- Polizeikessel
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Der Polizeikessel ist eine Taktik im Polizeieinsatz, die bei Demonstrationen, Aufzügen und anderen Versammlungen eingesetzt wird, um Menschenmassen zu kontrollieren. Ein dichter Ring aus Polizisten wird um die Versammlung gebildet und macht es den Teilnehmern etwa durch Anwendung unmittelbaren Zwanges unmöglich, den Ort zu verlassen. Der Polizeikessel ist rechtlich eine Form des Sicherungsgewahrsams.
Inhaltsverzeichnis
Taktische Grundlagen
Kessel werden gegen Demonstrierende eingesetzt, die durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit gefährden bzw. dies laut Einschätzung der Polizeiführung zukünftig tun werden. Geeignet sind Kessel besonders, um Straßenschlachten zu verhindern oder deren weiteren Verlauf einzudämmen oder zu unterbinden. Der Polizeikessel wird auch vorbeugend gegen Demonstrationen eingesetzt.
Der Kessel unter freiem Himmel findet seit 1986 mit dem Hamburger Kessel Anwendung. Der Polizeikessel wird meistens nicht durch die normale Streifenpolizei, sondern durch Einsatzhundertschaften gebildet, da diese Einheiten grundsätzlich den Schutz bei Demonstrationen sicherstellen und für eine solche Aufgabe ausgebildet und ausgerüstet sind.
Vorgehen
Die Polizei geht in gerader Linie auf eine Gruppe Menschen zu und beginnt diese dann einzukreisen. Je nach baulicher Situation kann ein Polizeikessel auch unter Ausnutzung der Geländegegebenheiten gebildet werden. Teilweise erfolgt die Umfassung auch von mehreren Seiten zugleich. Wenn die Polizei es geschafft hat, dass aus dieser Einkreisung keiner mehr entkommen kann, ist der Kessel gebildet. Meist werden in der Phase der Kesselbildung, also der Übergangszeit vom Einkreisen zum fertigen Kessel, einzelne Störer mit Druck in die Mitte des Kessels verbracht.
Ein erweitertes Vorgehen ist der Wanderkessel, der auch bei sich bewegenden Demonstrationszügen angewandt wird.
Ziel
Ziel der Einkesselung ist es, die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit zu beschränken und so von möglichen und weiteren Gewalttaten gegen Rechtsgüter der Person oder der Allgemeinheit abzuhalten. Ebenso kann dadurch verhindert werden, dass sich Demonstrationszüge oder ähnliche Menschenansammlungen in bestimmte Richtungen bewegen.
Nach der Einkesselung kann es auch möglich sein, dass aus dem Kessel einzelne Personen abtransportiert werden, um sie weiterhin (auch nach der Auflösung des Kessels) in Gewahrsam zu behalten oder der Strafverfolgung zuzuführen.
Rechtliches
Bei der Vornahme des Kessels wird in die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit eingegriffen.
Die Einkesselung ist rechtlich umstritten. Befürworter sehen in ihm eine einfache und effektive Möglichkeit Gewalttaten zu unterbinden. Kritiker sehen in ihm eine unverhältnismäßige Maßnahme, denn in einem Kessel könnten auch Nichtstörer festgehalten werden. Da den Eingekesselten die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Toilettenbesuche und Bezug von Nahrung und Trinkwasser unmöglich ist, wird diese polizeiliche Maßnahme häufig kritisiert.
Urteile zu Polizeikesseln
Im Nachgang zu Polizeikesseln kommt es immer wieder zu juristischen Nachspielen, da Betroffene sich gegen die Einkesselung juristisch zur Wehr setzen.
Das Amtsgericht Dannenberg gab einer Klägerin recht, die gegen eine Einkesselung anlässlich der Proteste gegen einen CASTOR-Transport geklagt hatte. Zwar saßen die Demonstranten verbotenerweise auf den Bahngleisen des CASTOR-Transports, dennoch waren sie Teilnehmer einer Versammlung, die entgegen § 15 Abs. 3 des Versammlungsgesetzes nicht aufgelöst wurde. Nach Ansicht des Gerichts schützt der Artikel 8 des Grundgesetzes Versammlungen solange, bis sie ordnungsgemäß von der Polizei aufgelöst werden. (Aktz. 39 XIV 164/02 L3)[1]
Im September 2004 urteilte das gleiche Gericht, dass die Menschenwürde auch innerhalb eines Polizeikessels gewahrt bleiben muss. „Kann die Polizei nicht dafür Sorge tragen, dass ab Beginn der Einschließung die Demonstranten innerhalb angemessener Zeit ihre Notdurft verrichten dürfen, ist eine Rechtsgrundlage für die Einschließung nicht mehr ersichtlich, und die Ingewahrsamnahme muss aufgehoben werden“. (39 XIV 464/02 L)[2]
Einzelnachweise
- ↑ Pressemitteilung der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
- ↑ Pressemitteilung der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
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