Kundenorientierung

Kundenorientierung

Unter Kundenorientierung werden in der Betriebswirtschaftslehre die Anteile einer Prozessorientierung und Marketingausrichtung verstanden, mit Hilfe derer die Abhängigkeit der Unternehmen vom Kunden in den Mittelpunkt unternehmerischer Entscheidungen gestellt wird. Fehlende Kundenorientierung kann die Umsätze bzw. Erträge mindern. Die Ursachen für mangelnde Kundenorientierung liegen häufig in der Unternehmenskultur, der Struktur und in wenig effektiven oder intransparenten Prozessen des Unternehmens. Der Kunde ist König gilt hierbei als Paradigma der kaufmännischen Denkweise. Die Fähigkeit der Erfüllung von Kundenerwartungen wird als ein entscheidender Wettbewerbsvorteil bewertet und eine scheinbar zahllose Vielfalt von Managementlehren und Marketingtheorien befassen sich z. T. kommerziell mit ihrer Umsetzung. Kundenorientierung bedeutet umgangssprachlich und im Geschäftsalltag zu schauen, wie einem Kunden geholfen werden kann, und nicht welche Gründe es gibt, dass seine Wünsche nicht erfüllt werden können.

Inhaltsverzeichnis

Zukunftstrend Prozessorientierung

Prozessorientierung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für konsequent gelebte Kundenorientierung. Dies gilt für alle Unternehmensbereiche, die in einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung miteinander verbunden sind. Nach einer Studie der Uni Trier (Juni 2003) messen 72,7 Prozent der befragten Unternehmen der Prozessorientierung beispielsweise im Vertrieb eine wachsende Bedeutung zu. Dabei gilt es zum einen, Ineffizienzen auszugleichen: Geschäftsprozesse müssen im Unternehmen verstärkt aufeinander abgestimmt werden, um die zunehmende Komplexität auf Markt- und Kundenseite erfolgreich zu meistern. Zum anderen wird es notwendig sein, Prozess-Denken und –Handeln stärker in den Vertriebsbereich einzubauen, um anstelle einer „Black-Box Vertrieb“ transparente Vorgehens- und Verhaltensweisen zu definieren, die an zukünftigen Veränderungsbedarf besser anzupassen sind. 85,4 Prozent der befragten Unternehmen messen einer schnelleren und effizienteren Bedienung von Kundenwünschen und Anforderungen eine wachsende Bedeutung bei. Dabei müssen Strukturen und Prozesse im Einklang stehen, wobei sich die Struktur an den Prozessen zu orientieren hat.

Zukunftstrend Virtuelle Kundenintegration

Immer mehr Unternehmen suchen nach Methoden und Tools, um Kunden bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in den Innovationsprozess mit einzubinden. Hierbei gilt es insbesondere, die innovativsten Kunden als sogenannte "Lead User" (von Hippel, 1986) zu integrieren und gemeinsam innovative Produkt- und Dienstleistungskonzepte zu entwickeln. Das Unternehmen profiert hierbei nicht nur vom Problem-, sondern auch vom Lösungswissen der Lead User. Immer mehr Unternehmen bedienen sich inzwischen Web-Portalen zur "virtuellen Kundenintegration". Der Kunde kann dabei die Rollen (1) Ideengeber, (2) Ideenauswähler, (3) Co-Entwickler und sogar "Vermarktungspartner" einnehmen (Rohrbeck, Steinhoff, Perder, 2010).

Kundenerwartungen von morgen

Der Überzeugung, dass steigende Kundenanforderungen eine der größten Herausforderungen im Zukunfts-Szenario Vertrieb 2010 sein werden, sind 51,5 Prozent der Befragten. Das vor allem, weil es auch für 61,1 Prozent der Unternehmen zu einer sinkenden Kundenloyalität kommen wird, die aus kürzeren Produktlebenszyklen, zunehmender Transparenz und schwieriger werdenden persönlichen Bindungen resultiert. Alle Faktoren zusammen erzeugen mehr „Moments of truth“ in kürzerer Zeit und damit potenzielle Wechselsituationen, die die Hürde senken, den Hersteller oder die Marke zu wechseln. Unzufriedenheit von Kunden im B2B-Bereich wird damit in Zukunft weitaus schwerwiegendere Auswirkungen als bisher haben, so dass es auf die Fähigkeit von Vertriebsmitarbeitern und Unternehmen ankommen wird, damit professionell umzugehen.

Customer-Relationship-Management (CRM) ist durch diesen Trend zu einem wichtigen Thema in der betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis geworden. Hier zeigt sich aber die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Die Einführung eines CRM planen, je nach Umfrage, zwischen 70 und 80 Prozent der Unternehmen, umgesetzt haben es noch nicht einmal 20 Prozent.

Da sich CRM vorrangig aus der Unternehmens-Perspektive heraus über den Umgang mit Kundendaten wie etwa Alter, Wohnort oder Vorlieben definiert, wird oft eine Diskrepanz zwischen der Herangehensweise des Unternehmens zu vermuteten Kundenerwartungen und deren tatsächlichen Vorstellungen kritisiert. Im Vergleich dazu hat das so genannte Kundenerwartungsmanagement (Customer-Experience-Management, CEM) den Anspruch, durch die Schaffung positiver Kundenerfahrungen eine emotionale Bindung zwischen Anwender und Produkt oder Anbieter aufzubauen. Vorrangiges Ziel von CEM ist es, aus zufriedenen Kunden loyale Kunden und aus loyalen Kunden „begeisterte Botschafter“ der Marke oder des Produkts zu machen („satisfied - loyal - advocate“).

Kritische Anmerkung

Kundenorientierung ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit für jedes Unternehmen. Ihre "Entdeckung" durch die Marketing-Lehre findet auf einem "unstrukturierten Feld irgendwo zwischen purem Modellplatonismus und theoriearmer Beispielsammlung" (Schenk) statt. Seitens der Handelsbetriebslehre und des Handelsmarketings wird die in der allgemeinen Marketing-Lehre häufig festzustellende Gleichsetzung von Kunde = Käufer bzw. Warenverwender kritisiert. Industrieunternehmen und Großhandelsunternehmen haben normalerweise Gewerbetreibende als unmittelbare Kunden, nicht jedoch Konsumenten als "Letztverwender", die im Regelfall nur für Einzelhandelsunternehmen unmittelbare Kunden darstellen. Die Strategieansätze der Kundenorientierung leiden zum Teil an empirischen und/oder methodischen Implikationen wie z.B. an einer unzureichenden Operationalisierung (mit der Folge einer erschwerten Messbarkeit), an der Gefahr des unendlichen Regresses, an der Ausklammerung der Kaufphase oder an der Gefahr vorschneller Generalisierung, irreführender Analogien oder zu starker Abstraktion. Eine Messung der Kundenorientierung bedarf zunächst immer einer strikten Operationalisierung, die z.B. die Bestimmung von Dimensionen sowie eine Indexbildung beinhaltet. Die Idee der Kundenorientierung vermag sich jedoch als heuristisches Prinzip für das Management zu bewähren.

Siehe auch

Literatur

  • Bilgram, V., Bartl, M., Biel, S.: Getting Closer to the Consumer - How Nivea Co-Creates New Products. In: Marketing Review St. Gallen. 2011, No. 1, S. 34-40.
  • Bruhn, M. (1999): Kundenorientierung. Bausteine für ein exzellentes Customer-Relationship-Management (CRM). München, ISBN 3-423-50808-6
  • Bruhn, M. (2002): Integrierte Kundenorientierung. Implementierung der kundenorientierten Unternehmensführung. Wiesbaden ISBN 3-409-12004-1
  • M Bruhn, C Homburg (2003): Handbuch Kundenbindungsmanagement. Wiesbaden, ISBN 3-409-42269-2
  • MT Carbon, HR Preyer, H.R. (2002): Kundenzufriedenheit leicht gemacht - Darf's ein bisschen mehr sein. Frankfurt/Wien: Redline Wirtschaftsverlag, ISBN 3-8323-0927-6
  • G Ederer, L Seiwert (1998): Das Märchen vom König Kunde. Service in Deutschland - Wüste oder Oase? Offenbach; ISBN 3-930799-47-2
  • Günter Hofbauer et al.: Professionelles Kundenmanagement, Publicis, 2010
  • Peterke, J. (2005): Von und mit den Kunden lernen. In: "io new management" 12/2005 - Zeitschrift für Unternehmenswissenschaften und Führungspraxis, Zürich
  • Peterke, J. (2005): Konsequente Kundenorientierung. In: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft. 5 / 2005, Darmstadt
  • Oliver Ratajczak: Erfolgreiches Beschwerdemanagement, Gabler, 2010
  • Rohrbeck, R., Steinhoff, F. und F. Perder (2010) Sourcing Innovation from You Customer: How Multinational Enterprises use Web Platforms for Virtual Customer Integration. Technology Analysis & Strategic Management, Vol. 22, No. 4, S 117–131.
  • Schenk, H.-O. (1997): Kundenorientierung im Handel. In: Handelsforschung 1997/98, hsrg. von V. Trommsdorff, S. 21–43, Wiesbaden, ISBN 3-409-12224-9
  • Schwenk, J. (2007): Management von Kundenwissen - Grundlagen und ökonomische Erfolgswirkung in Unternehmen. Saarbrücken, ISBN 3-8364-1538-0
  • Schubert, P.: The Participatory Electronic Product Catalog: Supporting Customer Collaboration in E-Commerce Applications. In: Electronic Markets, 10, 4, 2000, pp. 229-236.
  • Schwenk, J. (2006): Herausforderung Kundenzufriedenheit: Auswirkungen - Messung - Management. Saarbrücken, ISBN 3-86550-375-6
  • Stock-Homburg, R. (2011): Der kundenorientierte Mitarbeiter: Bewerten - Begeistern - Bewegen. 2. Aufl., Wiesbaden, ISBN 3-409-11646-X (in Druck)
  • von Hippel, E. (1986): Lead Users: A Source of Novel Product Concepts. In: Management Science. Vol. 32, No. 7, S. 791–805.
  • Whiteley, R. (1993): Ihr Kunde ist der Boss - Die Kundenorientierte Firma, Freiburg, ISBN 3-448-02924-6

Weblinks


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