Gemeinnützige Aktiengesellschaft

Gemeinnützige Aktiengesellschaft

Die gemeinnützige Aktiengesellschaft (Abkürzung gAG) ist eine Kapitalgesellschaft in der Form einer Aktiengesellschaft. Die rechtliche Behandlung richtet sich entsprechend nach den Vorschriften des Aktiengesetzes. Die Verwendung der Bezeichnung „gemeinnützige“ AG ist eine steuerrechtliche Besonderheit, mit der auf eine gemeinnützige Ausrichtung der AG – im Gegensatz zur üblichen gewinnorientierten Betätigung – hingewiesen werden soll. Eine besondere Gesellschaftsform ist damit nicht verbunden, sondern vor allem Vorschriften hinsichtlich der Gewinnverwendung. Die Erträge der Gesellschaft sind für gemeinnützige Zwecke zu verwenden und dürfen nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO). Entsprechen Satzung und tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts der AO, wird die Gesellschaft von bestimmten Steuern ganz oder zum Teil befreit.

Mit der Gründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft besteht die Möglichkeit, einen laufenden Geschäftsbetrieb funktional einer Stiftung anzunähern. Es kommt häufig vor, dass gemeinnützige Stiftungen als Aktionäre von gemeinnützigen AGs fungieren und – weil Stiftung und AG als separate juristische Personen agieren – auf diese Weise ein Unternehmen aus dem Stiftungsvermögen ausgliedern.

Inhaltsverzeichnis

Vorschriften

Neben den Vorschriften des Aktiengesetzes gelten auch die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erfolgt durch das zuständige Finanzamt. Diese Anerkennung setzt eine auf gemeinnützige Zwecke gerichtete Satzung voraus. Im Gesellschaftsvertrag (Satzung) werden daher die Strukturelemente der AG mit den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts verbunden.

Struktur

Nach dem Aktienrecht gelten die grundsätzlichen Anforderungen an die Struktur, den Gesellschaftsvertrag und die Geschäftsführung einer „normalen“ Aktiengesellschaft auch für die gAG.

Zusätzlich muss die Satzung die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllen. Zu diesen Anforderungen gehört u. a.:

  • Die Gesellschaft muss einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Gesellschaftszweck haben
  • Der Unternehmensgegenstand muss aus Aktivitäten zur Erfüllung dieses steuerbegünstigten Zwecks bestehen
  • Der Zweck muss selbstlos, ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden
  • Aus der Satzung muss sich ergeben, dass das Vermögen der Gesellschaft − mit Ausnahme der Stammeinlagen − bei Auflösung der Gesellschaft oder Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke nicht an die Aktionäre ausgeschüttet wird, sondern an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft (Vermögensbindung).

Steuerliche Handhabung

Vorteile der gemeinnützigen AG liegen vor allem im Steuerrecht und hier in der Befreiung von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Daneben erhält die gemeinnützige AG die Berechtigung, Zuwendungsbestätigungen für Spenden auszustellen. Diese Bestätigungen führen beim Spender zum Sonderausgaben- oder Betriebsausgabenabzug. Bei Leistungen im ideellen Bereich entfällt die Umsatzsteuer, für Leistungen in Zweckbetrieben gilt der reduzierte Umsatzsteuersatz von z.Zt. 7 Prozent.

Vor- und Nachteile, Besonderheiten

Die gemeinnützige AG paart die Vorteile der typischen, auf gewerbliche Aktivität gerichteten Rechtsform der AG mit den Steuervorteilen, die das Gemeinnützigkeitsrecht bietet. Sie ist ein Rechtsgebilde des Übergangs zwischen dem gemeinnützigen und dem gewinnorientiert tätigen Sektor. So wird beispielsweise das Ehrenamt, welches für Vereine und Stiftungen noch kennzeichnend ist, bei der AG regelmäßig ersetzt durch einen hauptamtlich tätigen Vorstand. Die dafür benötigten finanziellen Mittel stammen aus den Umsätzen der AG und mindern deren gemeinnützigen zu verwendenden Gewinn. Andererseits können durch bestimmte Buchführungs- und Publizitätspflichten höhere Verwaltungskosten entstehen.

Über die Verbriefung der Aktionärsstellung in Aktien können die Beteiligungsverhältnisse einfach, aber kontrollierbar (durch Namensaktien) verändert und an den Vorstellungen der Beteiligten ausgerichtet werden. Die Aktiengesellschaft ist daher als Rechtsform für besonders intensiv dem Wettbewerb ausgesetzte Bereiche des Sozialen Engagements gut geeignet.

Weiterhin bietet sich die Aktiengesellschaft zur besseren Einbeziehung der Bürger in die Arbeit des Dritten Sektors an. Der Staat ist mit der Alleinverantwortung für alle gesellschaftlichen Fragestellungen, Belange und Aufgaben überfordert. In der Zukunft wird daher noch vermehrt die Notwendigkeit bestehen, dass engagierte Bürger soziale Aufgaben in gemeinnützigen Organisationen übernehmen müssen.

Besonders vielfältige Partizipationsmöglichkeiten bietet hier die Organisations- und Unternehmensform der gemeinnützigen Aktiengesellschaft. Der Erwerber von Aktien wird Miteigentümer des Unternehmens und bekommt als solcher ein besonderes Mitspracherecht. Dass die gemeinnützige Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre keine Dividende ausschütten darf, wird durch die unternehmerischen Mitwirkungsmöglichkeiten aufgewogen. Denn der Aktionär wird regelmäßig über die Entwicklung „seines“ Unternehmens informiert und er kann seine Vorstellungen und Erfahrungen auf der Hauptversammlung, bei Interesse auch im Beirat, einbringen.

Dadurch beeinflusst er den gesellschaftlichen Umgang mit sozialen Problemlagen und wirkt an der Entwicklung seines Unternehmens mit. Gleichzeitig kann er seinem bürgerschaftlichen Engagement Ausdruck verleihen und mit seiner Aktionärsstellung im gesellschaftlichen Umfeld „ein Zeichen setzen“.

Aus der Sicht des Unternehmens steht im Vordergrund, dass die Geldgeber, anders als bei Spenden, in die weitere Entwicklung ihres Unternehmens einbezogen bleiben. Auch können Mitarbeiter als Aktionäre beteiligt und dadurch ideell eingebunden werden.

Beispiele

Bekannte gemeinnützige AGs sind:

Literatur

  • Stephan Schauhoff (Hrsg.): Handbuch der Gemeinnützigkeit. Verein – Stiftung – GmbH. Recht, Steuern, Personal. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52710-8
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