Schachcomputer

Schachcomputer
Früher elektronischer Schachcomputer, der Fidelity Chess Challenger Voice

Schachcomputer sind Computer, die speziell zum Spielen von Schach gebaut sind. Sie stellen die Gerätebasis für Computerschach. Sie enthalten dabei ein als Firmware eingebautes Schachprogramm.

Inhaltsverzeichnis

Frühgeschichte

Der „Türke“

Der erste Automat, der angeblich Schach spielen konnte, war der „Schachtürke“ von Wolfgang von Kempelen (1734–1804). Dieser war aber „getürkt“, der Apparat konnte nicht selbstständig Schach spielen. Es war vielmehr ein Schachspieler im Inneren versteckt, der über eine komplizierte Mechanik die Züge ausführte. Einige der besten Schachmeister dieser Zeit bedienten den Türken, zuletzt der Franzose Schlumberger, dessen Tod im Jahre 1838 die aktive Laufbahn der Maschine beendete.

Torres' Turmendspiel-Automat

Im Jahre 1890 konstruierte der Spanier Leonardo Torres Quevedo eine elektromechanische Maschine, die das Endspiel König und Turm gegen König tatsächlich ausführen konnte. Die Maschine steht heute in der Polytechnischen Universität von Madrid. Danach lag die mechanische Schachforschung zunächst weitgehend brach, bis in den 1950er Jahren der Digitalcomputer entwickelt wurde.

Groß- und Spezialrechner

Die Geschichte des Schachcomputers hängt ab jetzt sehr eng mit der Entwicklung von Schachprogrammen zusammen und lässt sich zumeist nicht mehr getrennt behandeln. Hier wird jetzt nur noch die Hardware beschrieben. Zur Entwicklung der Algorithmen siehe den Artikel „Schachprogramm“.

Belle und Cray X-MP

Belle war eine festverdrahtete Maschine, die 1979 von Ken Thompson und Joe Condon in den Bell Laboratories in New Jersey entwickelt wurde. Sie konnte bis zu 180.000 Stellungen in der Sekunde erzeugen und erreichte eine Suchtiefe von bis zu neun Halbzügen. Belle dominierte die Computerschachszene bis 1983. Ihr wurde im gleichen Jahr von der US-Schachföderation der Titel eines Nationalen Meisters verliehen. Dies war die erste Auszeichnung dieser Art für einen Schachcomputer.

Seit 1975 arbeitete Robert Hyatt, ein Professor aus Mississippi, an einem Programm namens Blitz und wandte sich im Jahr 1979 an die Forschungsabteilung der Firma Cray, die ihm einen Spitzenrechner (Cray-1) zur Verfügung stellte. In Zusammenarbeit mit Al Gower, einem Musikprofessor und Fernschachspieler, entwickelte Hyatt Cray Blitz. Doch trotz der Rechenleistung eines solchen Supercomputers (Cray-1 war damals die schnellste Rechenanlage der Welt) war Belle nicht zu besiegen.

Erst mit Cray X-MP wurde Belle im Jahre 1983 von Cray Blitz geschlagen. Cray Blitz war in Fortran, C und Cray-Assembler programmiert. Cray X-MP hatte 16 Prozessoren und eine Leistung von 13.000 Mips. In dieser Konfiguration kostete der Rechner etwa 50 Millionen Dollar. Die Schachberechnungen wurden mit Hilfe eines speziellen Algorithmus auf die Prozessoren verteilt. Cray Blitz wurde 1983 und 1986 Computerschach-Weltmeister. Cray X-MP war kein Schachcomputer im engeren Sinne, sondern ein Universalrechner, auf dem in der Regel andere Programme liefen.

Das Programm Crafty ist ein direkter Nachfahre von Cray Blitz und wird immer noch von Robert Hyatt weiterentwickelt. [1]

Trotz des Sieges der Universalmaschine Cray X-MP (in weiteren Spielen siegte auch Belle wieder) zeigte das Kosten-Nutzen-Verhältnis, dass in Spezialhardware noch ein enormes Potenzial lag: Belle kostete nur ein Tausendstel einer Cray-Maschine.

Hitech

An der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh, USA, baute Hans Berliner einen Spezialrechner namens Hitech. Obwohl es Berliner eher zur B-Strategie hinzog, baute er einen Brute-Force-Rechner mit 64-Prozessoren, der 120.000 Stellungen in der Sekunde untersuchte. Trotz einiger Erfolge blieb der große Durchbruch aus.

Deep Thought und Deep Blue

Deep Thought war eine Vorentwicklung von Deep Blue, der Superschachrechner von IBM, dem letzten Spezialrechner seiner Art. Da PC-Schachprogramme heutzutage 99,9 % der Weltbevölkerung mühelos schlagen, ist auch das Interesse an schachspielenden Groß- und Spezialrechnern zurückgegangen.

Hydra

Der Schachcomputer Hydra ist die zurzeit leistungsstärkste Maschine. Sie ist eine Mischung aus Standard-Hardware (Linux-Computercluster von derzeit 32 Intel-Xeon-Prozessoren) und 32 FPGA-Karten für die Stellungsbewertung. Hydra versucht die Baumsuche zu parallelisieren. Er wird von dem Österreicher Dr. Christian „Chrilly“ Donninger, den Deutschen Dr. Ulf Lorenz und Christopher Lutz sowie dem Unternehmen PAL Computer Systems aus Abu Dhabi entwickelt.

Schachcomputer für den Heimbedarf

Fidelity Elite A/S (1983)
Tandy radio shack 1650 aus den 80er Jahren

Mit dem Fidelity Chess Challenger 1 erschien 1977 der erste kommerzielle Schachcomputer. Dies war der Startschuss zu einer stürmischen Entwicklung von immer neuen und leistungsfähigeren Schachcomputern in den 1980ern. Bei frühen Schachcomputern musste man seinen Zug noch per Tastatur eingeben.

Der Fidelity Elite A/S (Abbildung rechts) konnte jedoch bereits 1983 die Bewegung der Figuren selbst erkennen, wie bei heutigen Schachcomputern (z. B. durch kleine Magnete im Fuß der Figur), die meist die Form eines Schachbretts haben.

Schachroboter

Im Jahr 1983 kam der MB Milton Bradley Milton auf den europäischen Markt. Dieser hatte im Gehäuseunterteil eine Robotereinheit, die mechanisch wie ein Plotter aufgebaut war. Diese Einheit konnte die Figuren per Elektromagnet von unten über das Schachbrett ziehen. Der MB Milton hieß auf dem amerikanischen Markt MB Grandmaster. Beide waren weitenteils baugleich zu weiteren Schachrobotern wie dem Fidelity Phantom 6100 bzw. dem Phantom 6126 Chesster (Eyeball).

Eine andere Bauform vom gleichen Prinzip war im Excalibur Mirage eingesetzt worden. Andere Firmen bauten aufwändigere Schachroboter, indem die Bewegung der Figuren über einen oberhalb des Schachbrettes angebrachten Roboterarm vollzogen wurde. Beispiele hierfür sind der NOVAG Robot Adversary oder der nie in Serienproduktion gegangene Excalibur Talking Robotic Chess 740.

Aktuelle Geräte

Heutzutage werden Micro-Schachcomputer hauptsächlich im Niedrigpreis-/Leistungssegment verkauft. Aktuelle Geräte aus der Massenproduktion verzichten auf mechanische Extras und legen den Schwerpunkt auf Trainingsfunktionen, zum Beispiel gespeicherte Übungen und Warnungen bei groben Fehlern. Die Marktnische für Schachcomputer mit besonders hochwertiger Ausstattung wird vorwiegend vom Gebrauchtmarkt bzw. innerhalb einer Sammlerszene bedient. Darüber hinaus gibt es Kleinserien neuer Geräte mit Spezialversionen von Software-Schachengines.

Einen besonderen Weg ging die Schachcomputerentwicklung in der DDR, wo man den Schwerpunkt auf die Entwicklung von Schachcomputern für gehobene Ansprüche legte, insbesondere auch zwecks Deviseneinnahmen aus dem Export ins westliche Ausland.

Wettbewerbe

Schaltbild des Tandy Radio Shack 1650

Um den Interessen der Hersteller Rechnung zu tragen, wurde seit Anfang der 80er Jahre eine jährliche Weltmeisterschaft der „Micro-Schachcomputer“ ausgetragen. Häufig traten dabei die Teilnehmer mit speziell für das Turnier getunten Geräten an. Die erfolgreichsten WM-Schachcomputer enthielten Programme von Dan und Kathe Spracklen (Fidelity, CPU 6502, Ursprung Sargon) und Richard Lang (Mephisto, CPU 68000, Ursprung Psion).

Bei der für alle Hardwareplattformen offenen 7. Computerschach-Weltmeisterschaft gelang es im Jahr 1992 in Madrid erstmals einem Micro, der ChessMachine Gideon 3.1 von Ed Schröder (auch als Mephisto RISC II Schachcomputer vermarktet), die Groß- und Spezialrechner zu distanzieren.

Ab Anfang der 1990er wurde für Schachprogramme verstärkt der Personal Computer eingesetzt, der ab diesem Zeitpunkt die leistungsfähigere und portablere Plattform darstellte. Der Markt für hochpreisige Micro-Schachcomputer brach zusammen. Es begann die Dominanz der PC-Schachprogramme (z. B. HIARCS, Rebel, Fritz, Genius, MChess). Die Micros nahmen ab 1994 nicht mehr an ihrer eigenen Weltmeisterschaft teil, die noch bis 2001 fortgeführt wurde.

Micro-Schachcomputer Weltmeisterschaften (WMCCC)

Nr. Jahr Austragungsort Gewinner
1. 1980 London Fidelity Champion X
2. 1981 Travemünde Fidelity Elite, SciSys Mark V
3. 1983 Budapest Fidelity Elite A/S Budapest
4. 1984 Glasgow Fidelity Elite A/S Glasgow, Princhess X, Mephisto III-S, Psion
5. 1985 Amsterdam Mephisto Amsterdam
6. 1986 Dallas Mephisto Dallas
7. 1987 Rom Mephisto Roma
8. 1988 Almeria Mephisto Almeria
9. 1989 Portoroz Mephisto Portorose
10. 1990 Lyon Mephisto Lyon
11. 1991 Vancouver Mephisto Vancouver, Gideon (Mephisto RISC I)
12. 1993 München Mephisto Genius, HIARCS
13. 1995 Paderborn Mchess Pro 5.0
14. 1996 Jakarta Shredder
15. 1997 Paris Junior P2-300
16. 1999 Paderborn Shredder (gleichzeitig Computerschachweltmeisterschaft 1999)
17. 2000 London Shredder
18. 2001 Maastricht Deep Junior (2xIntel 1GHz)

Um die Spielstärke von Micro-Schachcomputern und PC-Programmen zu vergleichen, erhalten diese für ihre Spiele untereinander eine Elo-Zahl, die auf der SSDF-Liste gepflegt wird.

Schachcomputer vs Mensch

Deep Blue gelang es als erstem Computer der Welt 1996, einen amtierenden Schachweltmeister, Garri Kasparow, in einer Partie mit regulären Zeitkontrollen zu schlagen.

Siehe auch

Literatur

  • Spracklen, Dan & Kathe (1978). Sargon: A Computer Chess Program. Hayden Book Company. ISBN 0-8104-5155-7.
  • Ketterling, Schwenkel, Weiner (1983). Schach dem Computer. Goldmann Ratgeber. ISBN 3-442-10861-6.
  • Frickenschmidt, Dirk (1985). Schach mit dem Computer. Falken Verlag. ISBN 3-8068-0747-7.

Weblinks

 Commons: Schachcomputer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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