Siegfried Borchardt

Siegfried Borchardt
Siegfried "SS-Siggi" Borchardt im April 2005

Siegfried Roland Borchardt, genannt SS-Siggi (* 14. November 1953) ist ein Aktivist aus dem Spektrum der neonazistischen Freien Kameradschaften und war Funktionär der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei.

Leben

Borchardt ist ausgebildeter Industriekaufmann und war zunächst ein unpolitischer Jugendlicher, der seine Freizeit als Zuschauer in Fußballstadien verbrachte. Es folgte eine Phase der Arbeitslosigkeit und Engagement in der Hooliganszene, wo er Kontakte zu Michael Kühnen knüpfte.[1]

1982 gründete Borchardt den Dortmunder Fußball-Fanclub Borussenfront, welcher nach und nach in die rechtsextremistische Szene abdriftete. Das bevorzugte Aktionsfeld von Borchardts Borussenfront war der Dortmunder Norden rund um den Borsigplatz, wo es regelmäßig zu Ausschreitungen kam. Unter anderem wurden Ausländer durch das Viertel gejagt.[2] Aus dieser Zeit stammen seine Spitznamen Siggi vom Borsigplatz beziehungsweise SS-Siggi.

Parallel zu seinen Aktivitäten bei der Borussenfront wurde Borchard Kameradschaftsführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten und später Kreisleiter im Komitee Adolf Hitler (KAH). Ab 1984 baute er zusammen mit anderen ANS/NA-Kadern den Landesverband Nordrhein-Westfalen der Freiheitlichen Deutsche Arbeiterpartei (FAP) auf. Er kandidierte 1984 für die FAP bei den Kommunalwahlen und war 1985 ihr Spitzenkandidat zur Landtagswahl. 1988 wurde Borchardt Landesvorsitzender Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Bundesvorsitzender der FAP. Er kandidierte für die FAP 1989 bei der Wahl zum Europaparlament. Die Borussenfront, die auch aus FAP-Mitgliedern bestand, diente als Saalschutz für Veranstaltungen der NPD, verteilte Propagandamaterial und war verantwortlich für Ausschreitungen gegen Andersdenkende und Ausländer.

In den 1980er Jahren wurde Borchardt wegen verschiedener Delikte verurteilt. Er befand sich ab August 1985 in Untersuchungshaft. Aufgrund mehrerer Vorkommnisse, darunter dem Überfall auf Gegendemonstranten am 28. April 1984 in Drabenderhöhe/Wiehl und den Überfall auf Bonner Punker am 1. September 1984, erfolgte am 22. Juli 1986 in Bonn eine Verurteilung vor dem Landgericht wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu insgesamt zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.[3] Da die Untersuchungshaft angerechnet wurde, wurde er Anfang 1987 aus der Haft entlassen. Es folgten weitere Verurteilungen und Haftstrafen zwischen 1989 und 1992.

Nach dem Verbot der FAP im Jahre 1995 organisierte sich Borchardt in der „Kameradschaft Dortmund“, die regelmäßig Demonstrationen des Hamburger Neonazis Christian Worch unterstützt. 2001 stand Borchardt wiederum in Zusammenhang mit szenetypischen Straftaten vor Gericht. (u. a. Körperverletzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen)[4] Borchardt gilt als Kopf der Dortmunder Neonazi-Szene und ist auch weiterhin im „Widerstand West“ aktiv. Am 27. Januar 2005 nahm er beispielsweise in den Niederlanden an einem Treffen offen neonazistischer, in Deutschland teilweise verbotener Vereinigungen (Blood and Honour, Racial Volunteer Force) als Redner teil. Das Informationsportal Blick nach Rechts vermeldet auch 2011 Aktivitäten der „Reste der ehemaligen Borussenfront“ unter Borchardt.[5]

Laut Einschätzung des Politikwissenschaftlers und Verfassungsschützers Thomas Grumke gilt Borchard zwar als Veteran des westdeutschen Rechtsextremismus, konnte aber aufgrund einer Vielzahl von Strafverfahren und Haftstrafen, die seine Aktivitäten merklich einschränkten, keinen nennenswerten Einfluss über Nordrhein-Westfalen hinaus entfalten.

Literatur

  • Thomas Grumke, Bernd Wagner, Handbuch Rechtsextremismus, Leske und Budrich Verlag, Opladen 2002, S. 239 und 240
  • Jens Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus, Elefantenpress 1996, S. 445

Einzelnachweise

  1. Titus Simon, Raufhändel und Randale.: Sozialgeschichte aggressiver Jugendkulturen und pädagogischer Bemühungen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart,Juventa 1996 S. 202
  2. Der Spiegel Nr. 25, 19. Juni 2000, S. 38
  3. Rhein-Sieg Anzeiger vom 23. Juli 1986, S. 5
  4. WDR: "SS-Sigi" vor Gericht, 13. Januar 2001
  5. Borussenfront im Anmarsch, Bericht auf bnr.de, abgerufen 14. Mai 2011

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