Schamil

Schamil
Imam Schamil, Lithographie von R. Hoffmann nach Laurens

Imam Schamil (russisch имам Шамиль; * um 1797 in Gimry, Dagestan, † März 1871 bei Medina in Saudi-Arabien). Führer der muslimischen Bergvölker Dagestans und Tschetscheniens, deren heftiger Widerstand die russische Eroberung des Kaukasus um 25 Jahre verzögerte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schamil war der Sohn eines Landbesitzers und gehörte dem Volk der Awaren an. Er studierte Grammatik, Logik, Rhetorik und Arabisch, erwarb sich Ansehen als Gelehrter und trat 1830 der Sufi-Bruderschaft (Tariqa) der Naqschbandiyya bei, die in Russland als Muridismus (russ. мюридизм) bezeichnet wurde. Unter der Führung des Imams (politisch-religiösen Führer) Ghazi Muhammad (russisch Kazi-Mullah/Кази-Мулла) setzten sich dagestanische Bergvölker ab ungefähr 1827 gegen die dagestanischen Fürsten der Ebene und den russischen Staat, der die Fürsten stützte und zu Vasallen machte, zur Wehr. Ab 1830 schlossen sich auch Tschetschenen unter Hadschi-Taschaw der antikolonialen Widerstandsbewegung an. Ideologische Grundlage des Widerstands war der Islam, der die unterschiedlichen Ethnien Dagestans und Tschetscheniens einigte. Schamil wurde zu einem der wichtigsten Mitstreiter Ghazi Muhammads. Als die russische Armee 1832 die Festung Gimry in Dagestan stürmte, kam Ghazi Muhammad und bis auf Schamil und einem weiteren alle Mitstreiter ums Leben. Doch nicht Schamil sondern Hamza Bek ibn ´Alî Iskandar Bed al-Hutsâlî (russ. Гамзат-бек) wurde zunächst Imam. 1834 fiel dieser einer Blutrache von Hadschi Murat zum Opfer. Jetzt konnte sich Schamil gegen Hadschi-Taschaw durchsetzten und wurde zum dritten Imam Dagestans und Tschetscheniens gewählt, konnte in Tschetschenien aber erst 1836 seinen Anspruch gegenüber Hadschi-Taschaw endgültig durchsetzen.

Imam Schamil ergibt sich. Gemälde von Franz Roubaud

1839 kam es im dagestanischen Achulgo zur verheerenden Niederlage Schamils gegen die russische Armee. Sein Sohn war bereits als Geisel der russischen Armee übergeben worden, doch scheiterten die Kapitulationsverhandlungen und die russische Armee stürmte die Festung. Wieder konnte Schamil entkommen und 1840 die Widerstandsbewegung von Tschetschenien aus wieder aufbauen. In der Folge begann Schamil mit dem Aufbau eines unabhängigen Staates, um dem Widerstand eine solidere Grundlage zu geben. Dazu schuf er eine dreistufige Hierarchie von Dorfvorstehern, Gebietschefs und schließlich seiner eigenen Zentralregierung. Die Gebietschefs rekrutierten sich aus seinen stellvertretenden Heerführern. Der Staat erhielt ein stehendes Heer, Postwesen, Steuerverwaltung und ein eigenes islamisches Gerichtswesen.

Schamil erlebte den Höhepunkt seiner Macht, als er das gegen ihn entsandte große Heer des neubestellten Kaukasus-Statthalters Michail Woronzow 1845 fast vollständig vernichtete. Diese Erfolge erregten auch in Westeuropa einiges Aufersehen. Doch die folgende, von Woronzow angegangene, Reorganisation der gesamten russischen Politik im Nordkaukasus leitete den Niedergang von Schamils Macht ein.

Nach dem Ende des Krimkriegs 1856 entschloss man sich, die wegen des Krimkriegs im Kaukasus stationierten zusätzlichen Truppen gegen Schamil einzusetzen und begann 1857 eine erneute großangelegte Militärkampagne, die die endgültige Niederwerfung Schamils zur Folge hatte. Ein gut ausgerüstetes 200.000 Mann starkes zaristisches Heer unter den Generälen N. I. Jewdokimow und A. I. Barjatinski kreiste Schamil ein. Allmählich wurde die Situation für Schamil und seine Unterstützer und Mitkämpfer in den Dörfern aussichtslos, so dass eine stufenweise Kapitulation einsetzte. Schließlich stürmten die Russen im April 1859 Schamils Festung bei Wedeno in der Hoffnung auf seine Festnahme. Schamil wurde nicht gefunden, da er die von den Russen gestellte Falle erkannt und sich mit hunderten seiner Kämpfer auf den Berg Gunib zurückgezogen hatte. Am 25. August 1859 ergab sich Schamil selbst angesichts der russischen Übermacht. Er wurde nach Sankt Petersburg gebracht. Auch wenn nach 1859 keine weiteren erfolgreichen Aufstände gegen die russischen Invasoren gelangen, so ist das Anti-Koloniale Empfinden dieser Gebiete bis heute in den Herzen der Bevölkerung bestehen geblieben.

Wie schon nach der Invasion des Krim-Khanates, flohen große Teile der nordkaukasischen Bevölkerung in das Osmanische Reich. Ihre Heimat, das Dar al-Islam wurde nun von Ungläubigen besetzt und so zum Dār al-Harb.

Von St. Petersburg wurde Schamil nach Kaluga im Süden Moskaus verbannt. 1870 unternahm er mit der Erlaubnis des Zaren eine Pilgerreise nach Mekka. Dort starb er im folgenden Jahr in der Nähe von Medina im heutigen Saudi-Arabien.

Einer seiner Söhne diente in der russischen Armee, ein anderer, Ghazi Mehmed, verließ aber Russland und ging nach Istanbul; 1877 befehligte dieser ein tscherkessisches Freikorps in Armenien.

Bis heute existiert besonders bei den Tschetschenen der Heldenmythos von Imam Schamil, dem "Löwen von Tschetschenien“.

Siehe auch

Literatur

  • Moshe Gammer, Muslim Resistance to the Tsar, Shamil and the Conquest of Chechnia and Daghestan, London 1994
  • John Frederick Baddeley, The Russian Conquest of the Caucasus, Richmond 1999 (Nachdruck der Originalausgabe 1907)
  • Schamiloglu Uli, Muslims in Russia, OTTN Publishing, Stockton, 2006.
  • Helmut Höfling, Der Löwe vom Kaukasus. Historischer Roman um den Volkshelden Schamil, 1990
  • Pjotr Pawlenko Sturm über dem Kaukasus (historischer Roman), Verlag der Nation, Berlin (DDR), 1961

Weblinks


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