- Progrediente Enzephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonien
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Als Stiff-Man-Syndrom (SMS) oder auch Stiff-Person-Syndrom wird eine seltene neurologische Erkrankung bezeichnet, die durch eine generalisierte Tonuserhöhung der Muskulatur gekennzeichnet ist. Es handelt sich um eine Autoimmunkrankheit, die spontan oder auch als paraneoplastisches Syndrom auftreten kann.
Inhaltsverzeichnis
Symptome
Charakteristisch für das SMS ist eine über Monate bis Jahre zunehmende Tonuserhöhung der Muskulatur; zusätzlich treten in den betroffenen Muskeln spontan oder getriggert Krämpfe auf. Meist sind die Rücken- und Hüftmuskulatur symmetrisch betroffen. Während bei einigen Patienten der Tonus der Muskulatur nur leicht gesteigert ist, ist bei anderen die Rückensteifigkeit derart ausgeprägt, dass sie die Rumpfbeugung einschränkt. Auch eine Verstärkung der Lendenlordose ist Folge der erhöhten Anspannung der Rückenmuskulatur. Die Symptomatik kann vor allem zu Beginn fluktuieren, im Verlauf ist die Steifigkeit häufig permanent vorhanden. Der Gang kann durch die unwillkürlich erhöhte Anspannung von Hüft- und Beinmuskulatur verlangsamt werden und vorsichtig und ungeschickt erscheinen. Die Krämpfe können durch externe und interne Stimuli (beispielsweise Berührung, Bewegung, plötzliche Geräusche, Ärger, Furcht) getriggert werden und betreffen häufig – auch nach unilateraler Stimulation – beide Körperhälften. Die Krämpfe beginnen typischerweise mit einer kurzen unwillkürlichen Muskelkontraktion (Myoklonus), auf die dann die anhaltende (tonische) und schmerzhafte Kontraktion des Muskels folgt.
Varianten des Stiff-Man-Syndroms
Das SMS bildet ein Syndrom aus einem weiter zu fassenden klinischen Spektrum, dem auch das fokale SMS (auch Stiff-Limb-Syndrom oder Stiff-Leg-Syndrom (SLS) genannt), die progrediente Encephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonien (PERM) sowie das paraneoplastische SMS zuzurechnen sind. Die Varianten des SMS unterscheiden sich hauptsächlich hinsichtlich der betroffenen Muskulatur und des Vorhandenseins weiterer krankhafter neurologischer Befunde. Dem paraneoplastischen SMS liegt – anders als den anderen Varianten – eine Krebserkrankung zugrunde. Ein SLS kann im Verlauf in ein SMS übergehen, aus diesem wiederum kann sich auch nach Jahren noch eine PERM entwickeln.
Diagnose
Die Diagnose stützt sich auf die Anamnese, die klinisch-neurologische Untersuchung, die elektromyographische Untersuchung und auf den labormedizinischen Nachweis von Antikörpern gegen körpereigene Proteine (Autoantikörper).
Elektromyographisch findet sich eine kontinuierliche Aktivität motorischer Einheiten. Sie ist der Grund für den erhöhten Tonus der Muskulatur und ist auch dann nachweisbar, wenn der Patient versucht, sich gänzlich zu entspannen. Dagegen ist die kontinuierliche Aktivität im Schlaf, während einer Spinalanästhesie sowie während einer Narkose weniger stark ausgeprägt.
Labormedizinisch werden serologisch bei 60–90 % der Patienten mit SMS Antikörper gegen das Enzym Glutamatdecarboxylase (englisch.: glutamic acid decarboxylase, GAD) gefunden. Dieses Enzym ist für die Synthese des Neurotransmitters γ-Aminobuttersäure (GABA) in Nervenzellen notwendig. Autoantikörper gegen GAD kommen jedoch nicht nur beim SMS vor, sondern auch bei anderen Erkrankungen wie beispielsweise dem durch das Immunsystem vermittelten Typ 1 Diabetes. Bei Patienten mit paraneoplastischem SMS können Antikörper gegen das Protein Amphiphysin gefunden werden. Amphiphysin-Antikörper kommen auch bei anderen paraneoplastischen Erkrankungen wie der Paraneoplastischen Encephalomyelitis (PEM) vor. Der Nutzen von Antikörpertitern in Serum und Liquor als Marker für den Krankheitsverlauf bleibt fraglich.[1]
Therapie
Die am Krankheitsmechanismus orientierte Therapie hat im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte. Zum Einen wird versucht, die GABA-abhängige Hemmung im zentralen Nervensystem zu verstärken. Hierfür können Benzodiazepine und Baclofen eingesetzt werden. Zum Anderen soll über eine Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression) der vermutete autoimmune Prozess abgeschwächt werden. Therapiemaßnahmen dieser Art umfassen die Gabe von intravenösen Immunglobulinen, die Plasmapherese, die Gabe von Methylprednisolon sowie die Therapie mit Rituximab. Falls Antikörper gegen Amphiphysin-Proteine in Serum und Liquor gefunden werden, muss nach einer ursächlich zugrunde liegenden Tumorerkrankung gesucht werden (meist liegt ein Mammakarzinom oder ein Bronchialkarzinom vor). Wird ein Tumor gefunden, so ist er gemäß onkologischen Leitlinien zu behandeln.
Medizingeschichte
Erstmals findet sich die Bezeichnung „stiff-man-syndrome“ bei den Neurologen F. Moersch und H. Woltman, die 1956 über 14 Fälle mit „progredienter fluktuierender Muskelsteifigkeit und Krämpfen“ berichteten.[2] 1988 entdeckte die Arbeitsgruppe um M. Solimena als erste Antikörper gegen das Enzym Glutamatdecarboxlase im Serum und Liquor eines Patienten mit SMS.[3]
Literatur
- Meinck HM, Thompson PD: Stiff man syndrome and related conditions. Mov Disord. 2002 Sep;17(5):853–66. PMID 12360534
- Espay AJ, Chen R: Rigidity and spasms from autoimmune encephalomyelopathies: stiff-person syndrome. Muscle Nerve. 2006 Dec;34(6):677–90. PMID 16969837
Einzelnachweise
- ↑ Rakocevic et al.: Anti-glutamic acid decarboxylase antibodies in the serum and cerebrospinal fluid of patients with stiff-person syndrome: correlation with clinical severity. Arch Neurol. 2004;61(6):902-4. PMID 15210528 Volltext
- ↑ Moersch FP, Woltman HW: Progressive fluctuating muscular rigidity and spasm ("stiff-man" syndrome); report of a case and some observations in 13 other cases. Proc Staff Meet Mayo Clin. 1956 Jul 25;31(15):421–7. PMID 13350379
- ↑ Solimena M et al: Autoantibodies to glutamic acid decarboxylase in a patient with stiff-man syndrome, epilepsy, and type I diabetes mellitus. N Engl J Med. 1988 Apr 21;318(16):1012–20. PMID 3281011
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