harz 1906.
Kategorien:- Geschichte der Chemie
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