- Seiliger-Kreisprozess
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Der Seiliger-Kreisprozess ist ein gemischter Vergleichsprozess (Gleichraum-/Gleichdruckprozess), der verwendet wird, um die Vorgänge in heutigen Verbrennungsmotoren darzustellen. Er bildet den sogenannten vollkommenen Motor ab. Sowohl der Gleichdruckprozess als auch der Gleichraumprozess sind als Spezialfälle im Seiliger-Prozess enthalten.
Der Gleichdruckprozess (Diesel-Prozess) mit seiner rein isobaren Wärmezufuhr und der Gleichraumprozess (Otto-Prozess) mit seiner rein isochoren Wärmezufuhr können in der Praxis nicht realisiert werden, da eine Wärmezufuhr ohne Druckerhöhung und eine beliebig schnelle Wärmezuführung nicht möglich ist. Die teilweise isobare und teilweise isochore Wärmezufuhr im Seiliger-Prozess liefert eine gute Annäherung an die real ablaufenden Prozesse in Diesel- und Ottomotoren.
Inhaltsverzeichnis
Prozessablauf
Der 1922 von Myron Seiliger vorgeschlagene Vergleichsprozess gliedert sich bei Motoren ohne Motoraufladung in fünf Prozessschritte:
- (1 - 2) isentrope Verdichtung. Energieübertragung in Form von Arbeit w > 0.
- (2 - 3) isochore Verbrennung. Energieübertragung in Form von Wärme q > 0.
- (3 - 4) isobare Verbrennung und Ausdehnung. Energieübertragung in Form von Wärme und Nutzarbeit q > 0,w < 0.
- (4 - 5) isentrope Entspannung. Energieübertragung in Form von Nutzarbeit w < 0.
- (5 - 1) isochores Auspuffen. Energieübertragung in Form von Wärme und Arbeit q < 0,w < 0.
Dabei bedeuten positive Wärme- oder Arbeitsenergiewerte eine Energiezufuhr und negative Arbeits- oder Wärmeenergiewerte eine Energieabgabe an das Arbeitsgas.
Wirkungsgrad
Zur leichten Veranschaulichung der Zustandsgrößen wird als Arbeitsmedium ein ideales Gas mit temperaturunabhängiger spezifischer Wärmekapazität benutzt. Der thermische Wirkungsgrad des Seiliger-Prozesses hängt, nebst dem Isentropenexponent (κ) und dem Volumenverhältnis (Expansionsverhältnis ε) von der zugeführten Wärmemenge für das Drucksteigerungsverhältnis ξ und das (Volldruckverhältnis ψ) ab und lässt sich folgendermaßen bestimmen:
Der thermische Wirkungsgrad des Seiliger-Prozesses liegt zwischen dem Gleichraumprozess und dem Gleichdruckprozess. Der Gleichraumprozess ist effizienter als der Gleichdruckprozess.- :Expansions-/Verdichtungsverhältnis
- : Drucksteigerungsverhältnis mit isochorer Verbrennung. Je grösser die Drucksteigerung, desto höher der thermische Wirkungsgrad und desto kürzer die Volldruckphase.
- : Gleichdruck-Raumverhältnis (Einspritzverhältnis, Volldruckverhältnis bei isobarer Verbrennung). Je geringer die Drucksteigerung, desto geringer der Wirkungsgrad und desto länger die Gleichdruckphase.
- : Isentropenexponent. Das verdichtete Ladegemisch hat bei 500 °C einen Wert von ca. 1,35 und das verbrannte Gas bei 1000 °C hat einen Wert von ca. 1,3.
- : Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck (J/(kgK))
- : Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen
Aufteilung Drucksteigerung - Gleichdruck
Die Wärmezufuhr des gemischten Prozesses setzt sich wie folgt zusammen:
QGR ist der Wärmeumsatz bei konstantem Volumen und QGD ist der Wärmeumsatz (J) bei konstantem Druck und m ist die Masse (kg) des Arbeitsgases. Statt mit absoluten Heizenergien und Massen zu rechnen, ist es auch möglich, mit spezifischen Heizenergien und Massen zu rechnen.
Drucksteigerungsverhältnis
Die Drucksteigerung p3/p2 entspricht auch der Temperaturerhöhung T3/T2 während der Gleichraumphase.
- : spezifische Masse von Luft zu Brennstoff in kg/kg.
- : spezifische Heizenergie für die Gleichraumphase in J/kg. Sie bestimmt den Maximaldruck.
- : spezifische Heizenergie für die Gleichdruckphase in J/kg. Sie bestimmt die Höchsttemperatur.
- : spezifische Heizenergie für den gesamten Arbeitstakt. Je mehr Energie für die Gleichraumphase (GR), desto weniger für die Volldruckphase (GD).
Gleichdruckverhältnis
Die Volumenvergrösserung V4/V3 entspricht auch der Temperaturerhöhung T4/T3 während der Gleichdruckphase.
- : Grundtemperatur (K)
- : zugeführte spezifische Heizenergie (J/kg). Zum Beispiel 42 MJ/kg für Diesel.
- : spezifische Heizmasse pro Brennstoffmasse (kg/kg). Zum Beispiel 19 kg Luft und Restabgas pro kg Diesel.
Dieselmotor
Im Dieselmotor werden diese fünf Prozessschritte wie folgt realisiert:
- (1 - 2) Der Kolben bewegt sich in Richtung oberer Totpunkt. Die sich im Zylinder befindliche Luft wird verdichtet. Das heißt, es wird Arbeit an der Luft verrichtet.
- (2 - 3) Der Dieselkraftstoff wird in den Brennraum eingespritzt. Durch die hohe Temperatur der komprimierten Luft entzündet sich das Verbrennungsgemisch und die innere Energie des Brennstoffs wird in Form von Wärme freigesetzt. Dies erfolgt in diesem Prozessschritt zunächst bei gleichbleibendem Volumen.
- (3 - 4) Durch die andauernde Verbrennung wird die Temperatur weiter erhöht, sodass der Druck der Brenngase den Kolben in Richtung unterer Totpunkt bewegt. Dabei wird technische Arbeit am Kolben geleistet (Kraft mal Weg).
- (4 - 5) Das Verbrennungsgas entspannt sich bei gleichbleibender Entropie. Das Volumen des Verbrennungsgases steigt an, bis der Kolben den unteren Totpunkt erreicht. Am Kolben wird technische Arbeit geleistet.
- (5 - 1) Das Auslassventil wird geöffnet und das Abgas wird aus dem Brennraum ausgeschoben. Dabei wird Energie in Form von Restdruck und Wärme abgeführt.
Ottomotor
Im Ottomotor werden diese fünf Prozessschritte wie folgt realisiert:
- (1 - 2) Der Kolben bewegt sich in Richtung oberer Totpunkt und das Luft-Kraftstoff-Gemisch wird verdichtet. Das heißt, es wird Arbeit am Luft-Kraftstoff-Gemisch verrichtet.
- (2 - 3) Die Zündkerze startet die Verbrennung des Luft-Kraftstoff-Gemisches vor dem oberen Totpunkt und die innere Energie des Brennstoffs wird in Form von Wärme und Druck freigesetzt. Dies erfolgt zunächst bei ungefähr gleichem Volumen (isochor).
- (3 - 4) Nach dem oberen Totpunkt des Kolbens erreicht die Verbrennung vor der Höchsttemperatur nun Höchstdruck, der solange gehalten wird (isobar) bis der Hauptteil des Gemisches verbrannt ist und die Temperatur wieder sinkt.
- (4 - 5) Das Gemisch verbrennt nun vollständig und das Brenngas entspannt sich weiter bei gleichbleibender Entropie bis der Kolben den unteren Totpunkt erreicht. In dieser Prozessphase wird am Kolben technische Arbeit geleistet (Arbeitstakt).
- (5 - 1) Das Auslassventil wird geöffnet und das Abgas wird aus dem Brennraum geschoben. Dabei wird Energie in Form von Restdruck und Wärme abgeführt.
Realer Prozess beim Viertakter
Das Ansaugen und Ausschieben ist mit Reibungs- und Pumpverlusten verbunden (linksdrehende Schleife im pV-Diagramm, Ladungswechselarbeit). Die Voreinspritzung oder die Zündung erfolgt vor dem oberen Totpunkt, was ebenfalls negativ in die Energiebilanz einfliesst. Ein Teil der Verbrennungsenergie (neben endothermer Bildung von Stickoxid und andern schädlichen Abgasen) geht ohne Arbeitsleistung durch Wärmeübergang an die Brennraumwände verloren. Der Höchstdruck ist tiefer als der rechnerische und die Expansionskurve liegt somit unterhalb des idealen Verlaufes. Das Auslassventil wird vor dem unteren Totpunkt geöffnet, was die Prozessfläche (Arbeitsleistung) abrundet und verkleinert.
Literatur
- Wolfgang Kalide: Kolben und Strömungsmaschinen. 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, München Wien, 1974, ISBN 3-446-11752-0.
- Richard van Basshuysen, Fred Schäfer: Handbuch Verbrennungsmotor Grundlagen, Komponenten, Systeme, Perspektiven. 3. Auflage, Friedrich Vieweg & Sohn Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2005, ISBN 3-528-23933-6.
- Heinz Herwig: Technische Thermodynamik. 1. Auflage, Pearson Studium, München, 2007, ISBN 978-3-8273-7234-5.
- Heinz Grohe: Otto- und Dieselmotoren. 11. Auflage, Kamprath-Reihe, Vogel Buchverlag ISBN 3-8023-1559-6
Weblinks
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