Rastafarianismus

Rastafarianismus

Rastafari (deutsche Aussprache: [ˌʁastaˈfaːʁi], in Jamaika meist [ˌɹastafaˈɹaɪ], häufig zu Rasta abgekürzt) ist eine in der schwarzen Bevölkerung Jamaikas in den 1930er Jahren entstandene, heute weltweit verbreitete Religion, die aus dem Christentum entstanden ist und viele alttestamentliche Bezüge aufweist. Die Bewegung lehrt die Göttlichkeit Haile Selassies.

In Zusammenhang mit der Gründung der Rastafari-Bewegung in Jamaika steht Marcus Garvey, der Begründer der Back-to-Africa-Bewegung. Garvey sagte in den 1920er Jahren die Krönung eines mächtigen schwarzen Königs in Afrika voraus. Die Krönung Haile Selassies (= „Macht der Dreifaltigkeit“) nach einem Putsch zum Kaiser von Äthiopien im Jahr 1930 wurde als Erfüllung dieser Prophezeiung gewertet.

Unter den Rastafaris gibt es verschiedene Strömungen, wobei sich manche zu sogenannten „Houses“ zusammengeschlossen haben (z. B. Nyahbinghi, Bobo Ashanti oder Twelve Tribes of Israel). Heute bekennen sich etwa 24.000 der 3 Millionen Jamaikaner zum Rastafari-Glauben.[1]

Inhaltsverzeichnis

Begriffsherkunft

Haile Selassie
Äthiopische Flagge zur Zeit Haile Selassies

Der Begriff Rastafari leitet sich vom Geburtsnamen des äthiopischen Kaisers Haile Selassie, nämlich Ras Tafari Makonnen ab.

Bewegung

Wichtigste Quelle der Rastafari-Bewegung sind verschiedene Abschnitte der christlichen Bibel, vor allem die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. Manche Rastas schätzen aber auch die besonderen Bücher der äthiopischen Bibel (Henoch, Buch der Jubiläen und andere – siehe Liste biblischer Bücher) und das Kebra Negest. Außerdem spielen einige Texte der ersten Rastas, wie zum Beispiel The Promised Key von Leonard P. Howell, eine wichtige Schlüsselrolle in der Entstehung der Rastafari-Bewegung.

Die Rastafari sind eine typische Heilserwartungsbewegung. Ihre Hauptmerkmale sind: Die Anerkennung Haile Selassies als wiedergekehrten Messias und lebendigen Gott auf Erden, die Ablehnung der westlichen Wertanschauung (die sie als Babylon bzw. Babylon-System bezeichnen) sowie der Kampf für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung.

Ein weiterer Grundsatz ist die Forderung nach Repatriierung, also der Rückkehr in die afrikanische Heimat ihrer Vorfahren, die als Sklaven nach Amerika verschleppt wurden. Inzwischen wurde die körperliche Rückkehr nach Afrika in eine 'spirituelle Rückkehr' umgedeutet, dennoch sind einige Rastafari nach Afrika übergesiedelt und haben dort eigene Gemeinden gegründet, beispielsweise im äthiopischen Shashemene. Viele Rastafari akzeptieren allerdings ihr Leben auf Jamaika oder anderen Ländern und streben nach einer 'geistigen Rückkehr' in die afrikanische Heimat. Es geht hierbei darum, den kulturellen Bruch, der durch die Versklavung ihrer Vorfahren entstand, zu überwinden, und sich positiv mit ihrer afrikanischen Herkunft zu identifizieren.

Einige Rastafaris ließen später die Idee von der Göttlichkeit Haile Selassies fallen und wandten sich der christlichen Äthiopisch-Orthodoxen Kirche zu.

Religion

Haile Selassie gilt den Rastas als die in der Bibel angekündigte Wiederkehr von Jesus Christus. Im Gegensatz zu Juden, Christen und Muslimen warten die Rastas demnach nicht mehr auf das (erneute) Erscheinen des Messias, sondern sehen dies bereits durch die Krönung Haile Selassies als erfüllt an. Die oft benutzten Ausdrücke Auserwählter Gottes und Siegreicher Löwe von Juda sind jedoch nicht (wie oft angenommen) die Krönungstitel Selassies, sondern sind Teil eines Glaubensbekenntnisses, mit dem die äthiopischen Kaiser traditionell ihre Briefe einleiteten. [2]

Rastas sind – wie auch die meisten christlichen Kirchen – von der Dreifaltigkeit Gottes überzeugt, somit ist ihnen auch Haile Selassie gottgleich. Es herrscht die Auffassung, dass Gott drei Mal in Form eines Menschen auf der Erde erschien: Die erste Inkarnation in der Gestalt des Melchisedech, die zweite als Jesus Christus und die dritte und letzte als Haile Selassie I., der die Sieben Siegel öffnet und das Armageddon (bei Rastas auch Armagideon genannt) einleitet.

Symbole

Die Farben der Rastafari-Bewegung sind Rot, Gold (bzw. Gelb) und Grün, die Farben der äthiopischen Nationalflagge, wobei die Farben der äthiopischen Nationalflagge in umgekehrter Reihenfolge gehalten sind. Sie haben für die Rastas auch symbolische Bedeutungen: Rot für das Blutvergießen und die Morde unter den verschleppten Sklaven, Gold für den Reichtum, den man den Sklaven (Sufferahs, "Leidende") gestohlen hat, und Grün für das gelobte Mutterland Äthiopien oder allgemein Afrika, das die Heimkehr der Verschleppten erwartet.

Eine zusätzliche Symbolik erhalten die Farben durch ihre Verwendung als Panafrikanische Farben seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Kultur

Prinzipiell wird der Mensch als Individuum verstanden und somit auch die freie Meinung akzeptiert. Andererseits berufen sich manche Gruppierungen auf die strengen Reinheitsvorschriften des Alten Testaments. Es finden sich auch patriarchalische Strukturen, so wird z. B. der Frau die Pflicht auferlegt, ihren Kopf zu bedecken, ihren Mann zu umsorgen und ihm treu zu sein – auch wenn er selbst es nicht ist.

Rastaman mit Dreadlocks

Homosexualität wird von vielen Rastafarians mit Bezug auf ein fundamentalistisches Verständnis der Bibel abgelehnt. Die Musik von Rastafari-Künstlern gerät wegen homophober Texte regelmäßig in die Kritik.

Grundsätzlich lehnen die Rastafarians Alkohol sowie Tabak ab und ernähren sich möglichst ohne tierische Produkte und Salz (I-tal). Sie glauben, dass sich der Mensch im Anfang der Schöpfung ausschließlich von Kräutern und Früchten ernährte. (1. Mose 1;29: Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch alles samentragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem samentragende Baumfrucht ist: es soll euch zur Nahrung dienen.)

Viele von ihnen, aber nicht alle, konsumieren gemeinsam auf rituelle Weise Cannabis (Ganja), welches sie zum Meditieren oder zum Reasoning (d. h. nachdenken oder mit anderen debattieren) nutzen. In Anlehnung an die Offenbarung des Johannes (Kapitel 22 ELB) wird Hanf auch als healing of the nation (in der deutschen Bibelübersetzung: Heilung der Völker) bezeichnet. Rastafari legen allerdings Wert darauf, dass der Konsum von Cannabis allein, ohne den Glauben, niemanden zum Rastafari macht. Die unreflektierte Übernahme von Rastafari-Symbolik in die Jugendkultur westlicher Länder lehnen sie ab.

Außerdem wird auch auf das Tragen von Körperschmuck (Piercings und Tattoos) verzichtet.

Rastas verwenden für Gott die Bezeichnung „Jah“ (in ihrer Aussprache Dschah), eine Kurzform des hebräischen Gottesnamens JHWH.

Einige Rastafaris tragen Dreadlocks und ungestutzte Bärte als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit Gott. Die Dreadlocks sind außerdem ein Symbol für Naturverbundenheit und erinnern an die Mähne des Löwen von Juda. Sie wurden ebenfalls als Symbol der Abgrenzung zu der westlichen Ästhetik der „weißen Unterdrücker“ und somit als Zeichen des Widerstands verstanden. Einige Rastafaris haben auch das Gelübde des Nasiräers abgelegt, was die charakteristischen Dreadlocks und die langen Bärte zur Folge hat.

Obwohl die Bewegung ihren Ursprung in der schwarzen Bevölkerung hat, gibt es auch weiße Rastas. Allerdings kann die im Rastafari-Glauben fest verankerte Rückkehr ins Mutterland (Äthiopien bzw. Afrika allgemein) den weißen Rastafarians nicht als Ziel gelten. Eine übergeordnete, umfassende Institution bzw. Kirche, die z. B. Glaubensgrundsätze festlegen könnte, fehlt im Rastafari-Glauben, so dass die Voraussetzungen für eine Zugehörigkeit zur Bewegung nicht klar festgelegt sind.

International bekannt wurden die Rastafaris ab den 1970er Jahren hauptsächlich durch die Reggae-Musik (zum Beispiel von Bob Marley, Peter Tosh und Dennis Brown). Auch im heute populären Dancehall-Reggae finden sich einige Musiker, die der Rastafari-Religion angehören. Gleichzeitig stehen jedoch viele Rastas (z. B. bis vor kurzem die Bobo Ashanti) der Reggaemusik kritisch gegenüber oder lehnen sie kategorisch ab.

Sprache

Die jamaikanischen Rastafari sprechen das auf der Insel übliche Patois, allerdings mit einer ganzen Reihe Rastafari-spezifischer Wörter versetzt, die von anderen Patois-Sprechern nicht gebraucht werden.

Hauptmerkmal dieser Begriffe ist, dass sie mit einem (meist großgeschriebenen) I verfremdet wurden, das sowohl das englische Wort ich als auch die Ziffer eins des römischen Zahlensystems symbolisiert, die im Titel Haile Selassies vorkommt. Die Rastafari-spezifische Sprache bez. „I“ wird von Rastafarians selbst „Iyaric“ genannt.

Bekannte Beispiele sind „I and I“ für „ich“ bzw. „wir“. Durch die Vermeidung des Ausdrucks „du“ (also „me and you“) soll die Einheit der einzelnen Individuen untereinander und mit Gott ausgedrückt werden.

Einzelne Anhänger der Bewegung oder gemeinhin einzelne Personen nennt man dementsprechend Bredren bzw. Idren („Brüder“), bei weiblichen Rasta Sistren, Sister („Schwestern“), Daughter bzw. Iawata („Tochter“).

Viele Wörter oder Wortteile wurden auch durch ihr Gegenteil ersetzt. Das auffallendste Beispiel ist das Wort „verstehen“ – englisch „to understand“ – welches von den Rastafarians durch „to overstand“ ersetzt wurde, da sie das ursprüngliche Wort als Atavismus aus der Sklaverei sehen und daher als erniedrigend empfinden. Ein weiteres Beispiel ist das Wort "cigarette", welches in englischer Aussprache als "see-garette" verstanden werden kann. Da das Tabakrauchen als negativ und die Sicht trübend gilt, wird stattdessen "blindgarette" verwendet.

Eine geregelte Rechtschreibung für diese Begriffe existiert nicht, so dass unterschiedliche Schreibweisen gebräuchlich sind.

Iyaric Englisch Deutsch
I and I I, we ich, wir
Irie free, happy, good frei, sehr gut
Ites heights Höhen (spirituell; auch im Sinne von „high“ durch Drogenkonsum)
I-tal vital „ökologisch“ gekocht nach bestimmten Rasta-Regeln
Ises praises Lobpreisungen
most I most high Allerhöchster = Gott
politricks politics Politik, Politiker
baldhead baldhead Kahlkopf = jemand ohne Dreadlocks = Unterdrücker
to overstand to understand verstehen

Quellen

  1. Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zu Jamaika
  2. http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option=com_content&task=view&id=100043782&Itemid=28 Artikel von Asfa-Wossen Asserate, einem Nachfahren Haile Selassies, in der Tagespost

Literatur

  • Volker Barsch: Rastafari (Bibliothek der Popgeschichte), Mainz: Ventil-Verlag, 2003, ISBN 978-3-930559-97-8
  • Boris Lutanie: Introduction au Mouvement Rastafari, Esprit Frappeur 2000, ISBN 978-2-84405-116-5
  • Lloyd Bradley: Bass Culture. Der Siegeszug des Reggae, Hannibal 2003, ISBN 978-3-85445-209-6
  • Helene Lee: Der erste Rasta, Hannibal 2000, ISBN 978-3-85445-178-5
  • Peter M. Michels: Rastafari, München: Trikont Verlag, 1979, ISBN 3-88167-057-2
  • Moise Cul: Zion : La foi des rastas, Editions L'Harmattan 2003, ISBN 978-2-7475-2949-5

Weblinks


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