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Die Schubumkehr ist ein Verfahren zum Abbremsen eines Flugzeugs am Boden oder zur Richtungsumkehr eines Bootes oder Schiffes durch Erzeugen/Umlenken des Schubes entgegen der Bewegungsrichtung.
Inhaltsverzeichnis
Luftfahrt
Bei Strahltriebwerken wird durch ausfahrbare Klappen (Thrust reverser) der Triebwerksstrahl umgelenkt und so eine Verzögerung des Flugzeugs bewirkt. Bei entsprechend ausgerüsteten Propellertriebwerken können die Propellerblätter so verstellt (Verstellpropeller) werden, dass sie einen nach vorne gerichteten Schub erzeugen.
Dies geschieht hauptsächlich zur Verkürzung der Landerollstrecke und zur Entlastung der mechanischen Bremsen eines Flugzeuges.
In der zivilen Luftfahrt dürfen nur Flughäfen angeflogen werden, auf denen ein Flugzeug auch ohne den Einsatz der Schubumkehr eine ausreichende Landerollstrecke vorfindet. Aufgrund von Lärmemissionsbegrenzungen landen Flugzeuge oft auch ohne Schubumkehr. Die Flugzeuge dürfen beim Landen die Schubumkehr nur bis zu einer Abbremsung auf ~60 Knoten einsetzen, um Beschädigungen des Triebwerkes durch kleine aufgewirbelte Steine oder das Ansaugen von Abgasen zu verhindern.
Betätigt wird die Schubumkehr entweder durch die Schubhebel selbst oder mit Hilfe von Zusatzhebeln, die an deren Vorderseite angebracht sind, aber auch automatisch nach der Landung zusammen mit Spoiler und Bremsen.
Die Schubumkehr wird von den meisten Verkehrsflugzeugen eingesetzt. Auch einige militärische Flugzeuge, die von kurzen Landebahnen aus eingesetzt werden sollen, verfügen über eine Schubumkehr, beispielsweise einige militärische Transportmaschinen, der Tornado sowie der Saab Viggen.
Die automatische Auslösung der Schubumkehr nur eines Triebwerkes einer zweistrahligen Boeing 767-300ER der Lauda Air während des Steigfluges hatte zur Folge, dass das Flugzeug unmanövrierbar wurde und abstürzte. (siehe: Lauda Air-Flug 004)
Ein ähnlicher Unfall ereignete sich am 31. Oktober 1996, nachdem eine Fokker 100 der brasilianischen Fluglinie Transportes Aereos Meridionais kurz nach dem Start im rechten Triebwerk die Schubumkehr aktivierte, auch hier wurde das Flugzeug unmanövrierbar und stürzte ab.
Seefahrt
Bei Booten und Schiffen, die durch Verstellpropeller vorgetrieben werden, wird die Steigung der Propellerblätter so verstellt, dass ohne eine Drehrichtungsänderung des Propellers die Schubrichtung umgekehrt wird.
Dasselbe gilt für einen Voith-Schneider-Antrieb, bei dem zum Aufstoppen oder zur Rückwärtsfahrt des Bootes/Schiffes lediglich die Schaufeln anders angesteuert werden, die Drehrichtung des Antriebes sich aber nicht ändert.
Bei einem Schottelantrieb oder auch einem kleinen Außenbordmotor wendet man den gesamten Antrieb/Motor um 180 Grad um die senkrechte Achse, um denselben Effekt zu erreichen, eine Schubumkehr, ohne eine Änderung der Drehrichtung des Antriebes.
Bei einem Wasserstrahlantrieb wird, ähnlich wie bei einem Strahltriebwerk eines Flugzeuges eine Klappe, die „Schubumkehrklappe“, in den Antriebsstrahl gefahren, um den Schub in die Gegenrichtung umzulenken.
Bemessung der Schubumkehr
Die Stärke, mit der eine Schubumkehr arbeitet, wird in Prozent der nicht umgelenkten Vortriebskraft bemessen. Gerade bei der Verwendung von Schubumkehrklappen bei Strahltriebwerken und Wasserstrahlantrieben ist dieses Maß der Schubumkehr schon in der Konstruktion eine wichtige Kennzahl, bestimmt sie doch bei der Landung eines Flugzeuges, wie kurz der Bremsweg werden wird (und wie lang daher die Landebahn sein muss) und bei Schiffen/Booten, wie schnell sie noch in Rückwärtsfahrt unterwegs sein können, also wie manövrierfähig ein unter Schubumkehr fahrendes Boot/Schiff noch ist.
Dennoch lösen verschiedene Antriebshersteller das Problem auf verschiedene Weisen, was dazu führt, dass um die Details der Formen der Schubumkehrklappen und der Winkel, in denen diese in den Antriebsstrahl geführt werden (müssen), eine gewisse Geheimniskrämerei betrieben wird oder auch Patente bestimmte Konstruktionen im Detail schützen.
Der Effekt des „Schubrückschlages“
Bei der Schubumkehr durch eine Schubumkehrklappe ist das größte Problem, dass dabei der umgelenkte Vortriebsstrahl in den Einlassbereich des Triebwerkes geblasen werden kann. Beim Flugzeug können dann aufgewirbelte Kleinteile (FOD) in den Antrieb gelangen und diesen schwer beschädigen.
Dieser Schubrückschlag ist bei Flugzeugen unbedingt zu vermeiden. Das wird oft dadurch erreicht, dass sich die Schubumkehr an Flugzeugen unterhalb bestimmter Rollgeschwindigkeiten von selbst deaktiviert.
Bei Schiffen/Booten kann das Aufsaugen des umgelenkten Vortriebsstrahls durch den Antrieb dazu führen, dass der Schub in der Summe auf null sinkt. Im maritimen Bereich wird der Nullschubeffekt des Schubrückschlages konstruktiv genutzt, um zum Beispiel bei voller Bereitstellung einer eventuellen Vor- oder Rückschubleistung im Leerlauf auf der Stelle zu verharren und schlagartig mit vollem Schub anzufahren. Eine andere Anwendung ist bei Vorhandensein mehrerer Wasserstrahlantriebe das Seitwärtsfahren (oder die teilweise Unterstützung) ohne Bug- und/oder Heckstrahlruder.
Daher ist bei Wasserstrahlantrieben immer ein Bereich vorgesehen, bei dem eine vorher definierte Drehzahl des Antriebes und eine ganz bestimmte Stellung der Schubklappe zu einem Schubrückschlag und der damit verbundenen Aufhebung eines jeden Vortriebes führt.
Geschichte
Bis zur Erfindung von Verstellpropellern in See- und Luftfahrt gab es in der Luftfahrt keine Schubumkehr. In der Schifffahrt wurden die Motoren oft gestoppt und gegenläufig wieder gestartet, um den Schub von Vorwärtsfahrt in Rückwärtsfahrt zu wechseln.
Der erste Schritt einer Änderung kam auf, als das durch Citroën erfundene Wendegetriebe eine Umkehr des Antriebes erlaubte, ohne den Motor in seiner Betriebsrichtung andersherum laufen lassen zu müssen.
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde dann der Verstellpropeller (obwohl eine bereits 25 Jahre alte Erfindung) bei allen Kriegsbeteiligten eingeführt, zuerst in der Luftfahrt und dann, nachdem die Probleme mit den wesentlich größeren Antriebskräften gelöst waren, auch in der Seefahrt.
Die Idee des Verstellpropellers war zuerst nicht, eine Schubumkehr zur Verfügung zu haben, sondern, verglichen mit einem Automobil, den Antrieb über das „Schalten von Gängen“ den erforderlichen Geschwindigkeiten und von außen einwirkenden Belastungen anpassen zu können. Die Steigung an einem Propeller ändern zu können, bedeutet nämlich genau das, „den Gang“ wechseln zu können, also bei gleicher Antriebsleistung andere Drehmomente in Schub umsetzen zu können. Und, für die Luftfahrt extrem wichtig, ein Verstellpropeller wiegt wesentlich weniger als ein Schaltgetriebe.
Damit einher ging die „Erfindung“ des „Rückwärtsganges“ in Luft- und Seefahrt.
Von dort aus, geschehen Ende der 1940er Jahre in der US Navy, war es nur noch ein kleiner Entwicklungsschritt, bis sich die Schubumkehrklappe auch an Passagierflugzeugen wiederfand, kaum dass diese Ende der 1950er und Anfang der 1960er groß und schwer genug geworden waren, alleine mit den Radbremsen auf den zur Verfügung stehenden Landebahnlängen nicht mehr sicher stoppen zu können.
Das erste Zivilflugzeug mit einer serienmäßigen Schubumkehreinrichtung war die US-amerikanische Boeing 707.
Der erste Wasserstrahlantrieb mit Schubumkehrklappe kam schon in den 1950ern vom australischen Hersteller Hamilton. Heute ist die Schubumkehr aus der Nutzung in See- und Luftfahrt nicht mehr wegzudenken.
Literatur
- Götsch, Ernst - Luftfahrzeugtechnik, Motorbuchverlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02006-8
Weblinks
Quellennachweise
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