- Physikalische Modellierung
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Physikalische Modellierung, englisch Physical Modeling, auch PM-Synthese genannt, ist ein Klangerzeugungsverfahren, das für alle physikalischen Eigenschaften eines Musikinstruments mathematische Modelle nutzt. Vorhandene Instrumente können damit realitätsgetreu nachgebildet und neue Klänge oder virtuelle Instrumente kreiert werden. Die jeweiligen physikalischen Eigenschaften sind im Modell frei veränder- und kombinierbar.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsprinzip
Im Bereich der Klangerzeugung gibt es verschiedene Verfahren, um den Klang eines Instruments synthetisch zu imitieren. Ein nahe liegendes Verfahren hierfür ist das Sampling. Möchte man zum Beispiel ein Saxophon nachbilden, würde man beim Sampling eine größtmögliche Bandbreite an Saxophontonhöhen aufnehmen und diese dann unter Zuhilfenahme eines Samplers auf eine Klaviertastatur legen. Das gesampelte Instrument bietet einen authentischen Klang, jedoch ist es eine starre Aufnahme des Saxophones und kann nur durch Filterung und Hüllkurvenbearbeitung verändert werden, jedoch nicht in seiner eigentlichen klanglichen Entstehung. Eine weitere Methode der Programmierung eines Klangs ist die subtraktive Synthese. Durch die entsprechende Wahl der Oszillatorwellenformen und der entsprechenden Filterung, sowie Modellierung ist es mit der subtraktiven Synthese möglich, einen ansprechenden Saxophonklang zu erzielen. Die Authentizität dieses Klanges wird jedoch zu wünschen übrig lassen. Ähnlich wird es sich auch bei der FM-Synthese und anderen synthetischen Klangerzeugungsverfahren verhalten. Man wird immer eine Annäherung an das Instrument erzielen, jedoch selten feinste klangliche Nuancen authentisch wiedergeben können.
Prinzip des Physical Modeling ist es, das zu imitierende Instrument in seinem Aufbau und in seiner Funktion zu analysieren und dementsprechend in Module aufzugliedern. Ein Saxophon besteht vereinfacht aus einem Mundstück, einem Resonanzrohr und einem Trichter. Im Mundstück werden die Schallwellen durch Anblasen auf ein Holzblättchen erzeugt; die Länge des Rohres, veränderbar durch die Druckklappen, verändert die Tonhöhe; durch den Trichter tritt der Großteil des Schalls aus, er beeinflusst Abstrahlcharakteristik und Frequenzgang. Alle drei Elemente beeinflussen das Signal unterschiedlich und in Abhängigkeit zu den anderen Elementen. Wird dieses Modell in ein mathematisches System übertragen, so ist die Grundlage für ein virtuell erzeugtes Saxophon geschaffen.
Vorteile des virtuellen Modells
Der Vorteil des Modells ist, einen lebendigen Klang, den Eigenheiten des jeweiligen Instruments entsprechend, zu erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist das Überblasen eines Instruments, bei dem sich das virtuelle Modell ganz dem Vorbild entsprechend verhält. Dieses ist mit Sampling oder anderen Syntheseformen nicht, oder nur sehr schwer möglich. Ein weiterer Vorteil des Physical Modeling ist die Möglichkeit, Elemente verschiedener Instrumente zu kombinieren, auch wenn diese Kombination mit echten Instrumenten nicht möglich wäre. Hierbei muss nur zwischen Resonatoren und Erregern unterschieden werden. Am Beispiel des Saxophonmodells ist das Mundstück der Erreger – wessen hochfrequenter, flatternder Ton auch die Transienten bildet – und das Rohr und der Schalltrichter sind Resonatoren. Man hat nun zum Beispiel die Möglichkeit, das Mundstück des Saxophons mit dem Resonanzraum einer Geige zu verbinden. So entsteht ein neues virtuelles Instrument mit einer eigenen Klangcharakteristik. Es können aber auch nur einzelne Parameter eines Instruments verändert werden, wie zum Beispiel Materialbeschaffenheit, Größe oder Anschlagstärke.
Die Physikalische Modellierung erfordert in der Regel eine hohe Rechenleistung im Synthesizer oder im Computer. Ein Vorteil besteht jedoch darin, dass das Modell durch den Musiker in Echtzeit geändert werden kann. So besteht die Möglichkeit, während der Darbietung intuitiv auf die Eigenschaften des zu simulierenden Instrumentes Einfluss zu nehmen.
Nachteile bei zu geringem Frequenz-Umfang
In einem Arbeitsraum von 44,1 kHz (bei digitalen Synthesizern) lassen sich jedoch nicht alle beliebten Klangformen ohne weiteren Aufwand frei von digitaler Verzerrung darstellen, da den Werte-Punkten, die eine Welle beschreiben, eine technisch bedingte, mathematische Funktion zugrunde liegt. Diese erzeugt vor und nach einem abrupten Wert-Wechsel eine hochfrequente Sinuswelle, die z. B. eine Rechteck- oder Sägezahn-Form einfach nicht glatt darstellen kann. Zwar ist diese Störung für das menschliche Ohr nicht in ihrer reellen Form hörbar, jedoch beeinflusst sie die Welle in einer vereinfachten Form, die wiederum doch zu hören ist.
Manuelle Modellierung anhand der Erkenntnisse der herkömmlichen Methode
In Analyser-Programmen, die die Ansicht und Bearbeitung von Wellendaten ermöglichen (z. B. Audition oder WaveLab) kann auch Material völlig zweckentfremdet und zu tonalem Stoff verarbeitet werden. Beispielsweise lässt sich die Aufnahme von mehreren folgenden Claps auf ein Format schneiden, indem die Abstände zwischen den einzelnen Schlägen einem harmonischen Frequenzmuster folgen und sich somit als echte Note in einem Sampler spielen lassen. Mit dieser Synthese-Methode lassen sich sehr innovative Klänge erzeugen, deren Ausgangs-Material in manchen Fällen nicht mehr identifizierbar ist und somit eine geheimnisvolle „Vibe“ bilden kann. Dieses Verfahren ist zwar sehr zeitaufwändig, doch kann es Ergebnisse erzielen, die aufgrund des natürlichen Materials im Vergleich zur Signalaufbereitung in einem Synthesizer wesentlich lebendiger wirken. Nun lässt sich diese Eigenschaft durch Einsatz eines röhrenbetriebenen Verstärkers oder Equalizers noch verstärken.
Literatur
- Uwe G. Hoenig : Workshop Synthesizer. PPV Medien, Bergkirchen 2002, ISBN 3-932275-27-6.
- Thomas Görne: Tontechnik. 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, Leipzig, 2006, ISBN 3-446-40198-9
Weblinks
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