Schwarmdynamik

Schwarmdynamik
Heringsschwarm

Der Begriff Schwarmverhalten bezeichnet das Verhalten von Fischen, Vögeln, Insekten und anderen Tieren, sich zu Aggregationen von Individuen – meist gleicher Art und Größe – zusammenzuschließen. Oft bewegen sie sich gemeinsam in eine Richtung. Es können sich jedoch auch Mischschwärme aus Tieren unterschiedlicher Arten und Größe bilden. Vorteile der Schwarmbildung ergeben sich bei der Nahrungssuche und im Schutz vor möglichen Fressfeinden, z. B. durch kollektive Wachsamkeit. Typische Schwarmtiere sind beispielsweise Heringe, Stare und Wanderheuschrecken. Die physiologische Basis, die es den Individuen eines Schwarm ermöglicht, sich in der beobachtbaren Synchronizität zu bewegen, wird in den Spiegelneuronen vermutet.

Bei Landsäugetieren spricht man bei ähnlichem Verhalten von einer Herde.

Inhaltsverzeichnis

Regeln für das Entstehen von Schwärmen

Interessante Ergebnisse brachten Computersimulationen von Schwärmen, die 1986 von Craig Reynolds zum ersten Mal wirklich modelliert wurden. [1] Das Prinzip basiert auf drei Regeln, die die einzelnen Agenten (Individuen/Boids) beachten:

  1. Bewege dich in Richtung des Mittelpunkts derer, die du in deinem Umfeld siehst (Kohäsion).
  2. Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt (Separation).
  3. Bewege dich in etwa in dieselbe Richtung wie deine Nachbarn (Alignment).

Als Folge dieser Regeln auf Individuenebene ergibt sich eine Gesamtstruktur, nämlich der Schwarm. Man spricht von Emergenz.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Jens Krause[2] der Universität Leeds erforschte, dass ein strukturelles Gedächtnis in Fisch- und Vogelschwärmen dafür sorgt, dass auf eine spezielle Schwarmformation immer eine ganz bestimmte nächste folgt. So ordnen sie sich zunächst in einen ungeordnet chaotischen Schwarm wie bei Mückenschwärmen und bilden als nächstes einen Torus.

Der Physiker und Vogelforscher Andrea Cavagna aus Rom stellte in einem EU-Forschungsprojekt fest, dass Vögel sich an den sieben Nachbarvögeln ausrichten, was der höchsten Zahl entspricht, die Vögel unterscheiden können. Generell halten sie mindestens eine Flügelspanne Abstand zueinander. Bei Richtungsänderungen des Schwarms reagiert nicht unbedingt die Schwarmspitze, jedes Individuum kann eine Richtungsänderung hervorrufen und der ganze Schwarm organisiert sich hierdurch um. Bei Annäherung von Greifvögeln verdichtet sich der Schwarm, um das anvisieren eines Individuums zu erschweren. Manchmal wird sogar der Greifvogel vom Schwarm so eingeschlossen, das dieser sich flugunfähig abfallen lassen muss. Stört ein Greifvogel den schwarmauflösenden Anflug zum Schlafplatz, steigt der Schwarms wieder auf, oft bis zum Einsetzen der Dunkelheit.[3]

Ziehende Kraniche

Viele Arten von Zugvögeln fliegen allerdings nicht in Schwärmen, sondern in V-förmigen Zügen oder, wie zum Beispiel die Kraniche, auch in langen Ketten schräg hinter einander. Computermodelle für Schwarmverhalten waren lange Zeit daran gescheitert, solche V-Formationen aus einem Schwarm zufällig angeordneter, vom Boden auffliegender Tiere zu berechnen. Valmir Barbosa und Andre Nathan (Universidade Federal do Rio de Janeiro) berichteten im Frühjahr 2007,[4] das Problem gelöst zu haben: Durch die Kombination von bloß zwei Vorgaben für jedes Tier:

  1. Nutze den Auftrieb, den der Flügelschlag eines vor dir fliegenden Vogels verursacht.
  2. Nimm dabei eine Position ein, von der aus du ungestört nach vorn blicken kannst.

Diese Modellrechnungen gingen von Schwärmen mit bis zu 35 Tieren aus, und egal, wie diese Tiere zunächst angeordnet wurden: Immer entstand schließlich eine ordentliche Formation.

Weil Menschen in Panik instinktiv so reagieren wie Fische und Vögel, kann man das Schwarmverhalten auch auf Menschenansammlungen übertragen – und so die nahe liegenden Fluchtwege in Gebäuden wie Fußballstadien oder Konzerthallen bestimmen.

Algorithmische Komplexität

In einer Anwendung, die Schwarmverhalten simuliert, gibt es keine zentrale Steuerung für die einzelnen Individuen. Für jedes Individuum muss die nächste Position separat berechnet werden. Daraus ergibt sich nach der O-Notation ein O(n²)- Algorithmus mit einer Rechenzeit von n2 bei n Individuen. Es gibt verschiedene Ansätze, um die Rechenzeit bei variierender Anzahl Individuen konstant zu halten oder wenigstens die Rechenzeit eines O(n²)- Algorithmus zu verringern.

Schon Reynolds versuchte, zu diesem Zweck ein 3D-Gitterwerk zu implementieren, in dem seine Boids basierend ihrer Position in Behälter verteilt werden. Über dieses Gitterwerk können die Boids schnell die Behälter in ihrem Umfeld auf Nachbarn überprüfen, was die Laufzeit des Algorithmus verringert.[5]

Anwendung im Militär

Die US Air Force begann im Jahre 1998 mit der Erforschung eines autonomen Drohnensystems, genannt LOCAAS (Low Cost Autonomous Attack System)[6]. Dieses Drohnensystem nutzt einen Algorithmus, der auf dem Modell von Craig Reynolds basiert, um als Schwarm fliegen zu können. Sobald bis zu 192 Drohnen von einem Tarnkappenbomber abgeworfen werden, beginnen sie sich elektronisch untereinander zu verständigen und greifen feindliche Truppen im Schwarm an[7].

Einzelnachweise

  1. www.red3d.com Craig Reynolds’ Seite zu Boids-Links, Applets, u. a. (auf Englisch)
  2. Literaturliste von Jens Krause
  3. Sando Mattioli: Die unbekannten Flugobjekte in: Bild der Wissenschaft 3/2009
  4. arXiv.org Andre Nathan, Valmir C. Barbosa: V-like formations in flocks of artificial birds. published online: arXiv:cs/0611032v2 [cs.NE]
  5. [1] Ausführung über das Schwarmmodell von Craig Reynolds
  6. Low Cost Autonomous Attack System - Global Security
  7. Ausführung über die Anwendung von natürlichem Schwarmverhalten im Militär

Siehe auch


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