Robert Weimann

Robert Weimann

Robert Weimann (* 18. November 1928 in Magdeburg) ist Anglist, Literatur- und Theaterwissenschaftler. Professor emeritus, Department of Drama, University of California, Irvine

Inhaltsverzeichnis

Biografisches

1947-1951 Studium der Anglistik und Slawistik an der Martin-Luther-Universität Halle. 1951-1955 wissenschaftlicher Aspirant im postgradualen Studium, mit abschließender Promotion summa cum laude an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ebendort Assistent. Ab 1959 Oberassistent und kommissarischer Leiter der Anglistik-Amerikanistik an der Pädagogischen Hochschule Potsdam. 1962 Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1965-68 Professor für englische Literaturgeschichte und allgemeine Literaturwissenschaft, ebenda. 1968-1991 Bereichs-, später Forschungsgruppenleiter am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR. Gastprofessuren: 1974 University of Virginia, 1982 Toronto, 1984 und 1989 Harvard, 1986 Berkeley, 1991 UC Irvine. 1990 Visiting Scholar, Cornell University. 1985-1993 Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. 1991-1994 kommissarischer Direktor - seit 1993 mit Eberhard Lämmert - des Zentrums für Literaturforschung, Berlin. 1992-2001 Professor für Theaterwissenschaft an der University of California, Irvine.

Mitglied des P.E.N., der Akademie der Künste der DDR 1971; Vizepräsident 1979. Nach Rekonstituierung 1991 Neuwahl in die vereinigte Berlin-Brandenburgische Akademie der Künste. 1996 Wahl in die New York Academy of Sciences, Mitglied im Exekutivkomitee der Internationalen Shakespeare-Assoziation 1985-1994; des Research Council im International Biographical Centre, Cambridge; Ehrenmitglied der Modern Language Association of America (seit 1985). Ehrenpromotion (Dr. h.c.) an der Universität Potsdam (2009).

Vorträge an europäischen Universitäten: Oslo, Kopenhagen, Odensee, Stockholm, Warschau, Krakau, Budapest, Rom, Florenz, Venedig, Turin, Zürich, Genf, London, Oxford, Cambridge. Vorträge am Max Reinhardt Seminar, Wien und dem Institut für Weltliteratur, Moskau.

Schriften

Bücher

  • Drama und Wirklichkeit in der Shakespearezeit. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des elisabethanischen Theaters. Halle 1958 (erweiterte Dissertationsschrift).
  • Daniel Defoe. Eine Einführung in das Romanwerk. Halle 1962.
  • New Criticism” und die Entwicklung bürgerlicher Literaturwissenschaft. Geschichte und Kritik neuer Interpretationsmethoden. Halle 1962 (Habilitationsschrift). Übersetzung ins Russische (Moskau 1965); Ungarische (Budapest 1965); Tschechische (Prag 1974); 2. erw. Aufl. München 1974.
  • Shakespeare und die Tradition des Volkstheaters. Soziologie, Dramaturgie, Gestaltung. Berlin 1967. Übersetzung ins Englische (Baltimore/London 1978; Paperback ed. 1984); ins Japanische (Tokio 1986); Italienische (Bologna 1989).
  • Phantasie und Nachahmung. 3 Studien zum Verhältnis von Dichtung, Utopie und Mythos. Halle 1970.
  • Literaturgeschichte und Mythologie. Methodologische und historische Studien. Berlin/Weimar 1971; Übersetzung ins Russische (Moskau 1975); 2. erw. Aufl. Frankfurt am Main 1977.
  • Structure and Society in Literary History. Studies in the History and Theory of Historical Criticism. Charlottesville 1976, London 1977. Expanded ed. , Baltimore 1984.
  • Literatura: Produkcjo i Recepcja. Studia z metodologii historii literatury. [Sammlung von ins Polnische übersetzten Aufsätzen des Autors, auch zur Rezeptionsästhetik] Warschau 1978.
  • Kunstensemble und Öffentlichkeit. Aneignung, Selbstverständigung, Auseinandersetzung. Leipzig/Halle 1982.
  • Shakespeare und die Macht der Mimesis. Autorität und Repräsentation im elisabethanischen Theater. Berlin/Weimar 1988.
  • Authority and Representation in Early Modern Discourse. Baltimore 1996.
  • Zwischen Performanz und Repräsentation: Shakespeare und die Macht des Theaters. Aufsätze von 1959-1995. Hg. von Christian W. Thomsen und K. Ludwig Pfeiffer. Heidelberg 2000.
  • Author’s Pen and Actor’s Voice. Playing and Writing in Shakespeare’s Theatre. Cambridge UP 2000.
  • Prologues to Shakespeare’s Theatre. Performance and Liminality in Early Modern Drama. London 2004 (mit Douglas Bruster).
  • Shakespeare and the Power of Performance. Stage and Page in the Elizabethan Theatre. Cambridge UP 2008 (mit Douglas Bruster).


Herausgegebene Werke

  • Dramen der Shakespearezeit. Hg. und Einleitung. Leipzig 1964.
  • Tradition in der Literaturgeschichte. Beiträge zur Kritik des bürgerlichen Traditionsbegriffs bei Croce, Ortega, Eliot, Leavis, Barthes u.a. Hg., Einleitung und Beitrag. Berlin 1972.
  • Renaissanceliteratur und frühbürgerliche Revolution. Studien zu den sozial- und ideologiegeschichtlichen Grundlagen europäischer Nationalliteraturen. Hg. und Beitrag. Mit Werner Lenk und Joachim-Jürgen Slomka. Berlin/Weimar 1976.
  • Realismus in der Renaissance. Aneignung der Welt in der erzählenden Prosa. Hg., Einleitung und Beiträge. Berlin/Weimar 1977.
  • Der nordamerikanische Roman. Repräsentation und Autorisation in der Moderne. Hg., Einleitung und Beiträge. Berlin/Weimar 1989.
  • Postmoderne - globale Differenz. Mit Hans Ulrich Gumbrecht. Hg. und Einleitung. Frankfurt am Main 1991.
  • Ränder der Moderne. Repräsentation und Alterität im (post)kolonialen Diskurs. Hg., Einleitung und Beitrag. Frankfurt am Main 1997.

Über 40 Essays und Artikel zu literaturwissenschaftlichen, kulturtheoretischen und historischen Fragen. Übersetzungen in 18 Sprachen.

Forschung: Themen und Resultate

Die frühen Bücher und Schriften waren um eine historische und ästhetische Bestimmung des neuzeitlichen Theaters und des modernen Romans bemüht: eine Neudeutung ihrer soziologischen Voraussetzungen und der darin wesentlich begründeten Themen und Formen. Die Dissertation (1958) verwies bereits auf das soziale “mingle-mangle” (John Lyly) einer Epoche des Übergangs und der Mobilität von Klassen, Individuen, Ideen im Zeitalter des Tudor-Absolutismus und gerade der Blütezeit des elizabethanischen Theaters.

Das Volkstheater-Buch (1967) zielte auf die traditionelle, postrituelle Komponente plebejischer Provenienz im Miteinander von humanistischen, höfischen Renaissance-Elementen und einer oralen, performativen Kultur einer prädramatischen Performance-Praxis. Der in der Shakespeare-Kritik bislang völlig im Vordergrund stehende klassisch-rhetorische Impuls humanistischer Prägung wurde komplementiert und erweitert durch einen oral-performativen Fundus, der aus zum Teil noch heidnisch-rituellen Quellen schöpfte, aus mittelalterlichen Volksbräuchen, weltlich-ruralen Umzügen, Schwerttanz, Pflugspiel und anderen jahreszeitlichen Gepflogenheiten, Vermummungen und dergleichen. Daraus folgerten seinerzeit wenig beachtete Formen und Funktionen, insbesondere solche nicht-klassisch dramaturgischer Natur. Gerade diese Aspekte fanden unerwartete Resonanz im ost- und westdeutschen Gegenwartstheater, aus welchen Gründen das Buch einen wesentlichen Anstoß für die Gründung der Bremer shakespeare company gab und der Autor zur konsultativen Mitarbeit an Berliner Inszenierungen eingeladen wurde, etwa am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble (Manfred Wekwerth) sowie an der Volksbühne (Benno Besson). Peter Stein und Dieter Sturm inszenierten “Shakespeare’s Memory” weitgehend auf obengenanntem Buch basierend.

Beginnend mit der Habilitationsschrift (New Criticism , 1962) wurde ein streitbar bestimmter Umkreis theoretisch-ästhetischer Grundfragen entworfen, der die offene Aufnahme, aber auch die entschiedene Kritik westeuropäisch-moderner Positionen der Formalästhetik mit dialektisch-historisch pointierten Alternativen verband. Während diese zunächst noch unter dem dominierenden Einfluß der antimodernistischen Identifikationsästhetik von Georg Lukàcs standen, erfolgte mit dem Mythologie-Buch (1971/77) eine erhebliche Erweiterung dieser Konzeption. Die gängigen Fixierungen der Widerspiegelungs-Ästhetik, mithin die noch zuweilen starre Konfrontation von Kunst und Wirklichkeit, wurde durch Idee und Praxis der Aneignung von Geist und Welt abgelöst. Im Zeichen dieser Konzeption wurde eine komparatistisch weit ausgreifende Neudeutung der Theorie und Geschichte prosaischer Formen in der Renaissance entworfen, ausführlich eingeleitet und herausgegeben. Schließlich gipfelt die der Mythologie gegenläufige Idee der Literaturgeschichte eine zunächst englischsprachig erkundete Dialektik von “past significance and present meaning”, ausgeführt in dem mehrfach aufgelegten Structure and Society in Literary History (1976/77; 84).

Mit einem Festvortrag zum Luther-Jahr 1982 wurde die Frage nach einer frühneuzeitlichen Medienkultur gestellt, in der sich Buchdruck und Flugschrift, Lesen, Hören und Schreiben in einem neuartigen Wechselverhältnis befanden. Im Bereich ihrer Rezeption und Wirkung wurde der Quellort einer neuartig wandlungsfähigen Wechselwirkung von Macht und Bewußtsein, Herrschaft und Repräsentation ermittelt. Mit kritischem Bezug auf Michel Foucaults Theorie des Verhältnisses von Diskurs und Macht wurden fortan auch die theatralisch-dramatischen und literarisch-prosaischen Formen mit Blick auf die Autorität und Autorisation ihrer Darstellungsweisen erforscht (Shakespeare und die Macht der Mimesis, 1988. In diesem Zusammenhang wurde schließlich ein Band zur sich wandelnden Erzählform und Struktur des amerikanischen Romans auf der Schwelle zur Moderne konzipiert, als Mitautor auch eingeleitet und herausgegeben (1989). Eine englischsprachige Untersuchung zur Prosa der Reformation und frühneuzeitlichen Fiktion publizierte der Autor dann 1996: Authority and Representation in Early Modern Discourse.

Hierzu gaben die europäischen Krisen und Umwälzungen 1989/90 wesentliche Anstöße, und zwar theoretischer wie auch kulturhistorischer Observanz. Diese wurden auch dahingehend neu akzentuiert, daß die Differenz, das Gegen- und Miteinander, von plebejischer Schaustellung und sozial gehobener, humanistischer Schriftkultur zu einer zeitgenössisch relevanten Sicht auf die beiden hauptsächlichen Medien des neuzeitlichen Theaters, Performanz und Text, Spiel und Sprache führte. Historisch-soziologisch und dann darstellerisch, auf Shakespeares Stücke bezogen, wurden diese Zusammenhänge englischsprachig in zwei Büchern 2000 und 2008 entwickelt und vorgestellt. Diese Brennpunkte wurden schließlich auch deswegen gewählt, weil auf deutschen Bühnen der Gegenwart gerade diese zwei Medien ein ehedem packendes Maß von Wechselseitigkeit verloren haben. Im Theater unserer Zeit stehen nun aber alternative Formen vor ungelösten künstlerischen Fragen, wie sie zuletzt in “Sprache und Spiel auf der Bühne” (in: Poetica, 2010) zur Diskussion gestellt wurden.

Preise und Auszeichnungen

  • 1964 Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur, II. Klasse (für Shakespeare-Forschung, zusammen mit Martin Lehnert and Anselm Schlösser)
  • 1971 Friedrich-Engels-Preis (Berlin Academy of Sciences)
  • 1984 Lessing-Preis, Kamenz
  • 1985 Honorary Member of Modern Language Association of America
  • 1988 Honorar-Promotion (Pädagogische Hochschule Potsdam)
  • 1989 Nationalpreis der DDR für Kunst und Wissenschaft, II. Klasse
  • 2002 Man of the Year 2001 (American Biographical Institute)
  • 2007 Gold Medal for Germany (American Bibliographical Institute)
  • 2008 Dr. honoris causa (Universität Potsdam)

Lecturing in European universities (Oslo, Copenhagen, Warsaw, Krakow, Moscow, Budapest, Vienna, Florence, Rome, Zurich, Geneva, London, Oxford, Cambridge, and others)

Mitgliedschaften

P.E.N., deutsch; Akademie der Künste der DDR seit 1969, später (1979-1990) Vizepräsident; 1992 Neuwahl in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Künste; 1996 New York Academy of Sciences; Exekutivkomitee der Internationalen Shakespeare-Assoziazion (1986-1994); Ehrenmitglied der Modern Language Association of America (seit 1985) Visiting Professor in Univ. of Virginia (1974), Toronto (1982), Harvard Univ. (1984; 1989); UC Berkeley (1986); UC Irvine (1990). Visiting Scholar Cornell Univ. (1990)

Consultant in several Shakespeare Productions (incl. Berliner Ensemble, Volksbühne, Deutsches Theater, formerly Max Reinhardt’s)

Quellen

Home Page der Akademie der Künste

Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus: Der Brockhaus multimedial premium 2005, 2005

Weblinks


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