Pier Francesco Caletti-Bruni

Pier Francesco Caletti-Bruni
Francesco Cavalli

Francesco Cavalli, eigentlich Pier Francesco Caletti-Bruni (* 14. Februar 1602 in Crema; † 14. Januar 1676 in Venedig) war ein italienischer Komponist und Organist, der heute hauptsächlich für seine Opern bekannt ist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Cavallis Vater Giovanni Battista Caletti (1577 - um 1642) war Domkapellmeister und Organist in Crema, bei dem er seinen ersten Unterricht erhielt. Der venezianische Gouverneur von Crema Federigo Cavalli wird sein Patron, der ihn nach Venedig mitnimmt und dessen Namen er später als Opernkomponist übernimmt. 1616 engagierte Claudio Monteverdi Cavalli als Sänger am Markusdom in Venedig, zuerst als Knabensopran, dann als Tenor. 1620 wird er gleichzeitig Organist in der Kirche San Giovanni e Paolo, was er erst aufgibt, als er 1630 die wohlhabende Witwe Maria Schiavina heiratet. Die Ehe blieb kinderlos und seine Frau starb 1652.

Fassade von Zanipolo

1639 wird er aufgrund eines Wettbewerbs zweiter Organist in San Marco und führt seine erste Oper Le Nozze di Teti e di Peleo am Teatro San Cassiano auf, dem ersten öffentlichen Opernhaus, das zwei Jahre zuvor gegründet worden war. 1641 wird La Didone aufgeführt, dessen Libretto von Giovanni Francesco Busenello, dem Librettisten der Incoronazione di Poppea Monteverdis stammt.[1] 1642 beginnt mit La virtù de' strali d'Amore seine Zusammenarbeit mit dem Librettisten Giovanni Faustini (1615-1651) - ihr letztes gemeinsames Werk ist in dessen Todesjahr 1651 die Oper La Calisto. Inzwischen war Cavalli auch international bekannt geworden: seine Oper Egisto wird 1646 in Paris aufgeführt, seine Oper Orione 1653 in Mailand bei der Wahl von Ferdinand IV. zum römischen König. Antonio Cesti war mittlerweile sein Rivale.

April 1660 reist er auf Einladung von Kardinal Mazarin nach Paris, um anlässlich der Heirat von Ludwig XIV. mit Maria Theresia von Spanien Opern aufzuführen. Der Aufenthalt in Paris wurde für den erfolgsverwöhnten Cavalli, der allerdings kränkelte und dem er nur auf politischen Druck (Mazarin wollte ihn unbedingt haben) folgte, zur großen Enttäuschung. Nach seiner Ankunft starb sein Protegé Mazarin. Aufführungsprobleme oder Intrigen, die hauptsächlich durch den als Ballett-Komponisten zu den Opern hinzugezogenen Florentiner Jean-Baptiste Lully entstanden, kamen hinzu.[2] Sie führten dazu, dass die anlässlich der Hochzeit komponierte Oper „Ercole amante“ (Der verliebte Herkules) nicht rechtzeitig fertig wurde. Weil das neue Theater nicht fertig war, wurde stattdessen Cavallis Erfolgsoper Xerxes am 22. November 1660 in der Gemäldegalerie des Louvre aufgeführt. Sie hatte eine Französische Ouverture und statt Chöre Ballette von Lully.

Die Aufführung des Ercole Amante fand erst anderthalb Jahre später im Palais des Tuileries statt und dauerte mehr als sechs Stunden. Zwischen durch wurde getanzt und gegessen. Es gab mindestens 21 Ballette [3] komponiert und geleitet von Lully, an denen auch der Sonnenkönig teilnahm. Das Ballett Hercule amoureux sollte eines der denkwürdigsten Ereignisse der Musikgeschichte werden, denn hier trat der König nun zum zweiten Mal als Apollo auf.[4] Im letzten Akt im Ballett Royal des sept Planetes trat Louis XIV gleich drei mal als Tänzer auf: als Mars, Pluto und schließlich als Sonne. Der Hof skandierte während seines Tanzes Lang lebe der Sonnenkönig! Diesen Spitznamen sollte Ludwig XIV. sein Leben lang behalten. Lullys Ballette wurden bejubelt, Cavallis Oper sehr viel verhaltener aufgenommen, teilweise deshalb weil sie in Italienisch war und möglicherweise auch weil ein Kastrat darin sang.

Gesamtansicht des Tuilerien-Palasts mit dem Louvre im Hintergrund auf einem Stich um 1857

Als er 1662 wieder nach Venedig zurückkehrte, wollte er nach der Pariser Enttäuschung nicht mehr für die Oper schreiben, komponierte dann aber doch noch bis 1673 sechs Opern. Cavalli wurde 1665 erster Organist als Massimiliano Neri nach Bonn abreiste. Erst 1668, als Giovanni Rovetta starb, wurde er maestro di cappella von San Marco, was er bis zu seinem Tod blieb.[5] Zuletzt komponierte er religiöse Musik u.a. ein Requiem zu seinem Begräbnis. Cavalli liegt in die Kirche San Lorenzo begraben.

Nachleben

Cavalli war der erfolgreichste Opernkomponist in der Mitte des 17. Jahrhunderts, in einer Zeit, als sich in vor allem in Venedig in der Nachfolge Monteverdis die Oper herausbildete und dort einen wahren „Boom“ erlebte, der auch auf das übrige Europa ausstrahlte, da sich die herrschende Schicht häufig in Venedig beim Karneval traf. Zusammen mit dem Librettisten Giovanni Faustini, mit dem er in den 1640ern die meisten seiner Opern schrieb, machte er aus der Oper eine populäre Unterhaltung. Cavalli reduzierte Monteverdis extravagantes Orchester für die Intendanten auf (billigere und) praktischere Maße, führte Belcanto, (melodiöse Arien), wie das Lamento in die Musik und beliebte komische Typen in seine Werke ein.[6]

30 Opern von Cavalli sind überliefert (von etwa 40[7]), die meisten werden in der Biblioteca Marciana in Venedig aufbewahrt (aus der Sammlung von Marco Contarini). Cavallis Opern weisen all die charakteristischen Übertreibungen und Absurditäten des 17. Jahrhunderts auf, aber sie besitzen auch einen bemerkenswerten Sinn sowohl für dramatische Wirkung als auch für musikalische Leichtigkeit, und einen grotesken Humor, der kennzeichnend für die große italienische Oper bis zum Tod Alessandro Scarlattis war. Seine Opern wurden wie alle damaligen Opern im Allgemeinen nur eine Saison aufgeführt. Erste Wiederaufführungen wurden durch Raymond Leppard beim Glyndebourne Festival in den 1960er Jahren durchgeführt. Seitdem wurden mehrere Opern Cavallis neu aufgeführt, insbesondere La Calisto von René Jacobs.

Werke

Opern

Wenn nicht anders vermerkt sind die erwähnten Theater in Venedig.

  • Le nozze di Teti e di Peleo (Die Hochzeit von Thetis und Peleus, Uraufführung Teatro San Cassiano Januar 1639), Libretto Orazio Persiani
  • Gli amore di Apollo e di Dafne (Uraufführung Teatro San Cassiano, Karneval 1640), Libretto von Busenello nach Ovid.
  • La Didone (Uraufführung Teatro San Cassiano 1641), Libretto Busenello nach Vergils Aeneis, aber mit „Happy End“ für Dido. Aufgenommen von Michel Corboz für Harmonia Mundi 1998 und von Thomas Hengelbrock für die Deutsche Harmonia Mundi.
  • Narcisso et Ecco immortalati (Uraufführung 1642, verschollen), Libretto Persiani
  • L'Amore innamorato (Der verliebte Amor, 1642, verschollen)
  • La virtù de' strali d'Amore (Die Macht der Liebespfeile, Uraufführung Teatro San Cassiano 1642), Libretto von Faustini. 1648 in Bologna aufgeführt.
  • L'Egisto (Uraufführung Teatro San Cassiano 1643), Libretto Giovanni Faustini. Die Oper war in ganz Italien erfolgreich. 1974 von Leppard in Santa Fe aufgeführt.
  • La Deidamia (1644, verschollen), Libretto S.Herrico
  • L'Ormindo (Uraufführung Teatro San Cassiano 1644), Libretto von Faustini. 1967 von Leppard in Glyndebourne aufgeführt.
  • Il Romolo e 'l Remo (1645, verschollen), Libretto G. Strozzi
  • La Doriclea (Uraufführung Teatro San Cassiano 1645), Libretto von Faustini.
  • Il Titone (1645, verschollen), Libretto Faustini
  • la prosperità infelice di Giulio Cesare dittatore (1646, verschollen), Libretto von G.F.Busenello
  • La Torilda (1648, verschollen), Libreto P.P.Bissari
  • Il Giasone (Jason, Uraufführung Teatro San Cassiano 5. Januar 1649), Libretto von Giacinto Andrea Cicognini. Eine der erfolgreichsten Opern des ganzen 17. Jahrhunderts. Aufnahme von René Jacobs 1988.
  • L'Euripo (1649, Musik verloren), Libretto Faustini
  • La Bradamante (1650, verschollen), Libretto P.P. Bissari
  • L'Orimonte (Uraufführung Teatro San Cassiano 23. Februar 1650), Libretto von Niccolò Minato.
  • L'Oristeo (Uraufführung Teatro San Apollinare 1651). Libretto von Faustini. Mit einem der ersten Beispiele für Da Capo Arien, „Udite Amanti“, gesungen von Corinta (Sopran).
  • La Rosinda (1651), Libretto Faustini
  • L'Armidoro (1651, verschollen), Libretto B. Castoreo
  • La Calisto (Uraufführung Teatro San Apollinare, 28. November 1651), Libretto von Faustini.
  • L'Eritrea (Uraufführung Teatro San Apollinare 16. Januar 1652), Libretto von Faustini. 1975 beim Wexford Festival unter Jane Glover aufgeführt.
  • Il Delio (La Veremonda, l'amazzone di Aragona) (Uraufführung 21. Dezember 1652 in Neapel, anlässlich des spanischen Sieges über Barcelona, erstaufgeführt in Venedig am 28. Januar 1653), Libretto von Cicognini mit Ergänzungen von Giulio Strozzi.
  • L'Helena rapita da Teseo (1653), Libretto G.Badoaro
  • L'Orione (Uraufführung Mailand Juni 1653 bei der Wahl von Ferdinand IV. als römischer König), Libretto Francesco Melosio, wieder aufgeführt von Leppard in Santa Fe 1983.
  • Il Ciro (Uraufführung Teatro San Giovanni e San Paolo, 30. Januar 1654), in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Mattioli (bzw. Bearbeitung einer Oper eines ansonsten unbekannten Komponisten durch Cavalli), Libretto Giulio Cesare Sorrentino, bearbeitet von Aurelio Aureli.
  • Il Xerse (Il Serse, Uraufführung Januar 1654), Libretto Nicolò Minato. Die Oper war besonders mit ihrer Arie „Ombra Mai Fu“ sehr populär und wurde später auch von Händel und Giovanni Bononcini vertont. In stark bearbeiteter Form wurde sie auch 1660 in Paris aufgeführt. Eine Aufnahme unter Rene Jacobs erschien bei Harmonia Mundi 1985.
  • L'Erismena (Uraufführung Teatro San Apollinare 30. Dezember 1655), Libretto Aurelio Aureli. Die erste Oper, von der eine englische Übersetzung bekannt ist (möglicherweise 1674 in England aufgeführt).1670 wurde die Oper von Cavalli neu bearbeitet.
  • La Statira (Statira principessa di Persia) (Uraufführung 18. Januar 1655 Teatro San Giovanni e San Paolo), Libretto Busenello
  • L'Artemisia (Uraufführung Teatro San Giovanni e San Paolo 10. Januar 1657, Neapel 1658, Palermo 1659, Mailand 1663, Genua 1665), Libretto Nicolò Minato
  • L'Hipermestra (L'Ipermestra) (Uraufführung Florenz 12. Juni 1658), Libretto Moniglia
  • L'Antioco (1659, Musik verloren), Libretto Minato
  • Il rapimento d'Helena (L´Elena) (Uraufführung Teatro San Cassiano, Widmung vom 26. Dezember 1659), Libretto ursprünglich von Faustini, vollendet von Minato
  • La pazzia in trono, ossia il Caligola delirante (1660, verschollen), Libretto D.Gisberti
  • L'Ercole (Ercole amante) (Uraufführung Salles des Machines im Palais des Tuileries, 7. Februar 1662), Libretto von Francesco Buti nach Ovid.
  • Scipione affricano (Uraufführung Teatro San Giovanni e Paolo, Februar 1664). Libretto von Minato. Auch in Rom 1671 aufgeführt und in von Giovanni Viviani überarbeiteter Fassung 1678 beim Karneval in Venedig. Plattenaufnahme von Michel Corboz 1980.
  • Il Mutio Scevola (Muzio Scevola) (Uraufführung Teatro San Samuele, 1665), Libretto Faustini, von Minato bearbeitet. Auch in Bologna 1667 aufgeführt.
  • Il Pompeo Magno (Uraufführung im Teatro San Salvatore, 20. Februar 1666), Libretto von Minato.
  • L'Eliogabalo (1667 komponiert, beim Karneval 1668 uraufgeführt, nach wenigen Tagen zurückgezogen und durch eine gleichnamige Oper von Giovanni Boretti ersetzt). Librettist unbekannt, eventuell von Aureli bearbeitet (Thema ist der römische Kaiser Elagabal). 2004 von Rene Jacobs uraufgeführt.
  • Coriolano (1669, verschollen)
  • Massenzio (1673, verschollen)

Andere

  • Musiche sacre (1656) enthält Messen, Hymnen, ein Magnificat und sechs mehrstimmige Sonaten)

Literatur

  • Silke Leopold Die Oper im 17.Jahrhundert, Laaber 2006
  • Jane Glover Cavalli, London, Palgrave Macmillan, 1978, ISBN ISBN 0-312-12546-1
  • Beth Glixon, Jonathan Glixon Inventing the Business of Opera: The Impresario and His World in Seventeenth-Century Venice, Oxford: Oxford University Press, 2006. ISBN 0-19-515416-9
  • Ellen Rosand Opera in Seventeenth-Century Venice, Berkeley: University of California Press, 1991, ISBN 0-520-06808-4

Weblinks

Anmerkungen und Quellen

  1. in dessen Manuskript sich auch Cavallis Handschrift findet. R. Leppard, Liner Notes zu Cavalli La Calisto. Möglicherweise hat er nach Leppard auch an Teilen mitgewirkt.
  2. R. Leppard, Liner Notes zu "La Calisto", Decca 1972.
  3. Bukofzer, Manfred, Music in the Baroque Era. New York: W.W. Norton & Co. 1947, S. 148-149. ISBN 0-393-09745-5
  4. Es gibt auch andere Version, dass er als Repräsentant des Hauses Frankreichs auftrat. [1]
  5. Vliegenthart, F. (2009) Een Venetiaanse opera voor Parijs, p. 13, 17. In: Opernführer zur Francesco Cavalli's Ercole Amante von De Nederlandse Opera.
  6. Bukofzer, Manfred, Music in the Baroque Era, S. 118, 129-133.
  7. 1651, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, komponierte er vier Opern.

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