Schaubühne Lindenfels

Schaubühne Lindenfels
Die Schaubühne Lindenfels

Die Schaubühne Lindenfels ist eine Kulturinstitution im Leipziger Westen. Sie besteht aus einem alten Ballsaal, der für Theater, Konzerte und weitere Veranstaltungen genutzt wird, einem Restaurant und einem Programmkino.

Hinter der Marke Schaubühne Lindenfels verbergen sich zwei eigenständige Träger, die für die unterschiedlichen Bereiche verantwortlich sind. Im August 2005 wurde mit dem Eintrag ins Handelsregister die Umwandlung des bisherigen Trägervereins (Verein für internationale Theatererkundungen) in die gemeinnützige Schaubühne Lindenfels Aktiengesellschaft rechtsgültig vollzogen. Diese ist Eigentümerin der Immobilie und Rechtsträgerin des Theaterbetriebes. Darüber hinaus beteiligt sich als gewerblicher Mieter die Nora Roman GmbH & Co. KG (verantwortlich für Gastronomie, Musik- und Literaturveranstaltungen) an der Programmvielfalt der Schaubühne.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1874 errichtete der Leipziger Maurer Carl Schmidt in der Leipziger Straße (seit 1893 Karl-Heine-Straße) Ecke Hermannstraße (seit 1907 Hähnelstraße) eine Gastwirtschaft. 1876 erwarb Schmidt das Nachbargrundstück und baute innerhalb von drei Monaten eine »Gesellschaftshalle« für Tanz- und weitere Veranstaltungen an sein Lokal an. Das von außen schmucklose Gebäude barg im Inneren einen prunkvollen Ballsaal mit einer von verzierten Säulen getragenen umlaufenden Galerie und einer Orchester-Muschel. Im viel kleineren Keller befand sich eine Kegelbahn. Wenig später errichtete Schmidt auf dem an der anderen Seite angrenzenden Grundstück (Hermannstraße 29) sein eigenen Wohnhaus, was ihn aber in finanzielle Schwierigkeiten brachte. So wurde 1880 die Credit- und Sparbank Eigentümerin aller Grundstücke.

1881 wurde Alexander Heyer neuer Eigentümer. Er plante, auf dem nächsten angrenzenden Grundstück (Hermannstraße 27) einen »Concertgarten« einzurichten, wozu es aber nicht kam, denn Heyer verkaufte 1890 an Theodor Wezel. Dieser errichtete 1892 hinter einer Umfriedung aus Ziegelsteinen schließlich doch eine »Concertgarten-Anlage« mit Laubengängen im Kolonialstil. Er ließ auch die Gesellschaftshalle renovieren, die daraufhin durch einen Durchgang mit dem Concertgarten verbunden wurde. Am 1. April 1899 verkaufte Wezel alle Liegenschaften an Johann Max Nohke.

Nohke beauftragte den Leipziger Gründerzeit-Architekten Emil Franz Hänsel, die Gesellschaftshalle erheblich zu erweitern und außerdem einen zweigeschossigen »Kleinen Saal« auf dem Gelände des ehemaligen Concertgartens in der Hermannstraße anzubauen (der heutige Lindenfels Westflügel). Dieser als eigenständiger Veranstaltungsort konzipierte Bau mit seinem acht Meter hohen Kuppelhimmel konnte bei Bedarf mittels handbetätigter Zahnradwellen verschiebbarer Jalousie-Wände mit dem Saal der alten Gesellschaftshalle verbunden werden. Teile dieser Konstruktion sind noch heute vorhanden. Am 23. September 1900 eröffnet schließlich der Ballhauskomplex »Gesellschaftshalle zu Lindenau« in der Karl-Heine-Straße 50. Die neue Gesellschaftshalle wurde mit einer gründerzeitlichen, vom Jugendstil inspirierten Schauseite mit Terrasse und Freitreppe geschmückt. Im neuen Haus gab es keine Küche, die Speisen wurden aus der Küche des Eckhauses über den Hof gebracht.

Auch Nohke hatte sich mit dem Umbau übernommen. So ging das Anwesen mit drei Gaststätten per Zwangsversteigerung am 2. Juli 1904 an Otto Besser, Teilhaber der Dampfbrauerei Zwenkau. Er benannte das Etablissement in »Schloss Lindenfels« um und veranstaltete dort jeden Freitag und Sonntag »Concert und Ball«, ab 1906 auch Kino. Die Kinovorführungen scheiterten jedoch, so dass Bessers Pächter, Carl Cramer, 1907 »Öffentliche Theatralische Veranstaltungen« anbot. 1913 pachtete der Leipziger Kinobesitzer Joseph Fey den Saal und begann am 13. Februar 1913 wieder mit dem Kinobetrieb. 1922 erwarb dann Otto Morgenstern die Grundstücke. Er stellte das Lindenfels u. a. der Religionsgemeinschaft der Mormonen für Versammlungen zur Verfügung. Arthur Stoppe, seit 1931 Pächter des Schloss Lindenfels, zeigte bis 1945 hier Kinofilme.

1939 wurde das Anwesen geteilt. Morgensterns Witwe Martha verkaufte den Kleinen Saal an Willi Ludwig Karl Hücking, der ihn an die nebenan befindliche Ofenrohr- und Blechwarenfabrik Frölich verpachtete. Die Firma Frölich erhielt 1943 im Zuge eines Großauftrages (ständige Vorhaltung von 40 Tonnen Ofenrohren für den Einsatz bei Fliegerschäden) die Genehmigung zum Einzug einer Zwischendecke im Kleinen Saal. Damit erfolgte der endgültige Umbau zur Fabrik. Frölich betrieb auch in der DDR seine Firma weiter und baute 1957 ohne Genehmigung einen Lastenaufzug ein. Die Fabrik produzierte mindestens bis 1975. Daraufhin stand der heutige »Lindenfels Westflügel« ungefähr 20 Jahre leer, die Räume und Details des einzigartigen Jugendstilbaus blieben aber über die Dauer der verschiedenen Nutzungen hinweg erhalten.

Das Kino in der Karl-Heine-Straße wurde 1949 zu einem Volkseigenen Betrieb und hieß »Lichtspieltheater Lindenfels«. Es wurde 1956 saniert und war bis zu einer Heizkesselhavarie im Winter 1987 in Betrieb. Danach wurde die Heizungsanlage stillgelegt und das Kino geschlossen.

Gegenwart

Logo der Schaubühne Lindenfels

Schauspieler vom Theaterhaus Jena entdeckten das brachliegende Gebäude 1993 und beschlossen, ein eigenes Theaterhaus zu gründen. Nach ersten Sanierungsarbeiten wurde es am 15. September 1994 mit der Premiere des Stücks Der Golem und der Vorführung des Films Letztes Jahr in Marienbad eröffnet. Es folgten Tanz- und Theaterinszenierungen von den Gründern Anka Baier und René Reinhardt sowie von Regisseuren wie Sebastian Hartmann und Jan Jochymski. Regisseure wie Volker Schlöndorff präsentierten ihre Filme. Nina Hagen, Ulla Meinecke, Funny van Dannen oder die Fehlfarben gaben Konzerte. Regelmäßig liest Wiglaf Droste im Lindenfels, und Wladimir Kaminer lädt zur Russendisko.

Die Schaubühne Lindenfels ist auf Fördergelder angewiesen. Da diese nicht in ausreichendem Maß fließen, stand das Haus schon mehrere Male vor dem Aus. 2002 rettete EnBW durch ein Sponsoring-Angebot den Kulturbetrieb vor der Schließung. Seit 2005 firmiert die Schaubühne Lindenfels als gemeinnützige Aktiengesellschaft. In der Folge ist es dem Trägerverein gelungen, das sanierungsbedürftige Haus zu erwerben. Die Aktionäre werden nicht mit der Aussicht auf Dividende gelockt, sie erhalten für ihr Engagement in die Kultur Kunstaktien, gestaltet bislang von Thomas Moecker, Verena Landau, Christoph Ruckhäberle, und Frank-Heinrich Müller.[1]

Im Jahr 2003 richtete das international renommierte Figurentheater Wilde & Vogel im Lindenfels Westflügel eine Produktions- und Aufführungsstätte ein. Auch Kunstausstellungen finden dort in loser Folge statt.

Im Juni 2009 stellte nach langen Verhandlungen mit der Schaubühne gAG die bisher für Kino/Filmkunst, Musik- und Literaturveranstaltungen verantwortliche Michael Ludwig & Christoph Ruckhäberle GbR den gewerblichen Kinobetrieb an diesem Standort ein, weil er nicht mehr kostendeckend war. In der Folgezeit entstand unter dem Dach der Schaubühne gAG ein nicht-gewerblich organisiertes Kino mit einem deutlich reduzierten Programm.

Literatur

  • Rainer Bodey et. al.: Lindenfels. Von der Gesellschaftshalle zur Schaubühne. Lindenauer Geschichte(n), H. 1. Lindenauer Stadtteilverein e. V., Leipzig 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Aktien der Schaubühne Lindenfels
51.3317912.334575

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