Schulkartografie

Schulkartografie

Schulkartografie ist eine synonyme Bezeichnung für schulbezogene Aktivitäten und Erzeugnisse eines Zweiges der Kartografie, der mehrere Fachbereiche der Schule erfasst. Es sind vor allem der Geografieunterricht und der Geschichtsunterricht. Diese Fächer sind die breitesten Anwendungsfelder von kartografischen Medien im Schulunterricht, zumal für beide Wissenschaftsdisziplinen Raum und Zeit grundlegende Koordinaten sind (Raum in der Zeit; Zeit im Raum). Für circa 150 Jahre war die Schulkartografie häufig das "Pionierfeld" der Kartografie (z. B. Regionalfarben, Schweizer Manier, thematische Karten).

Inhaltsverzeichnis

Medien der Schulkartografie

Das Mediensortiment für die Kartenarbeit bilden Schulwandkarten, Projektionsfolienkarten (Transparentkarten, Großdias) und Posterkarten als "frontale" Unterrichtsmittel sowie Schülerhandkarten, Schulatlanten und Lehrbuchkarten als "Arbeitsmittel der Schüler". In neuerer Zeit tritt noch die Bildschirmkarte als Informations-, Demonstrations- und Schülerarbeitsmittel hinzu.

Geschichtliche Entwicklung

In der DDR (1949–1990)

In der DDR entwickelte sich im Ergebnis straffer und fachübergreifender Wissenschaftsorganisation der geografiedidaktische Bereich zur "Geografischen Schulkartografie", deren Gegenstand die didaktisch-methodisch aufbereitete Gestaltung kartografischer Medien für den Geografie- und Heimatkundeunterricht sowie Verfahren ihrer differenzierten Nutzung bildeten. Die schulkartografischen Aktivitäten für den Geschichtsunterricht waren nicht so umfangreich und vielfältig; es wurden vorwiegend Wandkarten, Handkarten und Lehrbuchkarten entwickelt und verwendet. Spezielle verbindliche Schulatlanten für das Unterrichtsfach Geschichte gab es nicht.

Wissenschaftlich angesiedelt war die Schulkartografie im Volksbildungswesen, zumal die Gestaltung aller Unterrichtsmittel durch die Ziele und Inhalte der republikweit verbindlichen Lehrpläne weitgehend determiniert war. Im Ministerium für Volksbildung gab es u.a. eine spezielle "Kommission für schulkartographische Erzeugnisse", der Didaktiker, Schulpraktiker und Kartografen angehörten.

In der BRD (1949–1990)

In den alten Bundesländern wurden kartografische Medien vor allem für den Geografieunterricht und für den Sachkundeunterricht geschaffen und genutzt (breite Palette von Atlastiteln und Wandkartentiteln). Andere Fächer - auch der Geschichtsunterricht - wurden diesbezüglich etwas vernachlässigt, nutzten häufig die geografisch akzentuierten Kartenmaterialien. Die wissenschaftliche Heimat der Schulkartografie war die Deutsche Gesellschaft für Kartographie (DGfK), die auch einen Arbeitskreis "Schulkartographie" aufwies. Dieser Arbeitskreis, in dem vorrangig Kartografen vertreten waren, bemühte sich auch um eine Koordination der Interessen von schulkartografischen Verlagen und der Schulpraxis.

In Deutschland seit 1990

Auch seit 1990 repräsentiert in der vergrößerten föderalen Bundesrepublik Deutschland mit ihrer vielseitig differenzierten Schulstruktur und der kaum überschaubaren Schulmedien-Landschaft die DGfK das wissenschaftliche Zentrum der Schulkartografie. Im Arbeitskreis (ab 1998: Kommission) "Schulkartografie" werden Schwerpunkte der Kartengestaltung und der unterrichtlichen Kartennutzung untersucht und in entsprechenden Publikationen für Kartografen, Lehrer und Insider-Studenten vorgestellt. Nach der politischen Deutschen Wende formierte sich auch die "Schulgeschichtskartografie" als Teilzweig der Schulkartografie, der sich mit der Gestaltung und Nutzung von kartografischen Medien für die Fächer Geschichte und Politik befasst. Beide Teildisziplinen, die Geografische Schulkartografie und die Schulgeschichtskartografie, bilden heute in Deutschland den Kern der Schulkartografie. Ab Sommer 2006 führt die oben erwähnte Kommission der DGfK den Namen "Schule und Kartografie".

Österreich

Weite Teile der schulgeographischen Schrifttums in Österreich beschäftigen sich traditionell sehr stark mit schulkartographischen Fragen. Erste Schulatlanten in Österreich gab es schon Ende des 18.Jh. mit dem im Verlag Reilly in Wien erschienenen Schulatlas.[1] Besondere Bedeutung erlangte der im Verlag Eduard Hölzel erschienene Atlas von Blasius Kozenn, Geographischer Schul-Atlas 1861, 1.Aufl., Wien Olmütz.[2] Der Unternehmer rechnete sich gute Chancen bei der Herausgabe eines solchen aus, waren doch die österreichischen Schulen damals ausschließlich auf deutsche Atlanten angewiesen. Im Verlag Hölzel erschienen seither regelmäßig Neuauflagen (u.a. bearbeitet von Jarz/Umlauf 21.A.1871, Haart/Schmidt 39.A.1901, Güttenberger/Leitner 50.A.1929, Slanar 75.A.1951, Strzygowski 86.A.1961, Ritter/Slanar jr. 1981, Birsak 1989, 2011), die insbesondere im Bereich der Wirtschaftskarten von Bearbeiter zu Bearbeiter wichtige schulkartographische Neuerungen brachten.

Die wichtigste geographische Zeitschrift dieser Zeit, die „Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft“ (Wien) spiegeln in einer Unzahl von Artikeln diese Entwicklung [3] Daneben ist insbesondere der Verlag Freytag-Berndt (Wien) mit seinen vielfältigen Atlasausgaben (u.a. von den Karthographen Rothaug, Kaindlstorfer, später Aurada) erwähnenswert.[4] Wesentliche Entwicklungsschübe sind insbesondere bei den komplexanalythischen Wirtschaftskarten in den Schulatlanten zu verzeichnen. Schon H. Slanar sen. stellte - ähnlich wie Lautensach in Deutschland - solche ab 1951 in jeweils gleichen Maßstäben den physischen Karten der Kontinente gegenüber. Wiegand Ritter brachte in seinen Wirtschaftskarten ab 1981 auch den tertiären Wirtschaftssektor kartographisch stärker zur Geltung. Fritz Aurada fügte seinen Atlasausgaben ab 1967 bei F&B eigene graphisch aufbereite Wirtschaftsstatistikteile für den Schulunterricht hinzu. Das war auch ein Zugeständnis an die Anforderungen des - anders als in Deutschlangd - in Österreich seit 1962 der Geographie als Kombination zugeordneten Wirtschaftskunde, zum doppelpoligen Integrationsfach "Geographie und Wirtschaftskunde", das auch ein anderes Paradigma hat. Der an der Wiener Universität lehrende Erik Arnberger (der auch bei Westermann in Deutschland in Schulatlanten der 1970erjahre kartographisch engagiert war,) war maßgeblich daran beteiligt, dass thematische Karten (auch als Fallbeispiele für einen thematisch konzipierten Geographieunterricht) in die österreichischen Schulatlanten Einzug nahmen. Er bereitete auch das Feld vor, damit später mit einer eigenen Österreichadaption solche Karten des deutsche "Diercke" in das schulkartographische Angebot an Österreichs Schulen kamen. Heute sind diese großmaßstäbigen thematischen Fallbeispiele als Nebenkarten in den Schulatlanten wieder auf dem Rückzug. Aus produktionstechnischen Gründen (Aktualisierungszyklen) tendieren Verlage wie Ed. Hölzel zunehmend, solche in die neben den Schulatlanten produzierten GW-Schulbücher auszulagern. Drucktechnisch mag das insbesondere bei Verlagen ohne eigene Kartographie zu kartenmethodischen Problemen führen. Fachdidaktisch aber ist neben der häufigeren Aktualisierung solcher Fallbeispielskarten im Schulbuch auch ihre "Passgenauigkeit" (= Zusammenwirken mit Text-Diagrammen-Bildern auf einer Doppelseite) von Vorteil. Der Schulatlas hingegen bekommt damit stärker über sein umfassendes Kartenangebot und Register den Charakter einer "Datenbank". Das hat neben inhaltlichen, auch kartenmethodische Auswirkungen bei seiner Gestaltung.

Zurzeit gibt es in Österreich als schulkartographische Anbieter drei Verlage die eine Reihe von verschiedenen Schulatlanten herausbringen: Neben den Schulatlanten des Verlags Ed.Hölzel stehen Produkte des ÖBV Wien - ab 2010 in Nachfolge des ausgelaufenen eigenständigen Freytag-Berndt Atlas - und des Westermann Verlags Wien zur Auswahl. Aufgrund der vom österreichischen Unterrichtsministerium seit 1972 durchgeführten Schulbuchaktion bekommt heute jeder Schüler einen Schulatlas zur Verfügung gestellt. Diese relativ hohen Absatzzahlen erklären, warum in einem 8-Millionen-Einwohner-Land 3 Verlage einen Markt mit vielfältigen Produkten wie Unter- und Oberstufenatlanten bzw. Kombiatlanten (für Geographie und Geschichte) bedienen können.

Gegenwärtiger Trend

Gegenwärtiger Trend (2008) in der Schulatlaskartografie sind Integrations- bzw. Kombi-Atlanten für mehrere Fächer (z. B. Geografie, Geschichte, Politik, Sozialkunde). Die beiden schulkartografischen Teildisziplinen werden daher in Zukunft eng zusammenarbeiten und ihr kooperatives Arbeitsfeld erweitern müssen, was durch bereits fachkombinierte Arbeiten einiger traditioneller Verlagshäuser begünstigt wird.

Wenn auch die digitale Technik in der Gestaltung und in der unterrichtlichen Nutzung schulkartografischer Medien immer mehr Anwendung findet, werden weiterhin kartografische Printmedien (analoge Karten) dominieren, aber das weitere Vordringen der Lernsoftware (insbesondere für die Einführung der Schüler in das Kartenverständnis und für die interaktive Arbeitsweise) ist selbstverständlich. Noch nicht ausgeschöpft sind die Möglichkeiten, die Kombinationen von Atlaskarten und Virtuelle Globen eröffnen. Zum Diercke-Atlas etwa wurde auf einer ergänzenden Webseite für jede Karte die entsprechenden Ausschnitte als kmz-files von Google-Earth bzw. Google-Maps eingebunden. Neuerdings kann der Nutzer auch die entsprechende thematische Atlaskarte dort als Layer auf einen virtuellen Globus legen.

Wichtige Personen der Schulkartografie

Große Verdienste für die Schulkartografie haben sich in der Vergangenheit (19. und 20. Jahrhundert) außer dem Begründer der methodischen Schulkartografie, Emil von Sydow (1812–1872), unter anderem Erik Arnberger, Hermann Berghaus, Carl Diercke, Eduard Gaebler, Hermann Haack, Hermann Habenicht, Heinrich Harms, Henry Lange, Theodor Freiherr von Liechtenstern, Friedrich Wilhelm Putzger, Wigand Ritter, Rudolph Rothaug, Hans Slanar sen. und Hermann Wagner erworben.

Einzelnachweise

  1. Kretschmer, I.; Dörflinger, J. (Hg. 1995): Atlantes austriaci. Österreichische Atlanten 1561 bis 1994. Kommentierter Katalog. 2 Bdd. Böhlau, Wien, Köln, Weimar
  2. Sitte, Wolfgang (1996): Zur Erinnerung an Blasius Kozenn (1821-1871). In GW-Unterricht 62/1996. Wien. S.102-104
  3. Sitte, Wolfgang; Sitte, Christian (2006): 150 Jahre Österreichische Geographische Gesellschaft. Anmerkungen zu ihrer Jubiläumsfeier und zu ihrem schulbezogenem Wirken. In GW-Unterricht 103, Wien. S. 85-91 (online)
  4. Sitte, Wolfgang: Schulatlas I (zu seiner Geschichte in Österreich) in Sitte W.; Wohlschlägel H. (Hg. 2001): Beiträge zur Didaktik des Geographie und Wirtschaftskunde-Unterrichts. Bd. 16 der Materialien zur Didaktik d.GW. Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. S.410-423 (online)

Literatur

  • Christina Böttcher: Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie. In: Kartogr. Schr., Bd. 8, Bonn 2003, S. 41-68.
  • Egon Breetz: Zur Entwicklung der Schulkartographie in der Deutschen Demokratischen Republik. In: Wiss. Zt. d. PH Potsdam, H. 3/1982, S. 357-375.
  • Egon Breetz: Entwicklung der geographischen Schulkartographie in der ehemaligen DDR. In: Schulkartographie - Wiener Symposium 1990 (Hrsg.: F. Mayer). Wien 1992, S. 133-143.
  • Reinhard Herzig: Kartographische Lernsoftware - Konkurrent für Printmedium Karte? In: Kartogr. Schr., Bd. 8, Bonn 2003, S. 76-100.
  • Armin Hüttermann: Kartenlesen - (k)eine Kunst. Einführung in die Didaktik der Schulkartographie. Didaktik der Geographie, München 1998, ISBN 3-486-88036-5.
  • Verena Kleinschmidt und Ulf Zahn (Hrsg.): Die Erde darstellen - 150 Jahre Schulatlas und Geographie. Braunschweig 1992. (Aufsatzsammlung).
  • Edgar Lehmann: Die Kartographie als Wissenschaft und Technik. In: Peterm. Geogr. Mitt., H. 2/1952, S. 73-84.
  • Ferdinand Mayer (Hrsg.): Schulkartographie - Wiener Symposium 1990. = Wiener Schr. zur Geogr. u. Kartogr., Bd. 5, Wien 1992. (Tagungsband vom 1. Internationalen Symposium der Schulkartographie; Vortrags- und Aufsatzsammelband, 26 Beiträge)
  • Rudi Ogrissek: Aufgaben der Schulkartographie als Beispiel für die Anwendung der speziellen Theorien. In: Ogrissek, R. (Hrsg.): Theoretische Kartographie. Gotha 1987, S. 265-270.
  • Wolfgang Plapper: Vorstellungen/Wünsche des Kartenbenutzers zur Kartengestaltung, z. B. Lehrer/Schüler. In: Leibbrand, W. (Hrsg.): Kartengestaltung und Kartenentwurf. Bonn-Bad Godesberg 1988, S. 129-135.
  • Herbert Raisch: Die Karte - ein vernachlässigtes Medium der Geschichtsdidaktik. In: Schönemann, B. u.a. (Hrsg.): Geschichtsbewußtsein und Methoden historischen Lernens. = Schr. zur Geschichtsdidaktik, H. 8/1998, S. 169-186.
  • Walter Sperling: 40 Jahre Schulkartographie in der Bundesrepublik Deutschland. In: Schr. zur Geogr. u. Kartogr., Bd. 5, Wien 1992, S. 114-125.
  • Gottfried Suchy (Hrsg.): Gothaer Geographen und Kartographen - Beiträge zur Geschichte der Geographie und Kartographie. = Geogr. Bausteine, NR, H. 26, Gotha 1985.

Weblinks


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