Robert Mulka

Robert Mulka

Robert Karl Ludwig Mulka (* 12. April 1895 in Hamburg; † 26. April 1969 ebenda) war SS-Hauptsturmführer und hat als Adjutant des Lagerkommandanten Rudolf Höß maßgeblich an der Ermordung von Menschen im KZ Auschwitz mitgewirkt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Robert Mulka schloss 1911 in Hamburg die Realschule ab und absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Exportkaufmann. Als Freiwilliger nahm er ab August 1914 an verschiedenen Schauplätzen am Ersten Weltkrieg als Soldat teil, wo er bis zum Leutnant der Reserve aufstieg. Nach dem Krieg kehrte er nach Hamburg zurück und arbeitete zwischenzeitlich wieder in seiner Ausbildungsfirma, bis er sich 1931 selbstständig machte. Zwischen 1928 und 1934 war er Mitglied beim Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten und 1935 trat er in die Reichswehr ein, wo er bis zum Oberstleutnant der Reserve aufstieg. Aufgrund einer achtmonatigen Haftstrafe wegen Hehlerei im Jahr 1920, die er verschwiegen hatte, wurde er aus der Wehrmacht ausgeschlossen.

Da seine Bemühungen, wieder als Offizier in die Wehrmacht aufgenommen zu werden, scheiterten, bewarb er sich 1941 erfolgreich bei der SS und stieg zügig zum SS-Obersturmführer auf und später zum SS-Hauptsturmführer. Nach kurzem Fronteinsatz als Kompanieführer einer Pioniereinheit wurde er krankheitsbedingt, noch garnisonsverwendungsfähig, in das KZ Auschwitz I versetzt.

Im Lager war er Kompanieführer des Wachsturmbanns, von Juni 1942 bis März 1943 dann Adjutant des Lagerkommandanten Rudolf Höß, der auch das Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau befehligte. Dabei war Mulka für Beschaffung und Transport des Giftgases Zyklon B nach Auschwitz und den Transport von Gefangenen in die Gaskammern verantwortlich gewesen. Nachweisbar hatte er bei mindestens vier Transporten die Einsatzbefehle für Mordaktionen gegeben und war nach dem Beweisverfahren mindestens einige Male bei den „Selektionen“ auf der Rampe zugegen. Nach einer Denunziation – Mulka soll sich abfällig über Goebbels geäußert haben – wurde er kurzzeitig inhaftiert und kehrte Mitte 1943 nach Hamburg zurück. Anfang 1944 wurde er in eine Pionierschule in der Nähe von Prag versetzt und dann wegen Krankheit zu Beginn des Jahres 1945 beurlaubt. Bei Kriegsende hielt er sich in Hamburg auf. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Organisation, der SS, wurde er zu einer Haftstrafe von anderthalb Jahren verurteilt und im Frühjahr 1948 entlassen.

Danach nahm er, in einem Revisionsverfahren als „entlastet“ entnazifiziert, seine Tätigkeit als Exportkaufmann in Hamburg wieder auf. Im November 1960 wurde er nach einem Zufall verhaftet. Sein Sohn Rolf Mulka hatte als Segler bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom eine Medaille gewonnen[1] und ein Überlebender war bei dem Namen Mulka hellhörig geworden. Die Verhandlung gegen ihn und (zunächst) 21 andere Mitglieder der Wachmannschaften des KZ-Auschwitz, der sogenannte 1. Auschwitzprozess („Strafsache gegen Mulka und andere“, Az. 4 Ks 2/63), begann am 20. Dezember 1963 vor dem Frankfurter Schwurgericht. Den in den Prozess-Vorbereitungen tätigen Staatsanwalt Joachim Kügler, der auch Sachbearbeiter im Ermittlungsverfahren gegen den KZ-Arzt Joseph Mengele war und 1965 nach Ende des Prozesses aus dem hessischen Justizdienst ausschied, zeigte Mulka wegen Beleidigung an, weil er von ihm als "Angehöriger eines uniformierten Mordkommandos" bezeichnet worden war. Nach 183 Verhandlungstagen wurden am 19. und 20. August 1965 die Urteile verkündet. Mulka wurde wegen „gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen an mindestens je 750 Menschen“ zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Für die rechtliche Beurteilung musste das Gericht entscheiden, ob der Angeklagte als Täter, also mit Vorsatz in Bezug auf die Haupttat, oder als Gehilfe gehandelt hatte. Mulka wurde nur als Gehilfe verurteilt, weil das Gericht den Täterwillen nicht einwandfrei nachzuweisen können glaubte. Im Urteil hieß es dazu:

„Bei Abwägung all dieser Gesichtspunkte bleibt zwar ein erheblicher Verdacht, daß der Angeklagte Mulka als Adjutant die Massentötung der Juden innerlich bejaht und sie bereitwillig unterstützt, somit mit Täterwillen gehandelt hat; letzte Zweifel lassen sich jedoch nicht ausräumen, dass er mehr aus einer Befehlsergebenheit und falsch verstandenen ‚Pflichtauffassung‘ heraus für die reibungslose Durchführung der Vernichtungsaktionen besorgt war, somit nur die Taten der Haupttäter fördern und unterstützen wollte.“[2]

Mulka überlebte in der Strafanstalt Kassel einen Suizidversuch. 1968 wurde er, schwer erkrankt, wegen Haftunfähigkeit vorzeitig entlassen und starb im darauffolgenden Jahr.

Einzelnachweise

  1. Die Welt: Der Massenmörder aus der Isestraße
  2. Vgl. Urteilssammlung Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966. Hrsg. von C. F. Rüter u.a. Amsterdam: University Press Amsterdam, 1979, Bd. XXI, Nr. 595, S. 144. – Ebenso in: Friedrich-Martin Balzer, Werner Renz (Hrsg.): Das Urteil im Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963–1965). Bonn: Pahl-Rugenstein Verlag, 2004, S. 121 f. und Der Auschwitz-Prozess. Tonbandmitschnitte, Protokolle und Dokumente. Hrsg. vom Fritz Bauer Institut und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. DVD-ROM (Digitale Bibliothek, Bd. 101), Directmedia Publishing, 2., durchgesehene u. verbesserte Aufl., Berlin 2005, S. 37.347 f.

Ausstellung

  • Auschwitz-Prozess 4 Ks 2/63 Frankfurt/M („Strafsache gegen Mulka und andere“) Ausstellung des Fritz-Bauer-Instituts

Literatur

  • Bernd Naumann: Auschwitz. Bericht über die Strafsache gegen Mulka u.a. vor dem Schwurgericht Frankfurt. - Frankfurt a.M., Bonn: Athenäum, 1965.
  • Ebbo Demant (Hrsg.): Auschwitz - „Direkt von der Rampe weg...“. Rowohlt-Verlag, Hamburg 1979, ISBN 3499144387
  • Fritz-Bauer-Institut (Hrsg.): Der Auschwitz-Prozeß. Tonbandmitschnitte, Protokolle, Dokumente. DVD-ROM , Directmedia Publishing, Berlin 2004. ISBN 3-89853-501-0
  • Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen.Frankfurt am Main 2005 (zuerst 1964)
  • Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Frankfurt am Main, Berlin Wien, Ullstein-Verlag, 1980, ISBN 3-54833014-2.

Weblinks


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