- Péchot-Bourdon-Lokomotive
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Eine Dampflokomotive der Bauart Fairlie ist eine in Längsrichtung weitgehend symmetrisch aufgebaute Gelenklokomotive mit zwei Triebdrehgestellen, sowie einem Doppelkessel mit je einer Rauchkammer und einem Schornstein an jedem Lokende. Das Führerhaus befindet sich in der Lokomotivmitte. Die Lokomotiven werden auch als Double Fairlie bezeichnet, zur Unterscheidung von der abgeleiteten Bauart Single Fairlie.
Fairlies sind nach Robert Francis Fairlie (1831–1885) benannt und stellten die erste brauchbare Bauart von Gelenklokomotiven dar. Sie konnten sich aber gegen modernere Bauarten nicht halten und wurden nur bis Ende des Ersten Weltkriegs gebaut – mit Ausnahme von zwei Neubauten der Festiniog Railway für den Museumseinsatz.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die wahrscheinlich erste Gelenklokomotive überhaupt, 1832 für die Charleston & South Carolina Rail Road gebaut, kann auch als Ursprung der Bauart Fairlie angesehen werden: Die symmetrisch aufgebaute Lokomotive hatte zwei Drehgestelle sowie Feuerbüchse und Führerstand in der Lokmitte. Ansonsten war sie jedoch eine sehr ungewöhnliche Konstruktion, mit je zwei Kesselschüssen auf jeder Seite, zwischen denen jeweils ein Zylinder angeordnet war. Insgesamt hatte die Lokomotive mit der Achsfolge (1A)(A1) also nur zwei Zylinder. [1] Details sind kaum überliefert, aber es erscheint unwahrscheinlich, dass der Lokomotive Erfolg beschieden war.
Die 1851 für den von der Semmeringbahn ausgeschriebenen Wettbewerb gebaute Seraing von Cockerill glich dagegen im grundsätzlichen Aufbau schon weitgehend den „modernen“ Fairlies. Die Seraing hatte allerdings, anders als spätere Fairlies, einen durchgehenden Hauptrahmen, an dem auch die Kupplungen befestigt waren. Der Kessel hatte einen ovalen Querschnitt; die Zylinder waren innerhalb der Drehgestellrahmen angeordnet. Die Lokomotive erzielte im Wettbewerb den dritten Platz und wurde von der Bahn übernommen. Allerdings verhinderten vor allem Dichtigkeitsprobleme der beweglichen Dampfleitungen einen dauerhaften Einsatz, und die Lokomotive wurde bald abgestellt. Davon enttäuscht verfolgte Cockerill dieses Konzept nicht weiter.
Robert Fairlie griff die Idee mehr als zehn Jahre später wieder auf und ließ sich das Prinzip 1864 patentieren, wobei der einzige wesentliche Unterschied seines Konzepts gegenüber der Seraing darin bestand, dass die Kupplungen an den Drehgestellen befestigt waren und nicht mehr am Hauptrahmen. Fairlies Absicht war es, das gesamte Gewicht einer Lokomotive für die Traktion zu nutzen, also alle Achsen anzutreiben, und gleichzeitig eine Lokomotive mit ausreichenden Vorräten zu schaffen, die enge Kurven durchfahren konnte, ohne Schlepptender auskam und deshalb an den Enden der Strecke nicht gedreht werden musste. Die erste nach diesem Patent gebaute Lokomotive ging 1865 an die Neath and Brecon Railway. Sie bewährte sich nicht, weil sie nur eine Feuerbüchse besaß, in der der Saugzug der einen Rauchkammer gegen den aus der anderen arbeitete.
Die schmalspurige Ffestiniog Railway (FR) stand in dieser Zeit wegen des stark angestiegenen Verkehrsaufkommens vor der Entscheidung, ihre Strecke zweigleisig auszubauen. Als kostengünstigere Alternative bot sich eine Fairlie-Lokomotiven an, mit der man die Zuglängen deutlich vergrößern konnte. 1869 lieferte Fairlie, der die Lokomotivfabrik von George England übernommen hatte (dem Erbauer der früheren Lokomotiven der FR), die Lokomotive Little Wonder („kleines Wunder“) aus. Bei Versuchsfahrten zeigte sich, dass diese Lokomotive mehr als das Doppelte der zweiachsigen England-Maschinen ziehen konnte, und die Bahn beschaffte in den folgenden Jahren drei weitere Fairlies (James Spooner, Merddin Emrys und Livingston Thompson), wobei die beiden letzten in den bahneigenen Werkstätten entstanden. Außerdem wurde eine Single Fairlie beschafft, im Prinzip eine halbe Fairlie mit nur einem Triebdrehgestell sowie einem einfachen Laufdrehgestell.
Die Vulcan Foundry baute ab 1872 mehrere Fairlies, zunächst für Neuseeland und Peru. Auch in Mexiko und anderen Staaten wurden vorübergehend Fairlies verwendet, konnten sich aber nirgends sehr lange halten. Letztlich blieb die Ffestiniog-Railway die einzige Bahn der Welt, bei der sich Fairlies dauerhaft und bis heute bewährten.
Aufbau und Technik
Eine Fairlie verfügt über einen Doppelkessel mit je einer Rauchkammer und je einem Schornstein an jedem Ende. In der Mitte befindet sich ein beiden Kesselhälften gemeinsamer Stehkessel mit einer gemeinsamen oder – häufiger – zwei getrennten Feuerbüchsen. Die Feuertüren befinden sich auf der Heizerseite des Kessels (Heizer und Lokführer stehen auf verschiedenen Seiten der Lokomotive und sind durch den Stehkessel voneinander getrennt). [2]
Meist sind auch zwei Dampfdome und damit zwei (getrennt bedienbare) Regler vorhanden; die französische Variante Péchot-Bourdon, die auf ein eigenes Patent zurückgeht, hat als charakteristisches Merkmal nur einen zentralen Dampfdom auf dem Stehkessel. Der Kessel einer Fairlie ruht auf einem Brückenrahmen, der sich an beiden Enden auf ein Drehgestell abstützt. Die Dampfzufuhr erfolgt über bewegliche Leitungen zwischen den Rauchkammern und den Schieberkästen der an den Lokomotivenden angeordneten Zylinder (eine Ausnahme in dieser Hinsicht ist die Sächsische I M, bei der die Zylinder auf der Lokomotivinnenseite angebracht sind). Die Achsfolge der meisten Fairlies war B'B' oder C'C', d.h. alle Achsen waren angetrieben. Einige Fairlies hatten jedoch auch Laufachsen, also die Achsfolgen (1'B)(B1') oder (1'C)(C1').
Auf den Seiten beider Langkessel befinden sich die Wassertanks. Auf der Heizerseite sind in diese Tanks beiderseits des Führerhauses Kohlenkästen (oder Öltanks) integriert. Die Wassertanks der Ffestiniog-Fairlies sind unter dem Führerstand jeweils durch einen wannenartigen Teil miteinander verbunden, der den Raum zwischen den Drehgestellen auch optisch ausfüllt. Bei einigen größeren Fairlies befanden sich zusätzliche Behälter oberhalb des Kessels vor und hinter dem Führerhaus.
Die nebenstehend abgebildete Fairlie der Burma Railway weicht von der üblichen Bauform ab: Sie verfügt über zwei voneinander unabhängige Kessel, so dass Lokführer und Heizer nicht mehr voneinander getrennt sind. Von Nachteil ist die Notwendigkeit, Wasserstand und Druck in beiden Kesseln unabhängig voneinander zu regeln.
Vergleich mit anderen Gelenkbauarten
Wie bei allen Gelenklokomotiven ist ein Nachteil der Fairlie ihre größere Komplexität und der damit verbundene größere Wartungsaufwand. Dies relativiert sich jedoch, wenn man den Aufwand für eine Gelenklokomotive mit dem Aufwand für zwei konventionelle Lokomotiven vergleicht, die eine Gelenklokomotive ersetzen kann. Es bleiben die Probleme mit den beweglichen Dampfleitungen, deren Abdichtung besonders im 19. Jahrhundert noch erhebliche Probleme bereitet hat.
Die Fairlie stand zunächst in Konkurrenz zu den Bauarten Mallet und Meyer. Ein Vorteil gegenüber diesen Bauarten war, dass Feuerbüchse und Aschkastens der Fairlie wegen ihrer Anordnung der zwischen den beiden Drehgestellen kaum in ihrer Ausdehnung eingeschränkt waren und letzterer praktisch bis zu den Schienen herabreichen konnte. Mit der Kitson-Meyer und schließlich der Garratt wurde dieses Prinzip später aber auch mit einem einfachen Kessel realisiert.
Neben der grundsätzlichen Komplikation, die sich durch das doppelte Vorhandensein von Kesselbauteilen ergeben, ist ein wesentlicher Nachteil der Fairlie der enge Raum für den Lokführer und besonders den Heizer. Dieses Problem verschärfte sich mit zunehmendem Kesseldurchmesser, wobei gleichzeitig der Raum für die Wasser- und Kohlenvorräte weniger wurde, so dass es eine praktische Obergrenze für die Größe von Fairlies gibt. Die größten Fairlies, gebaut für die Ferrocarril Mexicano (FCM), waren mit Öl gefeuert, wordurch der Heizer mit weniger Raum auskommen konnte.
Die Drehgestelle der Fairlies neigen zum Schlingern – wie auch die von Meyer-Lokomotiven und kleineren Malletts – weil die Kräfte durch die hin- und hergehenden Massen der Zylinder bezogen auf das Gewicht der Drehgestelle relativ groß sind. Mit der Garratt, bei der die Kohlen- und Wasserkästen auf den Drehgestellen aufgebaut waren und damit deren Gewicht vergrößerten, wurde dieses Problem behoben.
Während die Meyer in Form der Kitson-Meyer als Vorläuferbauart der Garratt zu sehen ist, erfuhr die Fairlie keine Weiterentwicklung. Bei der sogenannten Modified Fairlie handelt es sich um eine Variante der Kitson-Meyer, die eher einer Garratt ähnelt als einer Fairlie.
Erhaltene Lokomotiven
Nur wenige Fairlies sind erhalten geblieben, und vier davon sind mit der Ffestiniog-Railway verbunden. Die Bahn hat derzeit drei Exemplare im Einsatz: Die MERDDIN EMRYS stammt aus dem Jahr 1879, wurde jedoch mehrfach umgebaut und mit einem modernen Kessel ausgestattet. Die anderen beiden, EARL OF MEROINETH und DAVID LLOYD GEORGE, sind Neubauten aus den Jahren 1979 und 1992, bei denen allerdings Teile älterer Lokomotiven verwendet wurden. Eine vierte, 1971 aus dem Betrieb genommene Lokomotive, LIVINGSTON THOMPSON, steht heute im National Railway Museum in York.
JOSEPHINE, eine der 1872 nach Neuseeland gelieferten Lokomotiven, wird im Otago Early Settlers Museum in Dunedin aufbewahrt. Je eine Péchot-Bourdon-Lokomotive steht im Verkehrsmuseum Dresden und in Požega (Serbien); eine Sächsische I M gehört ebenfalls zum Bestand des Verkehrsmuseums Dresden.
Einzelnachweise
- ↑ A. E. Durrant: Garratt-Lokomotiven der Welt. Birkhäuser Verlag ISBN 3-7643-1481-8, S. 10
- ↑ Abbildung des ausgebauten Kessels der Merddin Emrys
Weblinks
- Fairlie locomotives (englisch)
- Internetseite der Ffestiniog Railways (englisch)
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