- Georg Ernst Stahl
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Georg Ernst Stahl (* 22. Oktober 1659 [1] in Ansbach; † 14. Mai 1734 in Berlin) war ein deutscher Chemiker, Mediziner und Metallurg.
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Der als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Ansbach geborene Stahl studierte seit 1679 in Jena Medizin und Chemie. Im Jahre 1684 wurde er promoviert, kurz darauf habilitierte er und nahm eine Lehrtätigkeit an. 1687 wurde er Hofarzt des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Weimar und erhielt 1694 eine Stelle als Professor der Medizin an der im Jahr zuvor neu gegründeten Universität Halle. 1716, zum Leibarzt des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm I. berufen, wird ihm die Position als Präsident des Collegium-Medicum (Berlin) angetragen. Dies führt zur Errichtung einer Ausbildungsstätte für Medizin [2]. Am 14. Mai 1734 stirbt Georg Ernst Stahl in Berlin.
Familie
In Halle heiratete er. Seine erste Frau starb noch im Wochenbett, das frisch geborene Töchterchen drei Monate später. Seine zweite Frau – kaum 20 Jahre alt – ereilte das gleiche Schicksal. Beide Schicksalsschläge beeinflussten den Charakter dieses sensiblen Menschen nachhaltig. Gegner nannten ihn deshalb einen Misanthropen. Aber aus einer dritten Ehe, diesmal mit Regina Elisabeth Wesener, entstanden noch mindestens zwei Kinder, wobei die Tochter Catharina Charlotte Stahl (1711–1784) später den Rechtswissenschaftler und Rektor der Viadrina Johann Samuel Friedrich von Boehmer heiratete.
Wissenschaftliche Beiträge und Ansichten
Stahl, der ab 1700 der Leopoldina angehörte, war neben Johann Joachim Becher Hauptbegründer der Phlogiston-Theorie, die erst durch Antoine Lavoisier widerlegt wurde. Außerdem entwickelte Stahl Theorien zu Gärungserscheinungen. Auf chemischem Gebiet leistete er wertvolle Beiträge zu den Verwandtschaftsreihen der Metalle. Ihm gelang es Essigsäure durch Ausfrieren des Wassers aufzukonzentrieren. Im Jahre 1723 stellt er Essigsäure erstmals durch die Umsetzung von festen Acetaten mit Schwefelsäure dar. Er entdeckte viele Eigenschaften der Metalle und Metalloxide und ordnete die Säuren nach ihrer Stärke. Ein bedeutender Beitrag war die Phlogistontheorie, welche die erste umfassende Theorie in der noch jungen Wissenschaft Chemie darstellte. Sie interpretierte den Vorgang der Verbrennung jedoch grundsätzlich unrichtig und führte dazu, dass viele Entdeckungen, unter anderem auch die von Sauerstoff und Stickstoff, falsch interpretiert wurden. Sie wurde schließlich von Antoine Lavoisier widerlegt.
Stahl hat sich dafür ausgesprochen, neben der Zweckforschung für wirtschaftliche Bereiche auch eine wissenschaftliche Chemie für Grundlagenforschung zu fördern. Stahl definierte sehr klar den Sinn der Chemie als Wissenschaft in der Analyse und Synthese von Stoffen: Die Chymie, ... ist eine Kunst, die gemischten, oder zusamengesetzten oder zusammengehauefften Coerper, in ihre principa zu zerlegen, oder aus solchen Principiis zu dergleichen Coerper wieder zusammen zu fuegen.[3]
Stahl kann als wichtiger Vorläufer der Psychosomatik gelten. Wie heute viele Psychologen warnte er vor der Überbewertung rein anatomischer, physikalischer und chemischer Prozesse bei der Krankheitserforschung und -behandlung. Sigmund Freud vorgreifend nahm er ein Unbewusstes an, das stark auf die Bewusstheit und vor allem den Körper einwirke. Die Seele baue den Körper fort, lehrte er. Da alle Bewegungen und Veränderungen ihren Sitz in der Seele haben, so folgerte Stahl, müssten auch alle Krankheiten letztendlich seelischen Ursprungs sein. In seiner Krankheitslehre näherte er sich Theorien der Psychoanalytikerin Karen Horney, indem er annahm, Krankheiten entstünden aus widersprechenden Willenstendenzen der Seele, die sich nicht auflösen können und demnach in ein Symptom umschlagen müssen. Als Mediziner vertrat er die Lehre vom psychischen Einfluss (Animismus) und wandte sich damit scharf gegen den Materialismus von Herman Boerhaave und Friedrich Hoffmann. Stahl erkannte die Nützlichkeit des Fiebers als folgerichtige Abwehr-Reaktion des Körpers auf Infektionen.
Er glaubte, durch Herbeiführung künstlicher Widersprüche Konflikte kathartisch lösen zu können.
Die Wahl seiner Mittel erscheint aus heutiger Sicht mitunter grotesk. Dennoch vertrat Stahl für seine Zeit erstaunlich moderne Theorien.
Werke
- Zymotechnia fundamentalis (1697; deutsch 1734)
- Über den Ursprung der erzführenden Adern.
- Anwendung zur Metallurgie.
- Theoria medica vera. 3 Bd., Halle 1707.
- Georgii Ernesti Stahlii opusculum chymico-physico-medicum : seu schediasmatum, a pluribus annis variis occasionibus in publicum emissorum nunc quadantenus etiam auctorum et deficientibus passim exemplaribus in unum volumen iam collectorum, fasciculus publicae luci redditus. - Halae Magdeburgicae : Orphanotropheum, 1715. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
- Experimenta et observationes chemicae. Berlin 1731.
- Georgii Ernesti Stahl, Fragmentorum Aetiologiae Physiologico-Chymicae. Ienae 1683, Online-Ausgabe der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
Literatur
- Johann Christoph von Dreyhaupt: Beschreibung des Saalkreises. Bd. 2, Emanuel Schneider, Halle 1750, S. 724–726 (umfangreiches Schriftenverzeichnis)
- Axel W. Bauer: Georg Ernst Stahl. In: Klassiker der Medizin. Hrsg. von Dietrich von Engelhardt und Fritz Hartmann. Bd. 1. Von Hippokrates bis Hufeland. Verlag C. H. Beck, München 1991, S. 190-201; 393-395; 439.
- Axel W. Bauer: Der Körper als Marionette? Georg Ernst Stahl und das Wagnis einer psychosomatischen Medizin. In: Dietrich von Engelhardt und Alfred Gierer (Hrsg.): Georg Ernst Stahl (1659-1734) in wissenschaftshistorischer Sicht. Leopoldina-Meeting am 29. und 30. Oktober 1998 in Halle (S.). Acta historica Leopoldina Nr. 30. Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (Saale) 2000, S. 81-95.
- Johanna Geyer-Kordesch: Pietismus, Medizin und Aufklärung in Preußen im 18. Jahrhundert. Das Leben und Werk Georg Ernst Stahls, Tübingen 2000.
- Bernhard Lepsius: Stahl, Georg Ernst. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 35, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 780–786.
Quellen
- ↑ Als Geburtsjahr wird häufig fälschlich das Jahr 1660 angegeben. Allerdings enthält das Taufbuch von St. Johannis in Ansbach folgende Angaben: Anno 1659, 22. Octobris: GEORG ERNST STAHL, Herrn JOHANN LORENZ STAHLS, Fürstl. Hofrats-Sekretary. Zeuge: Herr GEORG NIKOLAUS MOHR, Fürstl. Cammerats (vgl. Gottlieb, Bernward Josef: Vitalistisches Denken in Deutschland im Anschluss an Georg Ernst Stahl, in: Klinische Wochenschrift, 21. Jg., Nr. 20, Mai 1942, S. 445-448).
- ↑ Fischer, Karlheinz: Vom Werden der Chemie (Bild-Text-Material). Lehrmaterial zur Ausbildung von Diplomlehrern CHEMIE. 1987, 3. erw. Aufl., Potsdam
- ↑ Eberhard Schmauderer: Chimatriker, Scheidekünstler, Chemisten im Buch Der Chemiker im Wandel der Zeiten, Verlag Chemie, Weinheim 1973, S.121, ISBN 3-527-25518-4
Weblinks
- Druckschriften von und über Georg Ernst Stahl im VD 17
- Digitalisierte Werke von Stahl - SICD der Universitäten von Strasbourg
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