Shared Service Center

Shared Service Center

Unter dem Begriff Shared Services wird die Konsolidierung und Zentralisierung von Dienstleistungsprozessen einer Organisation verstanden. Dabei werden gleichartige Prozesse aus verschiedenen Bereichen eines Unternehmens bzw. einer Organisation zusammengefasst und von (einer) zentralen Stelle(n) oder Abteilung(en) erbracht. Die anbietende Stelle wird in der Regel als Shared Service Center, kurz SSC, bezeichnet. Die Abteilungen, welche die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, stehen in einer Art Kunden-Dienstleister-Verhältnis zum SSC.

Im Unterschied zum Outsourcing, bei dem externe Dienstleister mit einer Dienstleistung beauftragt werden, handelt es sich bei der Shared Service-Konstruktion um eine Art internes Outsourcing. Dieses soll die Vorteile eines externen Dienstleisters und internen Mitarbeitern verbinden. Bei einigen Ausnahmen wird der Begriff Shared Services bzw. Shared Service Center dennoch für Beziehung mit einem Externen Dienstleister verwendet.

Wichtige Prinzipien sind:

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In den 80er Jahren war DAS Schlagwort in der Unternehmensorganisation die Dezentralisierung. Es zeigte sich jedoch, dass die Gesamtunternehmenssteuerung durch die verteilten Prozesse erheblich erschwert wurde. Die Prozesse konnten zwar in den einzelnen Gesellschaften optimiert werden, das Gesamtoptimum für den Konzern konnte damit jedoch nicht erreicht werden. Außerdem erforderte die zu Beginn der 90er Jahre startende Einführung integrierter Prozesse (z. B. Qualitätsmanagementsysteme) auch einheitliche IT-Systeme.

Als nächstes Schlagwort folgte Outsourcing. Die Grundidee war es, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren und die immer mehr anwachsenden Nebendienstleistungen von Externen zu kaufen. Doch auch hier entstanden immer größere Probleme für die Unternehmen. Man wurde als Unternehmen von Dritten abhängig. Außerdem führte der Umgang dieser Dritten mit sensiblen Finanz-, Kunden- und Personaldaten immer wieder zu datenschutzrechtlichen Problemen. Auch bedeutet Outsourcing mitunter den Abbau von Stellen, was zu Widerstand im Unternehmen führt.

Kennzeichen geeigneter Prozesse

Kennzeichen geeigneter Prozesse sind:

  • Hoher Grad der Standardisierung,
  • hohe Anzahl an Wiederholungen desselben Prozesses,
  • hoher Grad an Systemunterstützung z. B. durch ERP-Systeme und dort insbesondere durch workflows
  • nur wenige Ausnahmen

Vorteile

Durch die Einführung von Shared Services ergeben sich in der Regel sowohl qualitative als auch quantitative Vorteile.

Shared Service Center sollen Vorteile eines externen Dienstleisters und internen Mitarbeitern verbinden.

Ein qualitativer Vorteil ist zum einen niedrigere Fehlerraten, die durch die Spezialisierung („Lernkurve“) in einem Shared Service Center zu erwarten sind. Rechtliche und regulatorische Anforderungen wie bspw. Basel II, Sarbanes-Oxley Act etc. führen ebenfalls immer häufiger dazu, dass Prozesse in ein Shared Service Center verlagert werden, um sie besser kontrollieren zu können.

Die Steigerung der Prozesseffizienz als quantitativer Vorteil lässt sich auf drei Ursachen zurückführen: Erstens können sich durch die Zusammenlegung gleichartiger Prozesse Skaleneffekte ergeben. Dies geschieht nicht automatisch, sondern muss durch entsprechende Investitionen in Prozessmanagement und IT (z. B. durch Self Services, Workflows etc.) realisiert werden. Zweitens sind durch eine gleichzeitige Verlagerung des Ortes Reduzierungen für Miet-, Gebäude-, Neben-, Telekommunikations- und Reisekosten möglich. Drittens sind Kostenreduzierungen bei Löhnen und Gehältern möglich, z. B. durch Near- oder Offshoring oder durch die Möglichkeit, andere bzw. keine Tarifverträge anwenden zu müssen.

Meist wird noch als Vorteil genannt, dass das Management eines Unternehmens sich auf die Kernprozesse konzentrieren kann. Dies kann ein Trugschluss sein, wenn die Managementprozesse zur Planung, Steuerung und Kontrolle eines Shared Service Centers (ebenso wie beim Outsourcing der Prozesse) komplett bestehen bleiben und nicht verschmälert werden können.

Nachteile

Die Kundennähe verringert sich durch die Zentralisierung tendenziell. Die Prozesse in den ursprünglichen Abteilungen müssen entsprechend angepasst werden. Eventuell kann die räumliche Distanz sich negativ auf die Leistungserbringung auswirken. Der Abstimmungsaufwand erhöht sich tendenziell.

Eignung

Die Implementierung von Shared Services eignet sich für Supportprozesse, sofern sie nicht geografisch gebunden sind, ausreichend häufig vorkommen und ein ausreichend großes Standardisierungspotenzial aufweisen. Dies trifft in der Praxis vor allem für Prozesse des Personalwesens (Human Resources), Finanzwesen (Financial Supply Chain), Beschaffung (Procurement) und der internen IT (z. B. Helpdesk) zu.

In der Unternehmenspraxis haben sich bisher folgende Bereiche und Support-Funktionen für Shared Services als geeignet erwiesen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Archiv und Dokumentation
  • Büroeinrichtung und Umzugsmanagement
  • Büromaterial
  • Controlling
  • Facility Management (Gebäude- und Flächenmanagement)
  • Finanzwesen und Betriebsbuchhaltung
  • Fuhrpark
  • Graphiken und Präsentationen
  • Information und Recherche
  • IT-Service
  • Kopier-Service
  • Logistik
  • Marketing
  • Personalverwaltung
  • Post- und Adress-Service
  • Reisemanagement
  • Telefonzentrale
  • Übersetzungen

In der Regel werden nicht vollständige Bereiche in ein Shared Service Center ausgelagert. Stattdessen werden einzelne Prozesse betrachtet wie z. B. im Bereich Finanzen die Debitoren- oder Kreditorenbuchhaltung.

Planung und Einrichtung

Bei der Planung und Einrichtung eines SSC sind folgende Punkte zu beachten:

  • Welche Aufgaben und Funktionen in solchen organisatorischen Einheiten können zusammengefasst werden?
  • Welche Kosten für die Leistungserstellung in einem Shared Service Center fallen an und welche Kosteneinsparungen gegenüber dem dezentralen Modell sind möglich bzw. sollen sein?
  • Welche Leistungen, welche Service-Qualität und welche Service-Levels müssen erfüllt werden?
  • Wie wird die Verteilung der Leistungen und der Kosten realisiert?
  • Wie werden die Mitarbeiter auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet?
  • An welchem Standort soll das Shared Service Center aufgebaut werden?
  • Wie werden die Prozesse mit der Umwelt des SSC koordiniert, neu gestaltet und optimiert?

Literatur

  • Hagedorn, Torsten; Schmid, Jürgen; Blume, Patrick et al: Wissens- und Informationsmanagement in der Praxis – Einführung einer Wissensdatenbank beim Aufbau eines Shared-Service-Centers bei E.ON Energie. In: Keuper, F. und Neumann, F. (Hrsg.), Wissens- und Informationsmanagement, Gabler Verlag, Dezember 2008
  • Frank Keuper und Christian Oecking: Corporate Shared Services. Bereitstellung von Dienstleistungen im Konzern.2., überarb. u. erw. Aufl. 2008. Gabler, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-0612-0. Beiträge u. a. Neukirchen, Ralph und Vollmer, Marcell: Change Management und Shared Services – Einbindung der Stakeholder
  • Vollmer, Fischer, Röder (2008): Next Generation Shared Services – Automatisierung als Trend, in: KEUPER, F./SCHOMANN, M./GRIMM, R. (Hrsg.), Strategisches IT-Management – Management von IT und IT-gestütztes Management, Wiesbaden 2008, S. 253–278 (enthält eine empirische Untersuchung zur Automatisierung von SSC).
  • Frances Frei (2008): „Vier Gewinnerprinzipien für Dienstleister“ in: Harvard Businessmanager, Ausgabe Juni 2008, Seiten 60-74, ISSN 0174-335X.
  • Thomas M. Fischer und Sven Sterzenbach: Shared Service Center-Controlling, Ergebnisse einer empirischen Studie in deutschen Unternehmen. In: Controlling. Heft 8/9, 2007, S. 463–472
  • Uwe Kagelmann: Shared Services als alternative Organisationsform. Am Beispiel der Finanzfunktion im multinationalen Konzern. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2001, ISBN 3-8244-7346-1
  • Carsten von Glahn: Shared Services. Gestaltungskonzepte zur Bereitstellung von IT-Leistungen in Konzernen. Logos Verlag, Berlin, 2007, ISBN 3-8325-1622-0
  • Ralph Neukirchen und Marcell Vollmer: Controlling Toolbox für ein erfolgreiches Change Management im Finance Shared Services Projekt. In: Controlling. Heft 2, 2007, S. 91–98
  • Klaus Ziegenbein (2007): Controlling. 9. Auflage, Kiehl-Verlag: Ludwigshafen, ISBN 3-470-70599-2.
  • Patrick Blume: HR Service Delivery Maturity Model. In: Kruppke, Otto, Gontard: Human Capital Management. Springer, Berlin [u. a.] 2006, ISBN 3-540-33298-7
  • Thomas M. Fischer und Sven Sterzenbach: ZP-Stichwort: Shared Service Centers. In: Zeitschrift für Planung und Unternehmenssteuerung. Heft 1, 2006, S. 123–128.

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