- Profiloberstufe
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Eine Profiloberstufe bezeichnet eine Form der Gymnasialen Oberstufe im Bildungssystem in Deutschland. Bei diesem Modell werden keine Kurse, sondern Schwerpunkte, so genannte "Profile" gewählt. Es soll eine breitere Allgemeinbildung als das spezialisierte Lernen im Kurssystem ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Seitdem 1972 beschlossen wurde, für die gymnasiale Oberstufe in Deutschland ein Kurssystem einzuführen, hat es - insbesondere in den letzten Jahren - zahlreiche Versuche gegeben, dieses System weiterzuentwickeln. In der Tendenz führt dies zu einer Einschränkung der anfangs sehr weitreichenden Wahlmöglichkeiten für die Schüler. Zu diesen Weiterentwicklungen gehört auch die sogenannte Profiloberstufe, bei der (mindestens) ein Leistungskurs und (mindestens) ein Grundkurs miteinander gekoppelt sind und ein Profil bilden. Die dabei entstehenden festen Lerngruppen sollen zu einer homogeneren Kurslandschaft der Oberstufe führen. Aufgrund des Klassensystems gibt es in der Profiloberstufe meist größere Lerngruppen, was einerseits zu finanziellen Entlastungen der Länder führt, andererseits den Lernfortschritt der Schüler behindert.
Geschichte
In Hamburg gab es 1993-99 einen wissenschaftlich begleiteten Schulversuch zur Profiloberstufe an der Max-Brauer-Schule.
Beschlossen wurde eine flächendeckende Einführung der Profiloberstufe zum Schuljahr 2004/05 in Bremen und Nordrhein-Westfalen.
In Niedersachsen trat zum Schuljahr 2006/07 eine Profiloberstufe in Kraft, bei der innerhalb eines Profils das Unterrichtsprogramm weitgehend vorgegeben ist.
Die norddeutschen Länder Schleswig-Holstein und Hamburg haben in Kooperation eine Profiloberstufe entwickelt, die in Schleswig Holstein seit dem Schuljahr 2008/09 und in Hamburg seit dem Schuljahr 2009/2010 besteht. Sie besteht aus einem Bereich mit Basiskompetenzfächern, einem von der jeweiligen Schule auszugestaltenden Profilbereich sowie weiteren Pflichtfächern. Eine Differenzierung in Grund- und Leistungskurse entfällt, in Hamburg können die Kernfächer Deutsch, Englisch und Mathematik jedoch auf zwei Anforderungsniveaus angewählt werden.
Folgen
Die Einführung von Profiloberstufen stellt eine Rationalisierungsmaßnahme dar, mit der Ressourcen gebündelt und fächerübergreifendes Arbeiten erleichtert werden soll, da der Schüler nun einen bestimmten Themenkomplex aus verschiedenen Perspektiven beleuchten kann. Dies geschieht allerdings mit Einschränkung seiner Wahlmöglichkeiten z.T. schon in der Einführungsphase der Oberstufe (also vor der eigentlichen Kursstufe).
Da die Schüler nun zwangsweise in größeren Unterrichtsgruppen zusammengefasst werden, spart der Staat Lehrerstunden ein.
Profiloberstufe in Schleswig-Holstein
Die Profiloberstufe wurde in Schleswig-Holstein zum Schuljahr 2008/09 eingeführt. Das erste Schuljahr der Profiloberstufe wird als „Einführungsphase“ bezeichnet, die beiden folgenden Schuljahre als „Qualifikationsphase“. Am Ende der Einführungsphase (Übergang 11./12. Klasse bei G9) gibt es ein Ganzjahreszeugnis, das über die Versetzung in die Qualifikationsphase entscheidet. Danach sind die Zeugnisse dagegen immer einzelne Halbjahreszeugnisse, mit denen bereits Punkte für das Abitur gesammelt werden. Die Versetzung in die Qualifikationsphase erfolgt wenn die Leistungen in allen Fächern mindestens „ausreichend“ (4 Punkte) sind. Andernfalls kann die Zeugniskonferenz die Versetzung beschließen, sofern eine erfolgreiche Mitarbeit in der Qualifikationsphase als wahrscheinlich erachtet wird. Die Schulfächer werden in die drei Aufgabenfelder „sprachlich-literarisch-künstlerisch“, „gesellschaftswissenschaftlich“ und „mathematisch-naturwissenschaftlich“ eingeteilt. Zusätzlich gibt es die sogenannten „Kernfächer“ Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache. Diese Einteilung beeinflusst die mögliche Auswahl von Prüfungsfächern im Abitur
Die Schulen können grundsätzlich „naturwissenschaftliche“, „sprachliche“, „gesellschaftwissenschaftliche“, „ästhethische“ und „sportliche“ Profile anbieten. Ein Profil besteht mindestens aus den drei Kernfächern, einem „profilgebenden" Fach, welches aus dem Aufgabenfeld des Profiles stammen muss (z.B.: ästhetisches Profil: Kunst) und zwei „profilergänzenden“ Fächern, die aus beliebigen Aufgabenfeldern stammen können und für die Zeit ihrer „Profilzugehörigkeit“ eine gemeinsame thematische Ausrichtung mit dem Profil gebenden Fach haben sollen. Die profilergänzenden Fächer ergänzen ein Halbjahr lang, können aber beliebig oft als profilergänzende Fächer ausgewählt werden. Die Kernfächer und das Profil gebende Fach werden in der Einführungsphase dreistündig, in der Qualifikationsphase vierstündig unterrichtet. In den Kernfächern sowie im profilgebenden Fach müssen pro Halbjahr zwei Klassenarbeiten geschrieben werden, in den übrigen Fächern muss eine Klassenarbeit geschrieben werden. Die Fächerkonstellationen werden von der Schule vorgegeben, bis auf die Wahl des Profils gibt es in der Regel keine direkten (Ab-)Wahlmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler(Ausnahme: Religionsunterricht). Die Regelstundenzahl beträgt die ganze Oberstufe durchgehend 34 Stunden, der Unterricht findet grundsätzlich im Klassenverband statt.
Die Abiturprüfung besteht aus fünf Prüfungen in unterschiedlichen Fächer. Zwei Schriftliche Prüfungen müssen in den Kernfächern abgelegt werden, eine im Profil gebenden Fach. Bei den Prüfungen in den Kernfächern handelt es sich um Zentralabitur. Das dritte Kernfach darf kein weiteres Prüfungsfach sein. Die anderen zwei Prüfungsfächer können vom Schüler gewählt werden, allerdings müssen alle drei Aufgabenfelder abgedeckt sein. In einem dieser vom Schüler ausgewählten Prüfungsfächer muss eine mündliche Prüfung abgelegt werden, in dem anderen können die Schüler sich zwischen einer Präsentationsprüfung, einer schriftlichen oder einer „besonderen Lernleistung“ entscheiden. Die Abiturprüfung geht zu 1/3 in die Endnote ein. Alle ins Abitur mit eingebrachten Ergebnisse aus der Qualifikationsphase werden gleich gewertet.[1][2]
Kritik
Neben der hohen Stundenbelastung in allen Oberstufenjahren wird vor allem die Einschränkung der Wahlfreiheit von Eltern, Schülern und Lehrkräften kritisiert. Außer im Fach Religion, das aus gesetzlichen Gründen weder wegfallen noch alternativlos sein darf, waren zunächst keine Fächerwahlen möglich. Nach massiven Protesten räumte das "Ministerium für Bildung und Frauen" den einzelnen Schulen ab April 2009 die Entscheidungskompetenz darüber ein, ob die ästhetischen Fächer (Kunst+Musik) im Klassenverband (und somit an das Profil gekoppelt) oder in Kursen (und somit für Schüler wählbar) unterrichtet werden sollen.[3]
Weiterhin wird kritisiert, dass nach dem elften Jahrgang mindestens ein Unterrichtsfach wegfällt. Da nur die Fächer, die die gesamte Oberstufe hindurch belegt werden, als Abiturfächer gewählt werden können, stellt dies für viele Schüler einen erheblichen Nachteil dar, wenn beispielsweise ihr bestes naturwissenschaftliches Fach wegfällt, sie diesen Bereich aber nicht durch andere Fächer im Abitur abgedeckt haben.
Von einigen Seiten wird kritisiert, dass in der Profiloberstufe zwei Fremdsprachen belegt werden müssen und nicht mehr wie in der Kursoberstufe lediglich eine. Somit wird das Abitur von einigen als schwieriger eingestuft, womit eine eindeutige Vergleichbarkeit zum alten Abitur nicht mehr gegeben sei.
Im Februar 2010 reichten die Schulsprecher der vier Norderstedter Gymnasien einen Beschwerdebrief an den Bildungsminister Ekkehard Klug ein. Sie kritisierten neben mangelnder Wahlmöglichkeiten, Entmündigung der Schüler und Unterricht in zu großen Klassen eine zu hohe Arbeitsbelastung. Ursache für diese sei ein Anstieg von 26 auf 34-38 Wochenstunden in 13 Fächern, 32 Klassenarbeiten im Jahr und fünf statt nur vier Abiturprüfungen. Durch die hohe Arbeitsbelastung bliebe kaum Zeit für Nebenjobs, Hobbys und soziale Kontakte, sodass "die komplette Jugend verloren ginge". Ebenfalls würden Schüler eine Verschlechterung des Notendurchschnittes befürchten, da leistungsschwache Fächer nicht abgewählt werden können und im Gegensatz zum Kurssystem, bei welchem die Leistungskurse stärker gewertet wurden, alle Fächer gleichwertig ins Abitur eingehen. Zudem führe der Entfall von Grund- und Leistungskursen zu großen Leistungsunterschieden. So wären die Schüler, die in diesem Fach Abitur machen möchten, nur mangelhaft vorbereitet, wenn ein Lehrer seinen Unterricht so ausrichtet, dass auch leistungsschwächere Schüler dem Unterricht folgen können. Weiter wird der Profiloberstufe vorgeworfen, dass trotz der Bezeichnung "Profil" keine Spezialisierungen erfolge. So würden an einer Schule z.B. im naturwisschenschaftlichen Profil die Fächer aus dem naturwissenschaftlichen Aufgabenfeld reduziert werden, nicht aber aus den anderen Aufgabenfeldern. [4]
In Reaktion auf die Kritik soll die Profiloberstufe mit dem Schuljahr 2010/11 reformiert werden. So soll es in Zukunft nur noch vier Prüfungsfächer und zudem mehr individuelle Wahlmöglichkeiten bei weniger Unterricht geben.[5]
Vergleich mit Entwicklungen in anderen Ländern
Die Einrichtung von Profilen, die den verschiedenen Neigungen der Schüler möglichst entsprechen sollen (literarisch-sprachlich-künstlerisch, gesellschaftswissenschaftlich, mathematisch-naturwissenschaftlich) erinnern an das ebenfalls in Profilen (séries) organisierte System der Oberstufe in Frankreich, wo sich der Schüler zwischen der série littéraire (literarisches Profil), der série économique et sociale (wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Profil) und série scientifique (naturwissenschaftliches Profil) entscheiden muss. Mit diesem einfachen System wurde 1993 das nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene System verschiedenster Profile radikal vereinfacht. Genau diese Vereinfachung ist auch der Grund für die Einführung der Profiloberstufe in mehreren deutschen Bundesländern.
Eine gegenläufige Tendenz ist dagegen in der Schweiz festzustellen, wo 1995 beschlossen wurde, die bislang üblichen Profile zugunsten eines Wahlfachsystems abzuschaffen.
Weblinks
- DER RAVENSBERG Kiel (Pilotversuch in Schleswig-Holstein)
- Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen
- Senator für Bildung und Wissenschaft Bremen
- Infos der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung zur Profiloberstufe
Einzelnachweise
- ↑ Landesverordnung über die Gestaltung der Oberstufe und Abiturprüfung in den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. vom 2. Oktober 2007
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- ↑ Hamburger Abendblatt Schülersprecher: "Wir werden total entmündigt!"
- ↑ Hamburger Abendblatt Ärger um Profiloberstufe - jetzt plant Kiel die Reform der Reform
Kategorien:- Gymnasiales System
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