Progerie

Progerie
Beim Hutchinson-Gilford-Syndrom (links) führt eine Mutation zu einer Deformation des Zellkerns (rechts unten). Zum Vergleich ein normaler Zellkern (rechts oben)

Progerie auch Progeria (hergeleitet von altgriechisch πρό pró „vor“, „für“ und altgriechisch γέρων géron „Greis“; wörtlich: „frühes Alter“), im engeren Sinn das Hutchinson-Gilford-Syndrom (HGPS), auch Progeria Infantilis genannt, ist ein Krankheitszeichen verschiedener Erbkrankheiten, die bei Kindern mit einem überschnellen Altern einhergehen (Bloom-Syndrom, Cockayne-Syndrom, Hutchinson-Gilford-Syndrom, Xeroderma pigmentosum). Das Krankheitsbild wurde erstmals 1886 von Jonathan Hutchinson und Hastings Gilford beschrieben. Auffälligstes Merkmal ist eine vorzeitige Vergreisung der betroffenen Kinder.

Daneben gibt es auch die Form der Progeria adultorum (Werner-Syndrom), die bei Erwachsenen etwa ab der Lebensmitte zu einem beschleunigten Alterungsprozess führt.

Inhaltsverzeichnis

Krankheitsanzeichen

Die von dieser Erkrankung betroffenen Kinder werden ohne Auffälligkeiten geboren und entwickeln erste Symptome im Alter von sechs bis zwölf Monaten. Symptome sind Haarausfall, Arterienverkalkung, Kleinwuchs, kraniofaziale Disproportion, weiterhin Verlust des Unterhaut-Fettgewebes und Osteoporose.

Krankheitsverlauf

Das Altern der Betroffenen verläuft fünf- bis zehnmal schneller als bei Menschen ohne diese Krankheit. Die häufigsten Todesursachen sind Herzinfarkt und Schlaganfall, die bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten. Viele Phänomene des normalen Alterns treten bei Kindern mit HGPS jedoch nicht auf; so ist das Tumorrisiko nicht relevant gesteigert, und auch neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit treten nicht gehäuft auf. HGPS ist damit also keine exakte Kopie des üblichen Alterungsprozesses. Die Lebenserwartung liegt bei 14 Jahren, weltweit leben etwa 50 Kinder mit diagnostizierter HGPS (Stand: 2011). Die Häufigkeit der Erkrankung wird mit ca. 1:8.000.000 geschätzt.

Ursache

Ursache für Progerie ist eine Punktmutation im ZMPSTE24-Gen, welches für das Protein Lamin A (ein Strukturprotein der inneren Zellkernmembran) codiert. Meistens findet eine Mutation im Codon 608 auf Chromosom 1 Genlocus q23 statt, welche das Trinucleotid GGC in GGT ändert. Seltener findet man eine Änderung des Codons 608 in AGT oder eine Mutation des Codon 145. Die Mutation führt zu einem veränderten Splicing des Lamin-A-Gens und schließlich zu einem um 50 Aminosäuren verkürzten Protein. Hierdurch wird die Prozessierung des Vorläuferproteins Prälamin A zu Lamin A gestört. Lamin A ist Bestandteil einer Proteinkette, die an zahlreiche andere Proteine des Zellkerns und der Zellkernmembran sowie an Transkriptionsfaktoren und die DNA bindet. Es nimmt eine stabilisierende Funktion des Zellkerns sowie regulatorische Funktionen wahr. Unter anderem nimmt es an der Aktivierung von Genen teil. Die Vererbung der Hutchinson-Gilford-Progerie ist autosomal-dominant. Bereits ein defektes Allel reicht aus um die Erkrankung zu verursachen. Dies liegt an der Kettenstruktur, die durch Lamin A gebildet wird. Bereits einige wenige defekte Lamin-A-Proteine führen zur Instabilität der gesamten Kette. Die Zellkerne der Menschen mit HGPS sind daher zum großen Teil deformiert.[1]

Da die Kinder in der Regel das reproduktionsfähige Alter nicht erreichen, handelt es sich bei einer Neuerkrankung praktisch immer um eine Spontanmutation im Lamin-A-Gen (dominanter Letalfaktor). Wenige erbliche Fälle der HGPS sind beschrieben worden. Häufig haben diese Kinder jedoch nicht das typische Bild der Erkrankung, sondern Varianten mit weiteren klinischen Auffälligkeiten und einer anderen Lebenserwartung. Hier sind auch autosomal-rezessive Vererbungen beschrieben worden; teils durch andere Mutationen im Lamin-A-Gen, teils durch Mutationen in Genen die an der Reifung (Prozessierung) eines Vorläuferproteins, des Prälamin A, zu Lamin A mitwirken. Ein Beispiel einer solchen Erkrankung ist die homozygote Mutation im Gen der Zink-Metalloprotease 24 (CAAX-Prenylprotease 1), die zwei wichtige Schritte der Lamin-A-Prozessierung durchführt.

Sonstiges

Eine der Hauptfiguren der Otherland-Romane von Tad Williams, Orlando Gardiner, leidet an Progerie.

Literatur

  • M. A. Merideth u. a.: Phenotype and Course of Hutchinson-Gilford Progeria Syndrome. In: New England Journal of Medicine. Nr. 358, 2008, S. 592–604 (Abstract).
  • Michael Schophaus: Zu jung, um alt zu sein: Die Geschichte einer rätselhaften Krankheit. 2004 (ISBN 3-442-31073-3)
  • Bruno Schrep: Warum mein Kind? In: Der Spiegel Nr. 38 vom 16. September 2002, S. 178ff.

Filme

  • Sarahs kurzes Leben (2003/ORF) von Manfred Corrine
  • Sabrina – Zu jung um alt zu sein (2000/ Schweizer Fernsehen) von Elsbeth Leisinger
  • Paa – A very Rare Father-Son, Son-Father Story (2009) von R. Balki

Weblinks

 Commons: Progerie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. M. Eriksson u. a.: Recurrent de novo point mutations in lamin A cause Hutchinson-Gilford progeria syndrome. In: Nature 423, 2003, S. 293–298. PMID 12714972
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