Seenadeln und Seepferde

Seenadeln und Seepferde
Seenadeln
Acentronura sp.

Acentronura sp.

Systematik
Klasse: Strahlenflosser (Actinopterygii)
Teilklasse: Echte Knochenfische (Teleostei)
Überordnung: Stachelflosser (Acanthopterygii)
Ordnung: Stichlingsartige (Gasterosteiformes)
Unterordnung: Seenadelartige
Familie: Seenadeln
Wissenschaftlicher Name
Syngnathidae

Die Seenadeln (Syngnathidae) sind eine Familie relativ kleiner und gut getarnter, schlanker Knochenfische aus der Ordnung der Stichlingsartigen (Gasterosteiformes). Zu ihnen gehören auch die gut bekannten Seepferdchen (Hippocampus).

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Seenadeln bewohnen dis Küsten aller Weltmeere. Die größte Artenvielfalt lebt in den Gewässern rund um Australien. An den Küsten Amerikas leben Seenadeln von Alaska bis Feuerland. 37 Arten leben auch im Brack- und 18, die meisten aus der Gattung Microphis, im Süßwasser. Sie bevorzugen flaches Wasser in ruhigen Buchten und strömungsarmen Riffen sowie bewachsene Zonen, Algenfelder und Seegraswiesen.

Die Kleine Seenadel (Syngnathus rostellatus) lebt auch in der Nordsee und der westlichen Ostsee, die Große Seenadel (Syngnathus acus) im Mittelmeer, an der Atlantikküste Westeuropas und in der südlichen Nordsee, die Grasnadel (Syngnathus typhle) lebt im Mittelmeer, im Schwarzen Meer und in der Ostsee, in den Buchten und Bodden der Küste Mecklenburg-Vorpommerns und im gleichen Gebiet lebt die fadenförmige Schlangennadel (Nerophis ophidion) auch in den Flussmündungen, zwischen Algen, vor allem der Meersaite (Chorda filum) einer Braunalge.

Merkmale

Der Körper der Seenadeln ist langgestreckt und von ringförmigen Knochenplatten umgeben, die einen festen Körperpanzer bilden und die Beweglichkeit des Rumpfes stark einengen. Sie haben deshalb eine reduzierte Rumpfmuskulatur und schwimmen mit Brust- und Rückenflosse. Hauptantriebsorgan ist dabei die Rückenflosse, die wellenförmige Bewegungen von vorn nach hinten ausführt und in Ruhe seitlich umgelegt wird. Seepferdchen falten ihre fächerförmige Rückenflosse zusammen. Die Brustflossen dienen vor allem der Manövrierfähigkeit.

Die Rückenflosse wird normalerweise von 15 bis 60 weichen Flossenstrahlen gestützt. Die Afterflosse ist sehr klein, hat 2 bis 6 Flossenstrahlen, oder fehlt. Die Brustflossen haben 10 bis 23 Flossenstrahlen. Diese Flossen fehlen der Gattung Bulbonarcius und den Adulten einiger anderer Gattungen. Die Bauchflossen fehlen stets, die Schwanzflosse einigen Gattungen. Bei letzteren (z.B. bei den Seepferdchen) ist der Schwanzstiel oft als Greifschwanz ausgebildet. Sie sind langsame Schwimmer. Die Kiemenöffnungen sind in Richtung des Rückens verlagert, sehr klein und als Anpassung an das Saugschnappen mit einem häutigen Ventil verschließbar. Die Hoden sind röhrenförmig. Seenadeln können ihre Augen unabhängig voneinander bewegen. Viele Seenadeln haben eine Tarnfarbe, andere, besonders tropische, die Korallenriffe bewohnende Arten sind sehr farbenprächtig.

Seenadeln ernähren sich vor allem von verschiedenen Kleinkrebsen, Larven anderer Tiere und sehr kleinen Fischen. Sie sind zahnlos. Das Maul ist endständig und als Fangsaugrohr ausgebildet, mit dem sie durch Saugschnappen ihre Beute, meist kleine Krebstierchen fangen. Dieses Saugschnappen funktioniert – anders als sonst bei Fischen – über einen recoil- (Feder-) Mechanismus, bei dem durch Muskelkraft im Bindegewebe Spannung aufgebaut wird, die sich dann durch „Auslösung“ (vgl. Armbrust) schlagartig entlädt, wobei sehr hohe Einsaug-Geschwindigkeiten auftreten (freilich nur über kurze Distanzen wirksam). Am Mechanismus sind Hyoid und Operculum in noch nicht völlig durchschauter Weise beteiligt [1]. Wahrscheinlich sind die Büschelkiemen, wegen derer die Syngnathiden und Pegasiden früher als „Lophobranchii“ zusammengefasst wurden, eine Anpassung an dieses Saugschnappen.

Fortpflanzung

Männliche Honshu-Seenadel (Doryrhamphus japonicus) mit Eiern an der Bauchseite

Seenadeln leben meist monogam in Paaren. Nach der Balz, die oft von Synchron- oder Hintereinanderschwimmen eingeleitet wird, übernehmen die Männchen die Eier vom Weibchen um sie an der schwammartig veränderten Bauch- und Schwanzunterseite zu tragen. Bei den Seepferdchen haben die Männchen eine Bruttasche, in die das Weibchen die Eier legt. Wahrscheinlich werden die Eier auch dort erst befruchtet. Nach einer bis zwei Wochen schlüpfen, über zahlreiche Tage verteilt, einzeln die bereits relativ großen Jungnadeln, die sofort winzige Zooplankton-Organismen fressen. Nach Lage der Brutorgane werden Bauchbrüter (Gastrophori) und Schwanzbrüter (Urophori) unterschieden.

Die Fortpflanzung wurde schon oft in Aquarien beobachtet und es konnten Jungnadeln aufgezogen werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufzucht ist ein ausreichendes Futterangebot.

Fossilbefund

Die ersten Seenadeln sind fossil aus der norditalienische Monte-Bolca-Formation, die aus Ablagerungen der Tethys im Eozän entstand, bekannt. Es sind die Gattungen Pseudosygnathus, die noch einen unvollständigen Hautpanzer hatte, und Sygnathus, letztere existiert noch heute. Seepferdchen gibt es seit dem Pliozän. [2]

Systematik

Gattungen

Die Bestimmung der einzelnen Gattungen und Arten richtet sich vor allem nach der Anzahl und Lage der Körper- und Schwanzringe, der Schwanzlänge und der Lage und Beschaffenheit der männlichen Brutorgane. Es gibt über 50 Gattungen, etwa 290 beschriebene Arten und noch viele unbeschriebene.

Denise-Zwergseepferdchen (Hippocampus denise)
Großer Fetzenfisch (Phycodurus eques)
Große Schlangennadel (Entelurus aequoreus)
Kopf der Grasnadel
(Syngnathus acus)
  • Unterfamilie Hippocampinae
  • Unterfamilie Fahnenschwanz-Seenadeln (Doryrhamphinae)
    • Heraldia Paxton, 1975
    • Maroubra Whitley, 1948
    • Doryrhamphus Kaup, 1856
    • Dunckerocampus Whitley, 1933
  • Unterfamilie Nadelpferdchen und Fetzenfische (Solegnathinae)
  • Unterfamilie Eigentliche Seenadeln (Syngnathinae)
    • Acentronura Kaup, 1853
    • Anarchopterus Hubbs, 1935
    • Apterygocampus Weber, 1913
    • Bhanotia Hora, 1926
    • Bryx Herald, 1940
    • Bulbonaricus Herald in Schultz, Herald, Lachner, Welander & Woods, 1953
    • Campichthys Whitley, 1931
    • Choeroichthys Kaup, 1856
    • Corythoichthys Kaup, 1853
    • Cosmocampus Dawson, 1979
    • Doryichthys Kaup, 1853
    • Enneacampus Dawson, 1981
    • Große Schlangennadel (Entelurus) Duméril, 1870
    • Festucalex Whitley, 1931
    • Filicampus Whitley, 1948
    • Halicampus Kaup, 1856
    • Hippichthys Bleeker, 1849
    • Histiogamphelus McCulloch, 1914
    • Hypselognathus Whitley, 1948
    • Ichthyocampus Kaup, 1853
    • Kaupus Whitley, 1951
    • Kimblaeus Dawson, 1980
    • Leptoichthys Kaup, 1853
    • Leptonotus Kaup, 1853
    • Lissocampus Waite & Hale, 1921
    • Micrognathus Duncker, 1912
    • Microphis Kaup, 1853
    • Minyichthys Herald & Randall, 1972
    • Mitotichthys Whitley, 1948
    • Nannocampus Günther, 1870
    • Nerophis Rafinesque, 1810
    • Notiocampus Dawson, 1979
    • Penetopteryx Lunel, 1881
    • Phoxocampus Dawson, 1977
    • Pseudophallus Herald, 1940
    • Pugnaso Whitley, 1948
    • Siokunichthys Herald in Schultz, Herald, Lachner, Welander & Woods, 1953
    • Stigmatopora Kaup, 1853
    • Stipecampus Whitley, 1948
    • Syngnathus Linnaeus, 1758
    • Trachyrhamphus Kaup, 1853
    • Urocampus Günther, 1870
    • Vanacampus Whitley, 1951

Literatur

  • Rudie H. Kuiter: Seepferdchen, Seenadeln, Fetzenfische und ihre Verwandten, 2001, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, ISBN 3-8001-3244-3
  • Joseph S. Nelson, Fishes of the World, John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7
  • Kurt Fiedler: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische. Gustav Fischer Verlag Jena, 1991, ISBN 3-334-00339-6
  • Dieter Eichler, Robert F. Myers: Korallenfische Zentraler Indopazifik, Jahr-Verlag GmbH & Co., 1997, ISBN 3-86132-225-0
  • Baensch/Patzner: Mergus Meerwasser-Atlas Band 6 Non-Perciformes (Nicht-Barschartige), Mergus-Verlag, Melle, 1998, ISBN 3-88244-116-X

Einzelnachweise

  1. Van Wassenbergh, S. and P. Aerts (2008) Rapid pivot feeding in pipefish: flow effects on prey and evaluation of simple dynamic modelling via computational fluid dynamics. J. R. Soc. Interface. 5: 1291-1301. doi:10.1098/rsif.2008.0101
  2. K. A. Frickinger: Fossilien Atlas Fische. Mergus-Verlag, Melle, 1999, ISBN 3-88244-018-X

Weblinks


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