- Strafrecht
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Das Strafrecht, auch als Kriminalrecht bezeichnet, umfasst im Rechtssystem eines Landes diejenigen Rechtsnormen, durch die bestimmte Handlungen verboten und mit einer Strafe als Rechtsfolge verknüpft werden. Als Ziel des Strafrechts gilt vor allem der Schutz bestimmter Rechtsgüter wie beispielsweise Leben und Eigentum sowie Sicherheit und Integrität des Staates und elementarer Werte des Gemeinschaftslebens. Mögliche Strafen, die jedoch nicht in allen Ländern praktiziert werden, sind unter anderem die Geldstrafe, die Freiheitsstrafe, die Körperstrafe sowie als schwerwiegendste Form die Todesstrafe.Das Strafrecht ist in den meisten Ländern in Form eines eigenen Strafgesetzbuches und gegebenenfalls weiterer Nebengesetze definiert. Teil des Strafrechts sind insbesondere Rechtssätze, durch welche die strafbaren Handlungen und ihre Merkmale, Art und Schwere der damit verbundenen Strafmaßnahmen sowie die für die Durchsetzung des Strafrechts zuständigen Institutionen und ihre Arbeitsweise festgelegt sind. Hinsichtlich dieser Aspekte, der zulässigen Strafen, der Bewertung des Strafzwecks, Art und Umfang der zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen sowie der Einordnung des Strafrechts in die Rechtssystematik gibt es jedoch zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Rechtssystemen einzelner Länder, die Gegenstand der vergleichenden Rechtswissenschaft sind.
Inhaltsverzeichnis
Einzeldarstellungen
Strafrecht einzelner Staaten oder Länder
- Strafrecht (Deutschland) (siehe auch Strafgesetzbuch (Deutschland))
- Strafrecht (Österreich) (siehe auch Strafgesetzbuch (Österreich))
- Strafrecht (Schweiz), (siehe auch Strafgesetzbuch (Schweiz))
- Strafrecht (England und Wales)
- Strafrecht (Frankreich)
- Strafrecht (Singapur)
Zwischenstaatliche und internationale Aspekte des Strafrechts
Allgemeine Lehren
Systematisierung der Straftat
Asiatischer Rechtsraum
- China
Mit der langen eigenen chinesischen Rechtstradition wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten der Rezeption des deutschen bzw. japanischen Rechts gebrochen. Man übernahm den klassischen deutschen Aufbau der Straftat in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. 1949 verwarf die Kommunistische Partei alles bisher geltende Recht und die bisherige Lehre. Er wurde durch eine vom Recht der Sowjetunion geprägte Einteilung ersetzt, die auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus aufbaute. Die vier Voraussetzungen der Strafbarkeit sind demnach:
- Schutzobjekt
- bestimmte objektive Umstände
- Subjekt
- subjektive Tatmerkmale (Vorsatz und Fahrlässigkeit)
In der Lehre blieb dieser Aufbau besonders in jüngerer Zeit nicht kritiklos; im besonderen wird darauf hingewiesen, dass Straufausschließungstatbestände sich in den deutschen dreiteiligen Aufbau besser einfügen. Dennoch stellt der vierteilige Aufbau das geltende Paradigma dar.
Die Rechtswissenschaft unterscheidet beim Objekt der Tat zwischen dem konkreten Objekt der Tatbegehung (Handlungs- oder Angriffsobjekt, duixiang) und dem abstrakten Schutzobjekt (keti). Das Schutzobjekt ist ein eigenständiges Merkmal im Tatbestandsaufbau; das Handlungsobjekt zählt hingegen zu den objektiven Umständen. Die tradierte Auffassung beschreibt als Schutzobjekt, die „vom Strafrecht geschützten, durch die strafbare Handlung verletzten sozialistischen Gesellschaftsbeziehungen“ (shehui zhuyi shehui guanxi)
Liegen alle vier Bedingungen vor, kann von einer gesellschaftsschädlichen und mithin strafbaren Handlung ausgegangen werden. Ausnahmen hiervon lassen sich als Unterfälle fehlender Gesellschaftsschädlichkeit auffassen. Die deutsche Einteilung in Rechtswidrigkeit und Schuld ist nicht bekannt; die im deutschen Rechtskreis hiervon erfassten Fälle werden unter dem Begriff „Grund für den Ausschluss der Strafbarkeit“ (paichu fanzui de shiyou) abgehandelt.[1]
Romanischer Rechtskreis
Der französische Code pénal enthält keine Angaben zum Aufbau der Strafbarkeit; diese Lücke wurde von der Rechtslehre durch verschiedene Ansätze gefüllt. Der früheste Ansatz unterschied allein nach den Kriterien strafbare Tat und strafbarer Täter. Das Kriterium strafbarer Täter enthielt dabei etwa die Zurechnungsfähigkeit, die Schuld sowie die Notwehr (légitime défense). Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts setzten sich Ansätze durch, die erstmals die Straftat als solche gliederten. Diese klassische Lehre (doctrine classique) beschreibt einen dreiteiligen Tataufbau:
- gesetzliches Element (élément légal)
- materielles Element (élément matériel)
- subjektives Element (élément subjectif auch élément psychologique, intellectuel oder moral).
Die persönliche Verantwortlichkeit des Täters war nicht Bestandteil des Aufbaus der Straftat. Später kamen einige Versuche auf, die persönliche Verantwortlichkeit, wie Strafmündigkeit oder Zurechnungsfähigkeit, dem subjektiven Element zuzuordnen; andererseits wurde zum Teil die Existenz eines vierten Elementes, des élément injuste erwogen, das etwa die Notwehr erfasse sollte.[2]
Objektive Tatseite
Tatsubjekt
Asiatischer Rechtskreis
Die objektive Tatseite wird im Recht Chinas im Wesentlichen durch die objektiven Umstände (fanzui keguan fangmian) abgedeckt. Das Tatsubjekt besetzt zwar nach herrschender Lehre in China einen eigene Stelle im Tataufbau, gehört unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten aber dennoch zur objektiven Tatseite. Tatsubjekt sind primär natürliche Personen. Juristische Personen konnten bis zur Reform des Strafgesetzbuches (Zhonghua Renmin Gongheguo xingfa, chStGB) nicht verfolgt werden. Seit 1997 ist dies zumindest dann möglich, wenn es im Straftatbestand ausdrücklich vorgesehen ist. Das chinesische Strafrecht unterscheidet nach Allgemein- und Sonderdelikten. Allgemeindelikte können von jedermann begangen werden; Sonderdelikte nur bei bestimmten Eigenschaften des Täters, etwa die Zugehörigkeit zum Militär.[3]
Subjektive Tatseite
Elemente der subjektiven Tatseite
Common law
Das subjektive Tatelement wird im Recht von England und Wales unter dem Stichwort mens rea erörtert; die mens rea enthält auch diejenigen Elemente, die nach deutscher Systematik der Schuld zuzurechnen sind. Die drei wichtigsten Formen von mens rea sind intention, recklessness und negligence. Einige Straftatbestände erfordern bezüglicher einiger Elemente der objektiven Tatseite kein subjektives Element, es liegt sog. strict liability vor. Die Unterscheidung zwischen den einzelnen Begriffen ist wenig prägnant ausgearbeitet, was seine Ursache darin findet, dass die Entscheidung über das Vorliegen von mens rea in der gerichtlichen Praxis der jury obliegt.[4]
Vorsatz/intention und recklessness
Common law
Dem Topos Vorsatz im weiten Sinne lassen sich zwei Arten der mens rea zuordnen: intention (Absicht) und recklessness (Rücksichtslosigkeit). Die Mehrzahl der englischen Straftatbestände fordert entweder intent in Bezug auf den Taterfolg oder zumindest recklessness für den Erfolgseintritt. Weder intention noch recklessness sind gesetzlich oder im common law genau definiert, sie entbehren ferner einer genauen Abgrenzung zueinander. Wichtig ist die Abgrenzung nur insofern, als nach s. 1 des Criminal Attempts Act 1981 der Versuch nur strafbar ist, wenn der Täter intent hat, eine Straftat zu begehen, sowie für den Strafausschließungsgrund (defence) self-defence.[4]
Subjektive Seite der Fahrlässigkeitstat
Common law
Die Fahrlässigkeit, negligence, wird im englischen Recht als Form der mens rea behandelt. Eine allgemeine gesetzliche Definition der negligence fehlt; bei den statutory offences wird für den jeweiligen Tatbestand meist genau geregelt, worin die Fahrlässigkeit bestehen muss, ohne auf den Terminus negligence zu verweisen. Common law-Tatbestände, die durch negligence zu erfüllen sind, existieren fast nicht mehr. Eine wichtige Ausnahme bildet manslaughter (‚Totschlag‘), für dessen Verwirklichung gross negligence (grobe Fahrlässigkeit) ausreicht.[4]
Literatur
Einführungen
- Markus Dir Dubber: Comparative Criminal Law. In: Mathias Reimann und Reinhard Zimmermann (Hrsg.): Oxford Handbook of Comparative Law. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0199535453, S. 1287–1326.
- Thomas Weigend: Criminal law and criminal procedure. In: Jan M. Smits (Hrsg.): Elgar Encyclopedia of Comparative Law. Edward Elgar, Cheltenham/Northampton, M.A. 2006, ISBN 978-1845420130, S. 214–217.
Umfassende Darstellungen, Enzyklopädien
- Jon Heller und Markus D. Dubber (Hrsg.): The Handbook of Comparative Criminal Law. Stanford Law and Politics, Stanford 2010, ISBN 978-0804757584.
- Publikationen der Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts
- Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 1: Grundlagen, Duncker & Humblot, Berlin 2009, ISBN 978-3-428-13300-0 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
- Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
- Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 3: Objektive Tatseite – Subjektive Tatseite – Strafbares Verhalten im Vorfeld der Tatvollendung, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12982-9 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
- Frank Verbruggen (Hrsg.): International Encyclopaedia Of Laws: Criminal Law. Kluwer Law and Taxation, Deventer u.a. 1991–, ISBN 978-9065449375 (Loseblattsammlung mit Länderberichten).
Kriminologie und strafrechtliche Hilfswissenschaften
- Alexander Elster (Begr.) und Rudolf Sieverts (Hrsg.): Handwörterbuch der Kriminologie. 2. Auflage. 5 Bände, de Gruyter, Berlin 1966–1998.
- Sanford H. Kadish (Begr.) und Joshua Dressler (Hrsg.): Encyclopedia of Crime and Justice. 2. Auflage. 4 Bände, Collier Macmillan, London/New York 2002, ISBN 0-02-865320-3.
Ökonomische Analyse des Strafrechts
- Robert Cooter und Thomas Ulen: Law & Economics. 8. Auflage. Addison Wesley, Boston 2008, ISBN 0-321-52290-7, 10. An Economic Theory of Crime And Punishment 7. Topics in the Economics of Crime And Punishment.
- David D. Friedman: Law's Order. Princeton University Press, Princeton/Oxford, ISBN 978-0691090092, 15—Criminal Law.
Weblinks
- Antony Duff: Theories of Criminal Law, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- Vorstellung der Forschungsgruppe des Internationalen Max-Planck-Informationssystems für Strafrechtsvergleichung
Einzelnachweise
- ↑ Yang Zhao und Thomas Richter: Begriff und Systematisierung der Straftat – China. In: Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. II. Allgemeiner Teil, Teilband 2, Duncker & Humblot, Berlin 2008.
- ↑ Juliette Lelieur, Peggy Pfützner, Sabine Volz: Begriff und Systematisierung der Straftat – Frankreich. In: Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. II. Allgemeiner Teil, Teilband 2, Duncker & Humblot, Berlin 2008.
- ↑ Yang Zhao und Thomas Richter: Objektive Tatseite – China. In: Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil, Teilband 3, Duncker & Humblot, Berlin 2008.
- ↑ a b c Susanne Forster: Subjektive Tatseite – England und Wales. In: Ulrich Sieber und Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil, Teilband 3, Duncker & Humblot, Berlin 2008.
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