Textilindustrie

Textilindustrie
Verarbeitung von Flachs im Familienbetrieb, Schweden, ca. 1920

Die Textilindustrie ist einer der ältesten und, nach Zahl der Beschäftigten und Umsatz, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des produzierenden Gewerbes. Sie fertigt aus pflanzlichen, tierischen, mineralischen oder vom Menschen hergestellten Fasern textile Produkte wie Gespinste, Gewebe, Filze, Vliesstoffe, Nähgewirke und Maschenwaren, die unter anderem von der Bekleidungsindustrie weiterverarbeitet werden. Weitere Anwendungsbereiche sind Zelte, Planen, Segel, Geotextilien, Haustextilien (Gardinen, Vorhänge, Polsterstoffe, Teppiche, Handtücher u. a.), medizinische Textilien (Verbandstoffe u. a.)

Die Textilindustrie untergliedert sich nach Produktionsstufen in Spinnerei, Weberei, Wirkerei (Wirkstoffe, Strumpfwirkerei), Strickerei (Strickstoffe) und Textilveredelung (Vorbehandlung und Ausrüstung). Gestrickte und gewirkte Fertigerzeugnisse (Maschenwaren) sind Produkte der Bekleidungsindustrie.

Da die Grenzen zwischen der Textilindustrie einerseits und der Bekleidungsindustrie andererseits fließend sind, werden beide Zweige häufig auch als Textil- und Bekleidungsindustrie gemeinsam betrachtet.

Des Weiteren kann nach der Art der verarbeiteten Rohstoffe unterschieden werden zwischen Leinenindustrie, Baumwoll-, Woll-, Seiden-, Chemiefaser- und Bastfaserindustrie.

Inhaltsverzeichnis

Rohstoffe und Erzeugnisse

Hauptartikel: Textilien

Produktionsstufen und Techniken

Techniken der Textilindustrie sind zum Beispiel:

Geschichte

Packenträgerdenkmal in Neuenkirchen (Kreis Steinfurt). Diese Hollandgänger waren Wegbereiter der Textilindustrie

Die Textilindustrie gehört zu den ältesten Industriezweigen. Als eine ausgesprochen arbeitsintensive Produktion trug sie wesentlich zum Einfluss einzelner Regionen bei. Macht und Einfluss der italienischen Stadt Lucca im 13. Jahrhundert beruhte beispielsweise zu einem großen Teil auf der Seidenindustrie dieser Stadt. Zu den Luccaer Handwerkern gehörten eine Reihe sehr spezialisierter Gruppen. Darunter waren solche, die sich auf das Abwickeln von Seidenraupenkokons spezialisiert hatten, solchen, die die Fäden verspannen, Färbern und Webern.[1] Eine ähnlich differenzierte Arbeitsteilung findet sich auch bei der Verarbeitung von Wolle. Schäfer zogen die Schafe heran; Scheerer waren dafür verantwortlich, die Schafe zu scheeren. Karder kämmten die Rohwolle und befreiten sie so von groben Verunreinigungen, Spinner verarbeiteten die Wollfasern zu Fäden weiter und Weber produzierten aus den Wollfäden schließlich Tuch. Solche aus Wolle gefertigten Stoffe mussten häufig darüber hinaus gewalkt werden. Färber färbten bei qualitativ hochwertigen Stoffen die Wollfäden; häufiger jedoch bereits die fertig gewebten Stoffe, da diese Methode kostengünstiger war.[2] Den Färbern kam häufig eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere während der Renaissance maß man der Farbigkeit von Stoffen eine große Bedeutung zu. Sozialer Rang wurde häufig durch besonders farbenprächtige Kleidung signalisiert.[3] Färber durchliefen eine mehrjährige Ausbildung. Häufig wurden den Färbern jedoch Wohn- und Arbeitsplätze in Randbereichen der Siedlungen und Städte zugewiesen, da ihr Handwerk auch schmutzig und übelriechend galt.[4]

Im Mittelalter wurde allerdings ein großer Teil der Textilprodukte im häuslichen Betrieb (zum Eigenbedarf oder für einen Verleger) oder in kleinen Handwerksbetrieben hergestellt. In Deutschland war die Textilherstellung im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit im ländlichen Raum weit verbreitet, vor allem auch in den deutschen Mittelgebirgen, da diese Räume sowohl günstige klimatische Bedingungen für den Flachsanbau boten, als auch umfangreiche Wiesen für die Schafhaltung vorhanden waren. Daraus entwickelte sich eine Leinen- und Wollverarbeitung (Spinnerei und Weberei). Durch Hollandgänger, die auch mit Leinen handelten, entwickelte sich so im nord- und westdeutschen Raum, besonders im Münsterland, die Textilindustrie. Die Textilindustrie war in fast allen Mittelgebirgen vorhanden, besonders: Schwäbische Alb, Eifel, Hunsrück, Rhön, Vogelsberg, Frankenwald, Vogtland, Erzgebirge, Schwarzwald und Bayerischer Wald. Bedeutende Teile der Textilindustrie der deutschen Mittelgebirge sind als Ersatzindustrien für den rückläufigen bzw. den aufgegebenen Bergbau entstanden – so die Spitzen-Klöppelei und Posamentenindustrie des Erzgebirges und die Trikotagenindustrie der Schwäbischen Alb.

Durch die Aufhebung der Kontinentalsperre wurde die britische Textilindustrie bis nach dem zweiten Weltkrieg die Hauptkonkurrenz für die kontinentaleuropäischen Betriebe. Durch die von England ausgehende Mechanisierung des Spinn- und Webvorgangs Ende des 18. Jahrhunderts und die Verdrängung von Leinen und Wolle durch die Baumwolle verlor die Textilindustrie in den Mittelgebirgen zunehmend an Bedeutung, was schließlich zu großer wirtschaftlicher Not führte (Weberaufstand). Hingegen stieg die Bedeutung der baumwollverarbeitenden Textilindustrie, z. B. im deutsch-niederländischen Grenzgebiet.

Von 1955 bis 1980 gingen in der Bundesrepublik Deutschland über 400.000 Arbeitsplätze in der Textil- und Bekleidungsindustrie verloren. In den 50er Jahren mussten viele Firmen wegen Nachwirkungen der Koreakrise aufgeben. Der Kriegsausbruch führte in der westlichen Welt zu Panikkäufen von Baumwolle, somit stieg der Preis im März 1951 bis auf 33 DM (rein gewaschene mittelfeine Wolle A) an. Da der Preis nur sechs Monate später auf nur noch 13 DM sank, blieben viele textilverarbeitende Firmen auf den Kosten der teuer eingekauften Ware sitzen.[5]

Nur noch 5 % aller in Deutschland verkauften Textilien werden auch in Deutschland hergestellt.

Bedeutung der Textilindustrie heute

Im November 2007 waren in Deutschland noch 102.306 Menschen in der Textil und Bekleidungsindustrie beschäftigt.[6] Die Textilindustrie hat heute in Europa nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Viele Stoffe kommen aus den Niedrigpreisländern, die einen großen Teil des europäischen Bedarfs decken, unter anderem der Volksrepublik China, Indien, Südkorea und Taiwan. Sie werden dort gefärbt und genäht. Dagegen verzeichnet die Produktion technischer Textilien sogar Wachstum in Deutschland.

Zentren der Textilindustrie

Traditionelle Zentren der Textilindustrie in Deutschland sind Aachen, Albstadt, Apolda, Augsburg, Aschaffenburg, Bad Hersfeld, Bielefeld, Herford, Bocholt, Chemnitz, der Niederrhein mit den Zentren Krefeld und Mönchengladbach, das Bergische Land mit Wuppertal und das westsächsische Erzgebirgsvorland mit Crimmitschau. Bedeutend sind auch das Ruhrgebiet und Oberfranken. Letzteres beherbergt mit der Stadt Münchberg die Fakultät Textil und Design der Hochschule Hof. Die Hochschule Niederrhein ist mit dem Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik in Mönchengladbach und ca. 1.800 Studenten die bedeutendste Ausbildungsstätte für die Textil- und Bekleidungsindustrie. Weitere Zentren sind Plauen und das Vogtland, Rheine, Schmallenberg sowie Zittau, die Oberlausitz und das Wiesental und der Hochrhein im Südschwarzwald.

In Österreich sind dies Vorarlberg und das Waldviertel, wo vor allem die Banderzeugung beheimatet war und deshalb auch das Bandlkramerlandl bezeichnet wird, und das Mühlviertel.

In der Schweiz war die Textilindustrie vor allem in der Ostschweiz und im Zürcher Oberland mit Produktionsstätten stark vertreten. Heute ist Winterthur mit dem Hauptsitz der Firma Rieter und anderen ein Standort, an dem viele Textilmaschinen entwickelt werden. St. Gallen ist noch heute berühmt für die exklusiven St. Galler Spitzen. Die Textilindustrie in der Ostschweiz war bis zum 17. Jahrhundert vorwiegend bekannt für ihre qualitativ hochstehende Leinwand, danach für Baumwollprodukte. Während der Hochblüte im 19. Jahrhundert wurde dann vorwiegend Stickerei produziert.

Die größte Fabrikanlage Ägyptens ist die Spinnerei und Weberei Misr und beschäftigt 27.000 Menschen.[7]

Technische Textilien

Ein neuer Bereich sind die sogenannten Technischen Textilen. Textilien für den Flugzeugbau ( Kohlfaserverbundtechnik), Boots- und Schiffbau ( Polyesterverbundstoff), die Bauindustrie ( Dauerhafte Textildächer z. B. Musicalbau Hamburg-König der Löwen und das Dach des Dresdner Bahnhofs) unter anderem.

Quellen

  1. Amy Butler Greenfield: A Perfect Red – Empire, Espionage and the Qest for the Color of Desire, HarperCollins Publisher, New York 2004, ISBN 0-06-052275-5, S. 5 und S. 6
  2. Amy Butler Greenfield: A Perfect Red – Empire, Espionage and the Qest for the Color of Desire, HarperCollins Publisher, New York 2004, ISBN 0-06-052275-5, S. 7
  3. Amy Butler Greenfield: A Perfect Red – Empire, Espionage and the Qest for the Color of Desire, HarperCollins Publisher, New York 2004, ISBN 0-06-052275-5, S. 9 und S. 10
  4. Amy Butler Greenfield: A Perfect Red – Empire, Espionage and the Qest for the Color of Desire, HarperCollins Publisher, New York 2004, ISBN 0-06-052275-5, S. 11
  5. Peter Braun: "Die Hersfelder Textilindustrie. Vergangenheit und Gegenwart", S. 9-10, Verein für hess. Geschichte u. Landeskunde e.V Kassel 1834 - Zweigverien Bad Hersfeld, Bad Hersfeld 2003, ISBN 3-9806842-5-3
  6. Konjunkturbericht Textil-Mode
  7. Rainer Hermann: Vorgeschichte und Nachwirkungen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. Februar 2011, abgerufen am 18. Februar 2011 (deutsch).

Literatur

  • Axel Föhl und Manfred Hamm: Die Industriegeschichte des Textils, VDI-Verlag, Düsseldorf 1988, ISBN 3-18-400728-6

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Textilindustrie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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