Rutenfest Ravensburg

Rutenfest Ravensburg
Das Logo des Rutenfestes

Das Rutenfest ist ein jährlich vor Beginn der Sommerferien gefeiertes traditionelles Schüler- und Stadtfest im oberschwäbischen Ravensburg. Es reicht in seinen Ursprüngen bis ins 14. Jahrhundert zurück.

„Rutenkinder“ führen den Festzug am Rutenmontag an
Die Rutentrommler der Ravensburger Hauptschulen, die älteste Trommelgruppe der Stadt
Der Schützenkönig beim Adlerschießen 2004, ein Mitglied der „Landsknechte“

Inhaltsverzeichnis

Namensherkunft

Im süddeutschen Raum gibt es mehrere Schülerfeste, die Rutenfest heißen. Das bekannteste und größte neben dem Ravensburger Rutenfest ist das Ruethenfest in Landsberg am Lech; etwas kleiner ist das Fest in Bopfingen.

Zur Herkunft der Bezeichnung Rutenfest gibt es unterschiedliche Legenden. Beispielhaft stützt sich die folgende Darstellung vor allem auf die in Ravensburg verbreiteten „Erklärungen“.

Die meisten dieser Erklärungen wurden im 19. oder frühen 20. Jahrhundert ersonnen.

Zeitweise sehr beliebt war die Verbindung mit den mittelalterlichen Pestepidemien. Diese Legende behauptet, aus Furcht vor Ansteckung hätten sich die Menschen damals nur mit einer Rute die Hand gegeben. Nach dem Ende der Pest hätten sie ein großes Freuden- und Dankfest gefeiert und gelobt, dieses jedes Jahr zu wiederholen. Das Gelöbnis eines regelmäßig wiederholten Dankfestes allerdings lässt sich als Ursprung anderer Feste zwar durchaus historisch nachweisen – für die konkrete Legende zum Rutenfest lassen sich aber keine historischen Belege ausfindig machen. Auch ein zeitlicher Bezug zwischen dem Auftreten der Pest und den ersten Erwähnungen des Fests lässt sich nicht herstellen. Zudem setzt die Erklärung ein Verständnis von Infektionen und Hygiene voraus, das im Mittelalter jedenfalls in Mitteleuropa so noch nicht existierte. Ein weiterer Mangel dieser Erklärung liegt darin, dass sie keinen Bezug zum Charakter der Rutenfeste als Schülerfeste herstellt.

Eine zweite Erklärung war, dass Schulausflüge ins Grüne, bei denen die Schüler die Ruten für das kommende Schuljahr schneiden sollten, als Festanlass dienten. Diese leicht makaber anmutende Erklärung – dienten die Ruten doch der „Züchtigung“ der Schüler – wird auch heute noch in Veröffentlichungen gerne benutzt, zum Teil mit der Ergänzung versehen, die Rute habe so als „Symbol für den Ernst des Lebens“ gedient.

Historisch richtiger ist wohl die Erklärung, dass im Mittelalter die Rute tatsächlich die Grammatik bzw. die Beherrschung der lateinischen Sprachlehre symbolisierte (vgl. den Artikel Artes liberales), weshalb die Lateinschüler zum Schulabschluss mit der feierlichen Übergabe einer Rute geehrt wurden.

Der wohl traditionsreichste Brauch des heutigen Ravensburger Rutenfestes ist die Ehrung der besten Schüler der Abschlussklassen an den Hauptschulen als „Oberstköniginnen“ und „Oberstfähnriche“; dies könnte durchaus als Übertragung des mittelalterlichen Brauchs auf andere Schularten interpretiert werden.

Festverlauf

In das fünftägige Rutenfest stecken die Ravensburger überaus großes Engagement. Nicht nur scherzhaft wird das Rutenfest daher gern auch als Ravensburger Nationalfeiertag bezeichnet. Die Türme und Häuser der Altstadt, aber auch die meisten Privathäuser und viele Autos sind mit tausenden von Fahnen in den städtischen Farben blau-weiß geschmückt. Trommelgruppen, überwiegend Schülerinnen und Schüler der Ravensburger Schulen (seit dem 17. Jahrhundert belegt), sowie Fanfarenzüge ziehen durch die Stadt, um die Anwohner sowie Freunde und Förderer „anzutrommeln“, so dass die Stadt tagelang von allgegenwärtigem Trommelklang und vielen privaten Gartenfesten geprägt ist.

Die offiziellen Programmpunkte, die von der Rutenfestkommission in Zusammenarbeit mit den Schulen und der Stadtverwaltung veranstaltet werden, ziehen auch viele Besucher aus der Region an.

Höhepunkte des Rutenfests sind

  • die Insignienübergabe an das Trommlerkorps der Ravensburger Gymnasien, zusammen mit der Rede des Oberbürgermeisters und des Rutenhauptmanns
  • der Frohe Auftakt in der Altstadt mit zehntausenden Besuchern
  • die Vorstellungen des von Schülern dargebotenen Rutentheaters (seit 1697 belegt)
  • Tanzen – Spielen – Musizieren: Darbietungen von Schülern aller Ravensburger Schulen. Während der Vorführung am Montag werden die Abschlussbesten der Hauptschulen vom Oberbürgermeister ausgezeichnet.
  • der Historische Rutenfestzug durch die historische Altstadt Ravensburgs mit rund 5.500 Mitwirkenden
  • die Schießwettbewerbe für Schülerinnen und Schüler, deren ältester das vom Trommlerkorps selbst organisierte Adlerschießen ist (seit 1823 belegt, zuletzt etwa 1000 Teilnehmer). Beim Adlerschießen schießen männliche Gymnasiasten mit der Armbrust auf die Insignien und Federn eines hölzernen, einköpfigen Reichsadlers; das Schießen wird traditionell von den Landsknechten eröffnet. Schützenkönig ist der Schütze des Reichsapfels. Seit 2003 existiert auch ein Schießwettbewerb für die weiblichen Gymnasiasten, der parallel zum Adlerschießen der Jungen stattfindet. Außerdem gibt es ein Bogenschießen der Realschüler und ein Armbrustschießen der Hauptschüler (Wappenschießen).
  • Am Altenschießen alle fünf Jahre nehmen tausende ehemaliger Ravensburger Gymnasiasten aller Altersstufen teil, um bei einem eigenen Schießwettbewerb erneut auf den Adler zu zielen. Auch beim Bogenschießen gibt es inzwischen – gegenüber dem Altenschießen auf den Adler um ein Jahr verschoben – einen eigenen Schießwettbewerb der Ehemaligen. In diesen „Altschützenjahren“ reisen sogar viele nach Übersee ausgewanderte Ravensburger wieder in ihre ehemalige Heimat zurück.

Literatur

  • Helmut Binder, Alfred Lutz, Markus Glonnegger: Das Ravensburger Rutenfest in Geschichte und Gegenwart. Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach 1997, ISBN 3-924489-87-4
  • Johann Philipp Glökler: Land und Leute Württembergs. 3. Band, Stuttgart 1863, Beschreibung des Rutenfests auf S. 400ff. Volltext: Ravensburg (Glökler) auf Wikisource

Weblinks

 Commons: Rutenfest Ravensburg – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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