- Reininghausgründe
-
Graz-Reininghaus ist mit 54 Hektar die größte unbebaute Fläche in zentrumsnaher Lage in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs. Graz-Reininghaus liegt 1,8 km vom historischen Stadtkern entfernt.Das Areal erstreckt sich über die drei Stadtbezirke Eggenberg, Gries und Wetzelsdorf und ist eines der größten, europäischen Stadtteilentwicklungsprojekte in innerstädtischer Lage.
In Graz-Reininghaus entsteht ein urbaner Stadtteil mit kleinteiliger, durchmischter Nutzung und Platz für rund 12.000 Menschen, in dem alle städtischen Lebensformen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Bildung, Kultur und Freizeit vertreten sein werden. Graz-Reininghaus soll eine wertvolle Ergänzung und qualitätsvolle Bereicherung des vorhandenen Angebots von Graz darstellen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits vor 5000 Jahren führte eine Straße vom Schloßberg und der Murgasse in etwa entlang der heutigen Prankergasse, Friedhofgasse und Reininghausstraße nach Baierdorf. Sie kreuzte seit der Römerzeit die heutige Alte Poststraße, eine wichtige Transitstrecke zwischen Norden und Süden. Die Stadt Graz lag schon damals auf der anderen Seite des Flusses. Viele Reisende zogen an der Stadt vorbei. Deshalb erweiterten die Grazer Bürger 1361 ihr Stadtgebiet über die Mur hinaus bis an die Alte Poststraße. An der Kreuzung am Steinfeld entstand das größte Mauthaus der Stadt. Daneben stand bereits im Mittelalter ein Einkehrwirtshaus mit Übernachtungsmöglichkeit. Grundherren dieses Wirtshauses waren die Eggenberger. Johann Seyfried, Herzog zu Krumau und Fürst zu Eggenberg erteilte dem damaligen Wirt Lorenz Schaupp 1669 die Erlaubnis, auf dem Boden des Steinfeldes eine Brauerei einzurichten und Bier auszuschenken. Über das nächste Jahrhundert wechselte die Mauthausbrauerei mehrmals den Besitzer. Der aus Westfalen stammende Johann Peter Reininghaus kaufte mit seiner Wiener Frau Therese Mautner Markhof 1853 das Mauthaus am Steinfeld. Es bestand aus einem Wohnhaus, einem Lagerkeller, Sudhaus, Gärkeller, Stall und einer Scheune und insgesamt fast 45 Hektar Land. Er begann, neben Bier auch Spiritus, Likör, Essig und Presshefe herzustellen. Gemeinsam mit seinem Bruder Julius, der ebenfalls eine Mautner Markhof geheiratet hatte, gründete er 1855 die Firma „Brüder Reininghaus“. Die Brüder Reininghaus bauten die erste mit Dampf betriebene Brauerei der Steiermark (von der heute nur mehr das Maschinenhaus übrig ist), und meldeten mehrere Patente für Brauereigeräte an. Die Unternehmerfamilie Reininghaus blieb über mehrere Generationen hinweg große Landbesitzer in Eggenberg. Bis zur Jahrhundertwende 1900 gelang es ihr, ihren Landbesitz zu verfünfundzwanzigfachen - er reichte bis zum heutigen Weblinger Gürtel. In den ersten vier Jahrzehnten veränderte die Industrialisierung das Aussehen der Reininghausgründe nachhaltig: Eisteiche wurden angelegt, ein Kanal zur Mur gegraben und Gleise zur nahen Südbahnstrecke verlegt. Legendär waren auch die Büffel, mit denen das Reininghausbier in Graz ausgeliefert wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwandelte die Witwe Johann Peters, Therese den Betrieb in eine Aktiengesellschaft. Es wurden weitere Kühlräume, riesige Keller und Hallen gebaut, bis der Erste Weltkrieg ausbrach. Nach dem Krieg fielen aufgrund der Schutzzölle gegen Österreich Exporte weg. Der Enkel Peter Reininghaus übernahm den Betrieb 1920 als Prokurist und kurbelte die Bierproduktion wieder an. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, emigrierte die als nicht vollarisch geltende Familie Reininghaus. Die Brauerei geriet unter die Herrschaft der Nationalsozialisten und wurde 1944 mit der Brauerei in Puntigam zwangsfusioniert. In den letzten Kriegsjahren produzierten die Puchwerke in den weitläufigen Kellern Kriegsgerät. Die Brauerei wurde mehrmals Opfer von Bombenangriffen und war bei Kriegsende schwer beschädigt. Nach der Rückkehr aus dem Exil verlegte man die Bierproduktion nach Puntigam. Versuche in Reininghaus, nichtalkoholische Getränke zu produzieren, scheiterten. Sowohl die Firma Coca-Cola, die in den fünfziger Jahren einen Produktionsstandort in Graz suchte, als auch ein Reininghausnachkomme, der in den Sechzigern große Pläne für eine Fruchtsaftfabrik hatte, erhielten eine Absage. Trotzdem hielt die Familie die großteils brach liegenden Gründe zusammen. Nur sehr zögerlich wurden einige Randgrundstücke an bekannte oder partnerschaftliche Firmen wie Mannesmann, Denzel und Großschädl, sowie einige Arbeiterwohnungen im Süden verkauft. Mit dem Tod von Peter Reininghaus sen. im Jahr 1973 und der Gründung der Steirerbrau im Jahr 1977 begannen 25 Jahre, in denen viele Projekte erdacht, aber keine verwirklicht wurden.
Bisherige Verwertungsvorhaben
Anfang der Neunziger gaben die Besitzer gemeinsam mit der Stadt Graz eine Verwertungsstudie in Auftrag. Ergebnis dieser Studie war das Konzept eines neuen Kulturstadtteils auf den Reininghausgründen. Dazu gab es auch große verkehrsplanerische Visionen, wie etwa die Stadtbahn, die von Graz Thalerhof über die GKB-Gleise der Reininghausgründe bis nach Pirka verlaufen sollte. Andere Vorschläge sahen die Fachhochschule in die denkmalgeschützten Werkshallen einziehen, und es gab Überlegungen, bei einer positiven Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2002 oder 2006 auf den Reininghausgründen das Olympische Dorf zu errichten. Folke Tegetthoff wiederum plante einen „Wonder World of Music“–Themenpark auf den Reininghausgründen. Der Erlebnispark mit einem IMAX Kino und einer Veranstaltungshalle in Form einer Geige hätte jährlich 600.000 Besucher anlocken sollen. Verwirklicht wurde er bis heute auch andernorts nicht. Ebenfalls wurde über die Nutzung des Areals als Sport- und Freizeitpark mit Testlaufstrecke, Fitnessparcours und Sporthotel, sowie einem französischen Sportartikelhändler als Investor nachgedacht. Kurz bevor die Reininghausgründe erneut den Besitzer wechselten, wurde Ende der Neunziger der Plan für einen Businesspark geboren, der ebenfalls unverwirklicht blieb.
Nach diesen gescheiterten Revitalisierungsversuchen erwarb 2005 die Asset One Immobilienentwicklungs AG die nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften der Brau Union in Österreich, um diese in enger Abstimmung mit der Stadt und ihren Bewohnern, der Wirtschaft, den Behörden und Institutionen zu entwickeln.
Der Entwicklungsprozess des neuen Eigentümers
Es handelt sich hierbei um einen schrittweisen Prozess bei der Entwicklung des Areals. Ziel ist es, durch eine klare Positionierung die Anziehungskraft von Graz-Reininghaus für Entwicklungspartner, Investoren und zukünftige Bewohner zu erhöhen. Zudem sollen durch die klare Definition der Entwicklungsziele all die Fehlentscheidungen vermieden werden, wie sie in einer Vielzahl der heutigen Stadtentwicklungen zu sehen und zu erleben sind.
Die Reininghaus-MethodeDer Eigentümer hat sich für die Entwicklung von Graz-Reininghaus mehrere Jahre Zeit genommen – für die detaillierte Suche nach den Eigenschaften des zukünftigen Stadtteils, seinen möglichen städtebaulichen Formen und den darin denkbaren gesellschaftlichen Lebensstilen. Dieser Zeitraum ist erforderlich, weil die Eigenschaften zunächst entwickelt, dann modular zusammenfügt und schließlich Schritt für Schritt in wirtschaftliche Konzepte, in Architektur und erst am Schluss in einen Stadtteil übersetzt werden. Dabei wird ein breites Spektrum an Optionen angedacht, einbezogen und evaluiert. Durch diese einzigartige Herangehensweise unter der Städtebaulichen Intendanz der Stadtentwickler und Architekten Kleboth Lindinger Partners sollen bekannte und allgegenwärtige Fehler in der Stadtteilentwicklung vermieden werden.
2006 startete der Nachdenkprozess mit der Herausgabe eines Buches „Konzeptionen des Wünschenswerten“ (ISBN 978-3-7076-0214-2). Nicht Städteplaner und Architekten, sondern 32 Grazerinnen und Grazer unterschiedlicher beruflicher Herkunft begaben sich gemeinsam mit ihren Gesprächspartnern aus verschiedenen Lebensbereichen im In- und Ausland auf die Suche nach wünschenswerten Konzeptionen für zukünftiges urbanes Leben.
Die fünf StandpunkteDer dynamische Entwicklungsprozess von Graz-Reininghaus braucht einen inhaltlichen und prozessualen Rahmen, damit er nicht beliebig wird. Die definierten Standpunkte legen klar, wofür Graz-Reininghaus steht und wofür nicht. Sie sind relevante Positionsbestimmungen und liefern die notwendige Orientierung für die Entwicklungsarbeit. In Graz-Reininghaus entsteht ein Stadtzentrum (1. Ein Stadtzentrum im Grazer Westen) von urbaner Vielfalt und Lebendigkeit (2. Vielfalt durch Urbanität), mit einer eigenständigen Persönlichkeit (3. Graz-Reininghaus als Marke), das in einem ergebnisoffenen und kooperativ geführten Prozess (4. Der Prozess als Qualität) entwickelt wird und sowohl auf nachhaltigen wirtschaftlichen als auch städteplanerischen Erfolg (5. Asset One als Impulsgeber) ausgerichtet ist.
Die PerspektivenAus diesen im Prozess generierten inhaltlichen Impulsen wurden konkrete Themenbereiche – sogenannte Perspektiven – herausgearbeitet. Parallel zu den fünf städtebaulichen Perspektiven Grünraum, Stadtszenarien, Nutzungsvielfalt, Mobilität und Energie werden auch zentrale Fragen an das Leben in einer Stadt der Zukunft aus einer sozio-kulturellen Perspektive heraus formuliert und bearbeitet. Mit Hilfe thematischer Schwerpunkte wie Medientechnologie, Bildung/Wissen/Lernen, Wohnen oder etwa Good Governance werden die vielfältigen Fragen einer „Next City Reininghaus“ erforscht: Wie sind die tendenziell grenzenlosen Horizonte einer Weltgesellschaft mit unserer Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat zu vereinbaren? Wie lässt sich ein Zusammenleben von Menschen denken und organisieren, das von der Vielfalt profitiert anstatt sie als eine Bedrohung zu empfinden? Wie leben wir unseren Alltag in einer Welt, die mehr und mehr von Computernetzwerken und Medientechnologien bestimmt wird? Was müssen wir wissen, und was noch lernen, um unser Zusammenleben auf zukunftsfähige Beine zu stellen? Ganz in der Tradition des Arbeitsprozesses - der Reininghaus Methode – gibt es zu diesen Gedanken Veranstaltungen und Publikationen.
All diese Perspektiven liefern die Grundlage für die weiterführende Ausarbeitung detaillierter und umsetzungstauglicher Konzepte und Projekte für Graz-Reininghaus. Diese werden verdichtet und fließen in prototypischer Weise in ‚Stadtmodelle‘ ein. Diese ‚Stadtmodelle‘ liefern ein deutlich erkennbares Idealbild des späteren Stadtteils und berücksichtigen dabei beispielhaft Fragen zu Marketing, Kommunikation, Infrastruktur, Ökonomie und Ökologie.
Grün- und Freiraum
Urbaner Lebensraum braucht vor allem auch Grünraum, um für seine BewohnerInnen attraktiv zu sein. Die Entwicklung von Graz-Reininghaus zu einem neuen lebendigen Stadtteil beginnt daher mit der Ideenfindung für die Grün- und Freiraumgestaltung. Damit der Raum für Menschen nicht das ist, was am Ende aller Planung zwischen den Gebäuden übrigbleibt.
Stadtszenarien
In diesem Prozess werden Stadtformen, reale und ideelle Stadt-Materialien, der Stadtraum und das Stadtmilieu derart steuernd gestaltet, dass die Grundprinzipien eines ganzheitlichen, nachhaltigen Stadtgefüges für Graz-Reininghaus aufgezeigt und für die weiteren Planungs- und Konzeptionsschritte identifiziert werden können.
Nutzungsvielfalt
Multifunktionalität und eine ausgewogene Durchmischung sowohl hinsichtlich der Nutzungen als auch der NutzerInnen schafft attraktiven urbanen Lebensraum in Graz-Reininghaus, mit allen Annehmlichkeiten eines vollwertigen und wertvollen Stadtteils. In Graz-Reininghaus sollen die vielfältigen Facetten des Alltags – Wohnen, Arbeiten, Forschen, Einkaufen, Freizeit, Sport, Bildung, Kultur – zunächst neu gedacht und anschließend neu komponiert werden.
Mobilität
Innerhalb von Graz-Reininghaus hat der öffentliche und nicht motorisierte Individualverkehr Vorrang. In diesem Prozess geht es um ein ganzheitliches Mobilitätskonzept für den Stadtteil sowie die Vernetzung mit der bestehenden Verkehrsinfrastruktur in Graz.
Energie
In Graz-Reininghaus findet ein Recycling wertvollen brachliegenden Stadtraumes statt und werden ganz selbstverständlich die Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung verfolgt, von der Gesamtkonzeption bis in Details, vom Bau bis zum Betrieb und der Entsorgung. Größtmögliche Sparsamkeit im Umgang mit Energie in Errichtung und Betrieb stellt in der Entwicklung von Graz-Reininghaus nicht nur eine edle Verpflichtung, sondern angesichts der globalen Energie- und Umweltsituation eine Selbstverständlichkeit dar. So wird Graz-Reininghaus ein Stadtteil kurzer Wege mit eindeutiger Priorisierung sanfter Mobilitätsformen, Gebäude werden über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg energieneutral betrieben werden. Das bringt langfristig nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile.
Next City
In einer Forschungskooperation mir der Zeppelin-Universität Friedrichshafen beschäftigt sich diese Perspektive mit einer Kulturtheorie der Stadt der Computergesellschaft. Stadt steht jeweils in direktem Bezug zu Struktur und Kultur der jeweiligen Medienepoche der Gesellschaft. Eine solche Theorie der Stadt macht den Übergang von der modernen zur nächsten Stadt beobachtbar und erleichtert StädteplanerInnen und ArchitektInnen die Gestaltung dieser „next city“.
Bildung/Wissen/LernenIn Vorbereitung der Ansiedlung von Bildungseinrichtungen quer durch alle Altersstufen und Typen werden mit PartnerInnen aus der Stadt und externen ExpertInnen zukunftsweisende Bildungsperspektiven konkretisiert und zu umsetzungstauglichen Konzepten ausgearbeitet. Schritt für Schritt wird so das Portfolio an vor Ort erwünschten und notwendigen Bildungseinrichtungen erweitert. Von der Kinderkrippe, über die Volks- hin zur Neuen Mittelschule bis hin zur universitären Ausbildung.
Leben in Graz-Reininghaus
Graz-Reininghaus will bereits während der Planungsphase intensiv genutzt werden. Über sportliche, kulturelle, künstlerische und mediale Ideen und Projekte werden Menschen eingeladen, Graz-Reininghaus aus unterschiedlichen Blickwinkeln neu zu betrachten und zu erleben. Dieses kollektive Entdecken deutet spielerisch-experimentell künftige Qualitäten, Formen und Funktionen des zukünftigen Stadtteils an und liefert wertvolle Impulse für die Entwicklung und Neuinterpretation des „öffentlichen Raums“ in Graz-Reininghaus.
Anrainer und Nachbarschaft
Auf dem Grundstück befinden sich neben vier denkmalgeschützten Gebäuden (Malzsilo, Villa, Brunnenhaus und Tennenmälzerei) etliche kleinere und mittlere innovative Unternehmen, ein Start-up Zentrum der steirischen Wirtschaftsförderung, eine Kinderkrippe und eine Kindergarten. An das Grundstück grenzt mit der Fachhochschule Joanneum die größte Fachhochschule Österreichs sowie das Flaggschiff-Unternehmen des steirischen Humantechnologieclusters, die Firma Roche Diagnostics, sowie ein Impulszentrum mit einer Fülle an High-Tech Unternehmen.
Quellen
- Gerhard M. Dienes, Karl A. Kubinzky (Hrsg.): Eggenberg. Geschichte und Alltag. Graz: Stadtmuseum Graz, 1999, ISBN 3-900764-22-0
- Zeitungsartikel http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=315
- http://www.nextroom.at/building_article.php?building_id=18926&article_id=12939
- http://journale.apa.at/cms/journale/communities/aktuelles_detail.html;jsessionid=a9L9jeLTwWc-?doc=CMS1158154354031
Weblinks
- http://www.kleboth-lindinger.com
- EU- Förderprogramm für Graz West: http://www.urban-link.at/
- Projektwebsite der aktuellen Entwicklung: http://www.graz-reininghaus.com
- LaStrada http://lastrada.at/2006/cms/index.php?idcatside=139
- steirischer herbst http://www.steirischerherbst.at/2007/deutsch/kalender/kalender.php?eid=194
- Gesamtdarstellung zum Thema http://www.asset-one.at/downloads/Reininghaus_Chronik.pdf
- Brand Eins: http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.aspid=2757&MenuID=130&MagID=104&sid=su9114160451473099&umenuid=1
47.06467777777815.408858333333Koordinaten: 47° 3′ 53″ N, 15° 24′ 32″ O
Wikimedia Foundation.