Prozesstechnologie

Prozesstechnologie

Verfahrenstechnik bezeichnet alle Prozesse in Technik und Wirtschaft, in denen aus einem Rohmaterial ein Produkt geschaffen wird. Sie steht zwischen der Gewinnung der Rohstoffe und der Herstellung von Fertigprodukten. Auch die Wiedergewinnung (Recycling) von Rohstoffen aus Abfall und Müll fällt in den Aufgabenbereich der Verfahrenstechnik. In Angleichung an den englischen Sprachgebrauch wird die Verfahrenstechnik oft als Chemie-Ingenieur-Technik bezeichnet.

Ein Beispiel für Verarbeitung ist die Herstellung von Metall aus Erz. Das Rohmaterial eines Verarbeitungsprozesses kann dabei selbst das Produkt einer vorhergegangenen Verarbeitung sein, und das Produkt weiter verarbeitet werden.

Die Verfahrenstechniken umfassen den Begriff, auf den im Rechtswesen allgemein als Verarbeitung Bezug genommen wird, in Unterscheidung zur Bearbeitung (Fertigungsverfahren)

Inhaltsverzeichnis

Verfahrenstechnik und Ingenieurwissenschaft

Laut Definition der Gesellschaft für Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) beschäftigt sich die Verfahrenstechnik mit der technischen und wirtschaftlichen Durchführung aller Prozesse, in denen Stoffe nach Art, Eigenschaft und Zusammensetzung verändert werden. Es handelt sich um die Ingenieurwissenschaft der Stoffumwandlung. Die Realisierung der im verfahrenstechnischen Ingenieurprozess entwickelten und geplanten Anlage wird als Anlagenbau bezeichnet.

Arbeitsmittel und Gliederung der Verfahrenstechnik

Die Verfahrenstechnik hat sich von ihren Anfängen im Rohrleitungs- und Kesselbau hin zu einer interdisziplinären Wissenschaft entwickelt. Heute werden für die Auslegung der Prozesse neben

  • den Natur- und Materialwissenschaften für die Beschreibung des Prozesses und seiner stofflichen Auswirkungen, auch
  • die Wirtschafts-, Sozial-, Politik-, und Rechtswissenschaften für die Akzeptanz, die Rahmenbedingungen und den Betrieb des Prozesses

benötigt. Weiterhin wird für die Umsetzung des Prozesses im Anlagenbau auf alle anderen Ingenieurswissenschaften zurückgegriffen.

Verfahrenstechnische Anlagen produzieren zwischen wenigen Gramm und mehreren hunderttausend Tonnen pro Jahr. Produziert werden einfache chemische Substanzen bis hin zu komplizierten Bauteilen. Um die Fülle an Prozessen beschreiben zu können, werden sie in physikalische nicht mehr sinnvoll trennbare Grundoperationen (en: unit operations) mit nur einem physikalischen Vorgang, wie Mischen oder Verdampfen, zerteilt. Verfahrensschritte, die eine räumlich untrennbare Kombination mehrerer Grundoperationen sind, werden meist auch als Grundoperationen bezeichnet. Klassen von verfahrenstechnischen Grundoperationen sind zum Beispiel:

Diese Grundoperationen werden aneinandergereiht und ergeben den Gesamtprozess. Ein derart gestalteter Prozess ist berechenbar und betreibbar, aber nicht energie- und platzoptimiert. Der Kostendruck in der Industrie und die besseren Simulations- und Analysemöglichkeiten sowie das bessere physikalische Verständnis führen dazu, dass immer mehr Grundoperationen heute in einem Prozessschritt kombiniert werden. Für das Verständnis des Gesamtzusammenhangs ist eine Betrachtung des Prozesses in getrennten physikalischen Grundschritten jedoch sinnvoll. Die Verfahrenstechnik gliedert sich daher immer noch

  • entlang der physikalischen Vorgänge der Grundoperationen in
    • mechanische Verfahrenstechnik,
    • chemische Verfahrenstechnik,
    • thermische Verfahrenstechnik und
    • den sonstigen Verfahren, die meist als physikalische Verfahren der chemischen Verfahrenstechnik zugeschlagen werden,
  • der nicht überschaubaren Anzahl von nicht trennbaren Verfahren wie
    • biologische Verfahrenstechnik,
    • Grenzflächenverfahrenstechnik und
    • Membranverfahrenstechnik und
  • den benötigten Hilf-, Umsetzungs- und Spezialdisziplinen, wie
    • Leit- und Steuertechnik,
    • Anlagenbau und
    • kerntechnische Verfahrenstechnik.

Eine andere, ältere Gliederung geht von den Stoffgruppen aus: Lebensmittelverfahrenstechnik, Kunststoffverfahrenstechnik, usw.

In der Pharmazie wird die Verfahrenstechnik als Galenik; in der Apotheke als Rezeptur bezeichnet (alt: Arzneiformenlehre). Industriell wird sie als Aufbereitungstechnik oder als pharmazeutische Technologie bezeichnet.

Abgrenzung zu anderen Wissenschaften

Grundsätzlich gilt: jede Prozessentwicklung, bei der ein Stoffstrom betroffen ist, beinhaltet Verfahrenstechnik. Sie ist daher ein meist nicht genannter Bestandteil jeder Wissenschaft. Die Verfahrenstechnik betont das Verfahren an sich und versucht es mit den gegebenen Randbedingungen zu optimieren. In anderen Disziplinen wird meist von einem gegebenen Prozess ausgegangen, da der Schwerpunkt auf anderen Aspekten liegt.

Die Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit dem gleichen Gegenstand wie die Naturwissenschaften und benutzt ihre Werkzeuge. Im Gegensatz zur Naturwissenschaft versucht die Verfahrenstechnik jedoch nicht einen neuen Zusammenhang offenzulegen sondern einen erkannten Zusammenhang technisch nutzbar zu machen. Hierbei entstehende neue Fragen führen meist zu einer engen Kooperation mit den Naturwissenschaften bei der Auslegung neuer Prozesse.

Verfahrenstechniker benutzen die Werkzeuge der Ingenieurswissenschaften. Sie legen den Raum und die Bedingungen fest, unter denen ein Prozess abläuft. Für die eigentliche Maschine ist der Maschinenbauer oder Bauingenieur zuständig. Sie werden vom Verfahrenstechniker beauftragt. Die Verfahrenstechnik kann mit der Fertigungstechnik (Formänderung) und der Energietechnik (Energieumwandlung) auch als ein Teil der Produktionstechnik angesehen werden und ist daher Teil des Maschinenbaus.

Das Chemieingenieurwesen ist eine Disziplin der Verfahrenstechnik, welche einen Schwerpunkt auf die Chemie legt. Die Umwelttechnik legt den Schwerpunkt hingegen auf rechtliche, toxikologische, und logistische Aspekte der Ver- und Entsorgung.

Teildisziplinen

Mechanische Verfahrenstechnik

Kleiner Fliehkraftabscheider in einer Mühle

Die mechanische Verfahrenstechnik versteht sich als Anwender der Mechanik bzw. der Strömungsmechanik. Sie beschäftigt sich daher mit Stoffwandlungsprozessen, die auf mechanischer Einwirkung beruhen. Die vier Prozesshauptgruppen sind Zerkleinern und Agglomerieren sowie Mischen und Trennen (Filter, Siebe).

Historisch liegen ihre Wurzeln im Rohrleitungsbau und in der Feststoffverfahrenstechnik. Traditionell werden daher meist auch Lagern, Fördern und Dosieren von Feststoffen, Schüttgütern und flüssigen Gütern (z.B. Förderung durch Pumpen) der mechanischen Verfahrenstechnik zugeschlagen.

Thermische Verfahrenstechnik

Die thermische Verfahrenstechnik versteht sich als angewandte Thermodynamik. Der wichtigste Prozess ist daher die Destillation sowie die mit den gleichen Methoden beschreibbaren Prozesse Extraktion und Absorption.

Da es sich bei der von der thermischen Verfahrenstechnik vertretenden Thermodynamik um ein überall benötigtes Werkzeug handelt, werden außer der Ermittlung von thermodynamischen Stoffdaten alle aus ihr erwachsenen Prozesse meist nicht mehr zu der thermischen Verfahrenstechnik gezählt. Im Einzelfall entscheidet die historische Entwicklung vor Ort.

Chemische Verfahrenstechnik

Blick auf das BASF-Werk von Norden

Die chemische Verfahrenstechnik (Chemische Reaktionstechnik) beschäftigt sich mit Stoffwandlungen durch chemische Reaktionen und bildet das stärkste Bindeglied der Verfahrenstechnik zur Chemie. Insbesondere wird der Übergang vom Labormaßstab der Chemie zum technischen Maßstab untersucht. Das beinhaltet beispielsweise die Errichtung von Pilotanlagen und die Untersuchung von Kinetiken. Der Chemieingenieur leistet somit maßgebliche Arbeit bei der Umsetzung von Laborergebnissen im Produktionsprozess.

Bioverfahrenstechnik

Faulturm

Die Bioverfahrenstechnik beschäftigt sich mit Stoffwandlungen durch biologische Prozesse, wie Gärung.

Ein wichtiges, neues Teilgebiet ist die „Weiße Biotechnologie“. Hierbei ersetzen enzymatische Produktionsverfahren chemische Verfahren mit klassischen Katalysatoren. Die Enzyme werden als extrahierte Enzyme oder aber auch als lebende Zellen verwendet. Biotechnologische Prozesse zeichnen sich durch Prozessbedingungen bei niedrigen Temperaturen (20 °C bis 50 °C) und Umgebungsdruck sowie einer geringen Reaktionsgeschwindigkeit aber einer sehr hohen Selektivität aus. Bei industriellen Prozessen für gebräuchliche Komponenten sind daher Reaktoren von manchmal mehr als 1000 m³ nötig. Für viele Prozesse der chemischen Industrie sind noch keine biotechnologischen Verfahren bekannt oder die bekannten besitzen eine zu langsame Kinetik, sodass auf klassisch chemische Prozesse zurückgegriffen wird. Neue und verbesserte Prozesse führen zu einem verstärkten Einsatz in der Papier-, Chemie- und Pharmaindustrie sowie im Lebensmittel-, Kosmetik-, und Textilbereich.

Dem gegenüber steht die „Rote Biotechnologie“. Sie beinhaltet alle biologischen Herstellungsprozesse zu denen es keine klassisch chemischen Alternativprozesse gibt. Rot steht hierbei für Blut und deutet die Ausrichtung auf den medizinisch-pharmazeutischen Sektor an.

Klassische biologische Prozesse wie die biologische Klärstufe im Klärwerk, die Erzeugung von Biogas oder die Vergärung von Bier und Wein werden meist nicht als Biotechnologie wahrgenommen und weder als weiße, noch als rote Biotechnologie bezeichnet.

Nanotechnik

Bild der Oberfläche eines Ferrofluids im magnetischen Feld.

Die Nanotechnik oder Nanotechnologie ist ein noch junges Gebiet welches sehr interdisziplinär Gebiete aus der Physik, der Chemie, der Biologie und der Verfahrenstechnik vereint. Es beschäftigt sich mit Stoffen und Systemen, deren Größe unter Umständen nur aus wenigen Molekülen bestehen. Für die Verfahrenstechnik ist die Nanopartikeltechnik von besonderer Bedeutung. Aufgrund der kleinen geometrischen Ausdehnung von Nanopartikeln besitzen sie spezielle optische und elektronische Eigenschaften, welche besondere Messverfahren erforderlich machen, jedoch auch zu neuen Anwendungen führen können.


Siehe auch

Literatur

Bücher
  • Peter Grassmann: Physikalische Grundlagen der Chemie-Ingenieur-Technik. Sauerländer, Frankfurt am Main, 1961.
  • Eckhart Blaß: VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen GVC – gestern-heute-morgen. Saur, Düsseldorf 1984.
  • Horst Chmiel (Hrsg.): Bioprozesstechnik. 2. Auflage. Spektrum, München 2006, ISBN 3-8274-1607-8.
  • Hans Günther Hirschberg: Handbuch Verfahrenstechnik und Anlagenbau. Chemie, Technik, Wirtschaftlichkeit. Springer, Berlin und Heidelberg 1999, ISBN 3-540-60623-8.
Artikel
  • Burkard Lotz: Der Begriff „schlüsselfertig“ im Anlagenbau. In: Betriebs-Berater. 1996, S. 544ff.
  • Burkard Lotz: Der Konsortialvertrag des Anlagenbaus im In- Und Ausland. In: Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht. 1996, S. 233ff.
  • Burkard Lotz: Haftungsbeschränkungen in Anlagenverträgen. In: Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht. 2003, S. 424ff.
Zeitschriften
  • Verfahrenstechnik – Zeitschrift für Planung, Bau und Betrieb von Apparaten und Anlagen. Vereinigte Fachverlage, Mainz, ISSN 0175-5315.
  • Chemie Ingenieur Technik – Verfahrenstechnik, Technische Chemie, Apparatewesen, Biotechnologie. Herausgeber: Dechema, GDCh, VDI. Wiley-VCH, Weinheim, ISSN 0009-286X.

Weblinks


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