- Augsburger Textilviertel
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Das Textilviertel ist ein Stadtviertel von Augsburg. Es umfasst ein etwa 180 ha großes Gebiet in den Stadtbezirken Am Schäfflerbach und Wolfram- und Herrenbachviertel. Es wird im Westen durch Lechhauser Straße und Stadtgraben, im Süden durch die Friedberger Straße und im Norden und Osten durch den Lech begrenzt.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung des Textilviertels
Entstehung
Bereits in vorindustrieller Zeit war Augsburg ein Zentrum der europäischen Textilindustrie. Zeugnisse dieser Epoche bilden das Weberhaus und der Färberturm. Johann Heinrich von Schüle gründete 1759 seine erste Manufaktur für Kattunverarbeitung und erbaute 1770/72 die Schüle'sche Kattunmanufaktur am Roten Tor[1].
Für das Ende des 19. Jahrhunderts lassen sich in Augsburg 21 große Textilfabriken mit rund 10.000 Beschäftigten belegen.[2]. Längst jedoch war das Platzangebot innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern zu gering geworden. So entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts insbesondere auf dem unbebauten Wiesengelände im Osten der Altstadt - dem heutigen Textilviertel - repräsentative Fabrikbauten (so etwa das Fabrikschloss oder der Glaspalast), Unternehmervillen, aber auch Arbeitersiedlungen.
Arbeitersiedlungen
Die 1836 gegründete Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS) begann bereits 1854 mit der Errichtung von Arbeiterwohnungen (ab 1875/76 Kammgarnquartier). Ergänzt wurden diese durch ein Fabrikbad (1872), Lesezimmer (1875) und Speisehaus (1878). 1930 kamen eine Kinderbewahranstalt und ein Säuglingsheim hinzu.[3].
1867 entstanden die ersten Werkswohnungen der 1837/40 gegründete Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Augsburg (SWA).[4] Das 1892 errichtete Proviantbachquartier bestand 1910 bereits aus 21 Häuser mit 300 Wohnungen samt Lebensmittelgeschäft und Metzgerei.[5] Die SWA engagierte sich für ihre Mitarbeiter auch im sozialen Bereich und errichtete im Quartier ein Altersheim (1905), ein Kinderheim (1926), sowie einen Turn- und Spielplatz.
Niedergang
Der Aufschwung der Nachkriegswirtschaft erfasste auch die Augsburger Textilindustrie, so dass wieder 17.500 Menschen im Textilsektor tätig waren[6]. Ab 1957 kam es im Zuge der Globalisierung und der damit verbundenen internationalen Konkurrenz zu einer andauernden Krise der inländischen Textilindustrie. Der Zusammenbruch des Glöggler-Konzerns 1976 erregte großes Aufsehen und betraf auch die zugehörigen Textilproduktionen in Augsburg (SWA - 1986, NAK - 1996, AKS - 2002). Im Jahr 2000 waren nur noch 1.463 Augsburger im Textilgewerbe tätig.
Das Schicksal der einzigartigen Bausubstanz im Textilviertel wurde seitens der Stadt weitgehend den Konkursverwaltern und Spekulanten überlassen. Die Folge eines schleichenden und von der Öffentlichkeit über lange Zeit unbeachteten Veränderungsprozesses war der Verlust vieler bedeutsamer Baudenkmäler der städtischen und deutschen Industriegeschichte.
Das Textilviertel heute
Trotz eines spürbaren Wandels in der öffentlichen Wahrnehmung ist das Textilviertel auch heute noch von Strukturproblemen und Modernisierungsbestrebungen bedroht. Nur wenige der verlassenen Industrieanlagen werden neu genutzt, viele Gebäude sind baufällig, mehrere Komplexe (etwa die Neue Augsburger Kattunfabrik, die Shedhallen der SWA und große Teile der AKS) bereits abgerissen.
Es ist vor allem dem starken Engagement einer Bürgerinitiative zu verdanken, dass sich inzwischen auch das offizielle Augsburg wieder der Wurzeln seiner Industriegeschichte erinnert und mit der Schaffung des Bayerischen Textil- und Industriemuseums neue Akzente im Textilviertel setzt. Ein ambitioniertes Gesamtkonzept zur Erhaltung und behutsamen Entwicklung des Augsburger Textilviertels lässt jedoch weiter auf sich warten.
Historische Unternehmen im Augsburger Textilviertel
- Schüle'sche Kattunfabrik
- Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS)
- Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg (SWA)
- Neue Augsburger Kattunfabrik (NAK)
- Martini & Cie
Literatur
- Wilhelm Ruckdeschel: Industriekultur in Augsburg. Brigitte Settele, Augsburg, 2004, ISBN 3-932939-44-1.
- Günther Grünsteudel, Günter Hägele, Rudolf Frankenberger (Hrsg.): Augsburger Stadtlexikon. 2. Auflage. Perlach, Augsburg 1998, ISBN 3-922769-28-4.
- Ilse Fischer: Industrialisierung, sozialer Konflikt und politische Willensbildung in der Stadtgemeinde. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte Augsburgs 1840-1914. Hieronymus Mühlberger, Augsburg, 1977, ISBN 3-921133-20-3.
- Kammgarn-Spinnerei (Hrsg.): 100 Jahre Augsburger Kammgarn-Spinnerei 1836-1936.
- Richard Loibl (Hrsg.): Das Bayrische Textil- und IndustrieMuseum in Augsburg. Wißner, Augsburg, 2005, ISBN 3-89639-508-4.
- Richard Loibl, Karl Borromäus Murr (Hrsg.): Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg. Museumsführer.. Wißner, 2010. ISBN 978-3-896-39744-7.
Weblinks
Commons: Augsburg-Textilviertel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Rundgang durch das Textilviertel (private Website)
Einzelnachweise
- ↑ Ruckdeschel: Industriekultur in Augsburg. S. 80.
- ↑ Das Bayerische Textil- und IndustrieMuseum (tim) in Augsburg. S.29
- ↑ 100 Jahre Augsburger Kammgarn-Spinnerei S.104
- ↑ Fischer: Industrialisierung, sozialer Konflikt und politische Willensbildung in der Stadtgemeinde. S. 213
- ↑ Augsburger Stadtlexikon
- ↑ tim - Museumsführer. S.12
48.36666666666710.916666666667Koordinaten: 48° 22′ N, 10° 55′ OKategorien:- Augsburg-Textilviertel
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