- Schulgebet
-
Ein Schulgebet ist ein gemeinsames Gebet aller Schulkinder einer Schulklasse vor Beginn (oder auch am Ende) des Unterrichtes. Die Durchführung eines Schulgebetes steht im Konflikt mit der negativen Religionsfreiheit und dem Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.
Gegenwärtig findet das Schulgebet in Deutschland in konfessionsgebundenen Schulen statt. In bestimmten Ländern ist das Schulgebet noch heute allgemein geübte tägliche Praxis. In laizistischen Staaten ist das Schulgebet unüblich.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Schulwesen in Europa wurde seit dem Mittelalter durch die Kirchen getragen. Sowohl der Religionsunterricht als auch das Schulgebet waren selbstverständliche Bestandteile des Schulunterrichts. Mit der Reformation stellte sich die Frage des (korrekten) Schulgebetes erstmals. Gemäß dem Prinzip Cuius regio, eius religio (wessen Gebiet, dessen Religion) teilte sich das Schulwesen in katholische und protestantische Schulen. Auch wenn die Formen des Schulgebetes sich nun konfessionell unterschieden, stellte niemand die Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit eines Schulgebetes in Frage.
Mit der mit dem Zeitalter der Aufklärung aufkommenden Religionsfreiheit erfolgte zunächst einmal die Freiheit der Einrichtung konfessioneller Schulen, die die Tradition des Schulgebetes beibehielten.
Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich die Simultanschule durch. Auch wenn diese nun konfessionsübergreifend war, basierte sie dennoch auf dem gemeinsamen christlichen Glauben. Weiterhin wurden (ökumenische) Schulgebete gesprochen und das Schulgebet nicht in Frage gestellt.
Mit der Novemberrevolution setzte sich in Deutschland erstmals das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche in Ansätzen durch. Die Teilnahme am Schulgebet wurde freiwillig. Trotz dieser formellen Freiwilligkeit setzten sich Schüler, die nicht an dem Schulgebet teilnehmen wollten, der Gefahr der sozialen Isolierung aus. 1965 erklärte der Hessische Staatsgerichtshof daher das Schulgebet für unzulässig[1]. 1979 entschied das Bundesverfassungsgericht „Das Schulgebet ist grundsätzlich auch dann verfassungsrechtliche unbedenklich, wenn ein Schüler oder dessen Eltern der Abhaltung des Gebets widersprechen; deren Grundrecht auf negative Bekenntnisfreiheit wird nicht verletzt, wenn sie frei und ohne Zwänge über die Teilnahme am Gebet entscheiden können.“[2].
Aktuelle Situation in Deutschland
Anlässlich des sog. Kopftuchstreits und der öffentlichen Diskussion um Kreuze in Klassenzimmern (siehe z.b. Kruzifix-Beschluss, Aygül Özkan) und anderen öffentlichen Institutionen (z.B. Gerichten) wurde auch das Schulgebet diskutiert.
Neue Aufmerksamkeit hat das Thema „Schulgebet“ durch ein OVG-Urteil bekommen: der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entschied im Mai 2010, dass eine Berliner Schule berechtigt ist, einem muslimischen Schüler das Beten in Unterrichtspausen zu verbieten. Der Schüler Yunus M. hatte auf dieses Recht geklagt und den Prozess in erster Instanz gewonnen[3] (Aktenzeichen VG 3 A 984.07[4]). Das Zusammentreffen verschiedener Religionen am Diesterweg-Gymnasium im Berliner Ortsteil Gesundbrunnen berge erhebliches Konfliktpotenzial, das den Schulfrieden gefährde. Die Konflikte (so die Vorsitzende Richterin) würden sich verschärfen, wenn die Ausübung des muslimischen Gebets gestattet würde. Das Urteil gilt nur für den Einzelfall; ihm wird aber eine Signalwirkung zugeschrieben.
Das Gebet sei zwar vom Grundrecht der Religionsfreiheit erfasst, es sei hier aber einzuschränken. Würde man religiöse kultische Handlungen zulassen, sei der Schulfrieden und der Schutz der Grundrechte der Mitschüler nicht hinreichend zu gewährleisten. Das rituelle islamische Pflichtgebet sei nach außen wahrnehmbar - anders als das stille Gebet des Einzelnen. Es sei plausibel, dass die Schule einen Raum gestellt habe. Würde man dies auch in anderen Fällen verlangen, sprenge es (angesichts der Vielzahl der Glaubensrichtungen) die organisatorischen Möglichkeiten der Schule; der Schüler habe auch keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf.
Die Prozessvertreter des Berliner Senats (dieser hatte gegen das erstinstanzliche Urteil geklagt) betonten in der mündlichen Verhandlung, das Gebet sei ein „Kollektivritus mit politischem Charakter, der Einfluss auf andere ausüben soll“, es sei demonstrativ und missionarisch. Schüler würden ausgegrenzt oder unter Druck gesetzt. Ein vom Senat beauftragter Islamwissenschaftler betonte, Muslime dürften ihr Mittagsgebet problemlos mit einem späteren Gebet zusammenlegen.
Der beim OVG Berlin-Brandenburg unterlegene Schüler Yunus M. hat inzwischen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt [5]. Wenn Yunus M. auch dort verliert, könnte er noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.[6]
Andere Länder
USA
In den USA wird die Religionsfreiheit durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt. Die sogenannte „establishment clause“, die zum Schutz vor der Etablierung einer Staatsreligion dient wurde 1985 im Fall Wallace vs. Jaffree[7] durch den Supreme Court dahingehend ausgelegt, dass Schulgebete grundsätzlich zulässig seien.
Einzelnachweise
- ↑ VerfG 1970
- ↑ BVerfG 1979
- ↑ [1]
- ↑ spiegel.de vom 29. September 2009
- ↑ http://www.tagesspiegel.de/berlin/gebetsraum-streit-kann-noch-jahre-dauern/1928920.html tagesspiegel.de vom 8. September 2010
- ↑ sueddeutsche.de vom 27. Mai 2010
- ↑ Wallace vs. Jaffree 1985
Weblinks
Wikisource: Einige Schul-Gebete – Quellen und VolltexteKategorien:- Gebet
- Religionsfreiheit
- Schule und Religion
Wikimedia Foundation.