Polnische Brüder

Polnische Brüder
Haus der Polnischen Brüder in Raków

Die Polnischen Brüder (polnisch Bracia polscy) waren eine antitrinitatische reformatorische Kirche, die zwischen 1565 und 1658 in Polen existierte. Die Polnischen Brüder waren stark vom Sozinianismus geprägt. Die zur gleichen Zeit in Litauen bestehende Schwesterkirche wurde entsprechend als Litauische Brüder bezeichnet.

Geschichte

Eine große Rolle bei der Entstehung der Polnischen Brüder spielte der polnisch-litauische Theologe Petrus Gonesius. Gonesius war unter seinen Studium in Padua in Italien erstmals mit der antitrinitarischen Theologie Michael Servetus und Matteo Gribaldis in Berührung gekommen. Später traf er im Mähren auf die aus der Täuferbewegung stammenden Hutterer, die ihn ebenfalls nachhaltig beeinflussten. Schließlich warb Gonesius auf einer im Januar 1556 im kleinpolnischen Secymin stattfindenden Kirchensynode für den Antitrinitarismus. Kleinpolen war damals bereits stark von der Reformation Zwinglis und Calvins beeinflusst, während das benachbarte Großpolen eher von lutherischen und böhmischen Positionen geprägt war. Obwohl sich Gonesius nicht durchsetzen konnte, konnte er in den folgenden Jahren eine Reihe von Unterstützern um sich sammeln. Auch Teile des Klerus und Adels stellten sich an seine Seite. Unterstützung fand Gonesius vor allem bei dem polnisch-litauischen Magnaten Jan Kiszka. Auf einer weiteren Synode im Dezember 1558 in Brest sprach sich Gonesius neben antitrinitarischen auch für täuferische Positionen wie die Bekenntnistaufe und Gewaltfreiheit aus. Innerhalb der reformierten Gemeinden Polen-Litauens kam es Mitte der 1560er Jahre schließlich zum Bruch in eine täuferisch-antitrinitarische Ecclesia reformata minor (≈ Kleine Reformierte Kirche) und eine an der Trinität und Kindertaufe festhaltende Ecclesia reformata maior (≈ Große Reformierte Kirche). Nachdem die Verbindungen mit den polnisch-litauischen Calvinisten gebrochen waren, fand am 10. Juni 1565 erstmals eine selbstständige Synode der sich als Polnische und Litauische Brüder verfassten antitrinitarischen Kirche statt. Die Gemeinden der Polnisch-Litauischen Brüder konzentrierten sich vor allem auf Kleinpolen, Wolhynien und Teile Litauens, wo jeweils auch reformierte Gemeinden vertreten waren. Kulturelle Zentren waren die Orte Pińczów und Raków, an dem sich zwischen 1602 und 1638 auch die einflussreiche Rakówer Akademie befand. Von den übrigen protestantischen Kirchen Polen-Litauens wurden die Polnischen Brüder zunächst nicht als gleichberechtigte Kirche anerkannt. So waren sie auch nicht auf der im Jahr 1570 von Lutheranern, Reformierten und Böhmischen Brüdern gemeinsam abgehaltenen Unionssynode zu Sandomir zugelassen und wurden entsprechend auch nicht in den inner-protestantischen Consensus von Sandomir eingebunden.

In den 1570er Jahren waren die Polnischen Brüder durch einen innerkirchlichen Disput zwischen den von Petrus Gonesius und Martin Czechowic vertretenen pazifistisch-täuferischen Positionen und den von Symon Budny vertretenen nicht-pazifistischen Anschauungen geprägt. Nachfolgend wurden die Polnischen Brüder vor allem durch die Schriften des italienischen Theologen Fausto Sozzini geprägt, der sich 1579 in Polen niederließ und auch in wesentlichen Punkten hinter dem 1605 erschienenen Rakówer Katechismus stand. Kennzeichnend für den nach Sozzini benannten Sozinianismus waren neben der Ablehnung der Trinität und Präexistenz Christi vor allem die Ablehnung kirchlicher Dogmen und eine Hinwendung zu rationalistischer Bibelexegese.

Bereits von der katholischen Gegenreformation unter Druck gesetzt wurde die Kirche der Polnischen Brüder schließlich am 20. Juli 1658 vom polnischen Parlament verboten. Die Rakówer Akademie war bereits 1638 geschlossen worden. Viele Polnische Brüder fanden in den folgenden Jahren Aufnahme in den Niederlanden oder bei den Unitariern in Siebenbürgen. Zum Teil konnten auch noch einzelne Gemeinden in Preußen gegründet werden wie die bis 1803 bestehende Gemeinde im ostpreußischen Andreaswalde. Seit den 1930er Jahren gibt es in Polen Bemühungen, die Polnischen Brüder wiederzubeleben. So gibt es heute wieder Gemeinden, die sich auf die früheren Polnischen Brüder berufen.

Theologisch standen die Polnischen Brüder für einen von Matteo Gribaldi und später vor allem von Fausto Sozzini geprägten Antitrinitarismus. Die Präexistenz Christi und der Glaube an die Hölle wurden abgelehnt. Hinzu kamen zum Teil auch pazifistisch-täuferische Positionen und die Ablehnung feudalistischer Gesellschaftsstrukturen. Das Abendmahl wurde als reines Gedächtnismahl gefeiert. Im Hinblick auf die Liturgie vertraten sie das Prinzip größtmöglicher Einfachheit.[1] Da die Polnischen Brüder im Hinblick auf Toleranz, Staat, Kirche und Gesellschaft viele Positionen der späteren Aufklärung vorwegnahmen, kommt ihnen in der europäischen Theologiegeschichte noch heute ein besonderer Platz zu.[2]

Weblinks

 Commons: Polish Brethren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Horst Robert Balz, Gerhard Krause und Gerhard Müller (Hrsg.): Sozzini. In: Theologische Realenzyklopädie. 31, Berlin 2000, S. 602.
  2. Lorenz Hein: Italienische Protestanten und ihr Einfluss auf die Reformation in Polen während der beiden Jahrzehnte vor dem Sandomirer Konsens (1570). Leiden 1974, S. 23.

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