Sklaverei bei den Indianern Nordamerikas

Sklaverei bei den Indianern Nordamerikas
Berechtigungsurkunde zur Versklavung gefangener Indianer, unterzeichnet von Edward Winslow, dem Führer der Pilgerväter und Gouverneur der Plymouth Colony

Unter dem Stichwort Sklaverei bei den Indianern Nordamerikas müssen drei historische Sachverhalte beschrieben werden: Erstens die traditionelle indianische Sklavenhaltung, d. h. die Versklavung von Indianern durch Indianer; zweitens die Versklavung von Indianern durch Weiße; drittens schließlich die Versklavung von Afroamerikanern durch Indianer.

Inhaltsverzeichnis

Sklaverei unter den Indianern

Sklaverei war bei den Indianern keineswegs durchgängig üblich, wurde aber bei einigen Völkern in größerem Umfang eingesetzt. Die Haida und Tlingit der südöstlichen Küste von Alaska waren als grimmige Krieger und Sklavenhalter bekannt, deren Raub- und Feldzüge sie bis nach Kalifornien führten. Sklaverei war erblich und Sklaven wurden als Kriegsgefangene betrachtet. Bei manchen Stämmen des Pazifischen Nordwestens bestand etwa ein Viertel der Population aus Sklaven.[1]

In Kanada praktizierten manche der First Nations Sklaverei der Kriegsgefangenen, wobei die Bedingungen weniger drastisch inhuman als bei den Sklaven der europäischen Kolonialherren waren. Die Sklaverei betreibenden Stämmen waren die Comanche in Texas, die Creek in Georgia, die Pawnee in Nebraska, die Klamath, Tupinambás und das nordkalifornische Fischervolk der Yurok.[2] Viele der Sklaverei anwendenden Indianer hofften durch den Sklavenhandel mit den Kolonisten auf bessere Beziehungen zu den britischen Siedlern, um ihre eigene Versklavung zu verhindern.[3]

Versklavung von Indianern durch Weiße

Bereits kurz nach der "Entdeckung" Amerikas von der Flotte des Seefahrers Christoph Kolumbus im Jahr 1492 kam es zur Versklavung der Ureinwohner Amerikas durch die Kolonisten. Einer der ersten Orte intensiver Versklavung (unter anderem der Arawaken) und Sklavenarbeit waren die Goldminen auf Hispaniola.

Auch im 17. Jahrhundert war es unter den europäischen Kolonisten üblich, Indianer zu versklaven. Viele dieser Sklaven wurden vom Festland auf die Inselkolonien, besonders zu den „Zuckerrohrinseln“ in der Karibik, verschleppt.[4] Der Historiker Alan Galley schätzt, dass britische Sklavenhändler im Zeitraum von 1670 bis 1715 zwischen 24.000 und 51.000 Indianer aus dem Süden des heutigen Staatsgebietes der Vereinigten Staaten verkauft haben.[5]

Im kolonialen Kalifornien wurde der Handel mit indianischen Sklaven durch die Missionen der Franziskaner organisiert, die Indianer theoretisch nur zehn Jahre lang für sich arbeiten lassen durften, sie tatsächlich jedoch auf Dauer unfrei hielten; erst Mitte der 1830er Jahre wurden sie entlassen. Als Kalifornien im Anschluss an den Mexikanisch-Amerikanischen Krieg amerikanisch wurde, fielen die Indianer dieser Region von 1850 bis 1867 erneut in Sklaverei.[6]

Um indianische Sklaven halten zu dürfen, mussten Weiße eine Kaution hinterlegen. Rekrutiert wurden indianische Sklaven durch Überfälle und als (befristete) Bestrafung für Nichtsesshaftigkeit (engl. vagrancy).[7]

Versklavung von Afroamerikanern durch Indianer

Nach ihrer versuchten Anpassung an die Gesellschaft der europäischen Einwanderer (siehe Fünf Zivilisierte Stämme) begannen die Cherokee[8][9] und einige andere Indianerstämme im frühen 19. Jahrhundert, schwarze Sklaven zu kaufen und einzusetzen. Diese Praxis behielten sie auch bei, nachdem sie in den 1830er Jahren ins Indianer-Territorium auf dem Gebiet des heutigen Oklahoma deportiert wurden.[10][9] Die Haltung schwarzer Sklaven bei den Cherokee geschah ebenfalls nach dem Vorbild der Sklavenhaltung der Weißen. Eheschließungen zwischen Cherokee und Schwarzen waren verboten. Cherokee, die Sklaven unterstützten, wurden mit Flagellation bestraft. Schwarze durften innerhalb der Cherokeegesellschaft weder Ämter bekleiden noch Waffen tragen noch Eigentum besitzen. Illegal war es auch, Schwarzen das Lesen und Schreiben zu lehren.[11] Nach Ende des amerikanischen Sezessionskriegs verpflichtete sich der Stamm, seine 1863 freigelassenen Sklaven (freedmen) als vollwertige Stammesmitglieder aufzunehmen, das Wahlrecht wurde jedoch zunächst nicht umgesetzt.[12] Im 20. und 21. Jahrhundert wurde dieser Status mehrfach durch Vertreter der Cherokee Nation angefochten. Seit den 1980er Jahren sind Prozesse um die Staatsangehörigkeit der freedman anhängig. Bis heute (Stand Mitte 2010) sind die Prozesse nicht abgeschlossen, aufgrund einer einstweiligen Verfügung wurden bereits ausgesprochene Ausschlüsse ausgesetzt, bis die Gerichte endgültig entscheiden. Im Kongress der Vereinigten Staaten wurden im 21. Jahrhundert Initiativen gestartet, die weitere Unterstützung der Cherokee Nation aus Bundesmitteln von der Anerkennung der freedman als vollwertige Angehörige des Volkes abhängig zu machen.[13][14]

Andere indianische Völker, wie die Seminolen, gewährten entflohenen afroamerikanischen Sklaven Zuflucht und nahmen sie als Schwarze Seminolen in ihren Stammesverbund auf.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Digital "African American Voices"; "Haida Warfare" (beide offline)
  2. Encyclopedia Britannica: Slave-owning societies
  3. Gallay, Alan; Forgotten Story of Indian Slavery (2003)
  4. Encyclopedia Britannica: Slavery
  5. Alan Gallay: The Indian Slave Trade: The Rise of the English Empire in the American South 1670-171. Yale University Press: New York, 2002. ISBN 0-300-10193-7
  6. E. D. Castillo: Short Overview of California Indian History, California Native American Heritage Commission, 1998
  7. Delilah L. Beasley: Slavery in California, The Journal of Negro History, Bd. 3, Nr. 1. (Jan.), 1918, S. 33-44.
  8. Howard Zinn: A People’s History of the United States, Harper Perennial, 2005, S. 137 ISBN 0-06-083865-5
  9. a b Ansgar Graw: Auch die Indianer hielten sich schwarze Sklaven. In: Welt Online. 23. Januar 2011, abgerufen am 23. Januar 2011 (deutsch).
  10. Eine Darstellung der Geschichte der Nachfahren der Sklaven der Cherokee kann gefunden werden bei: Circe Sturm: Blood Politics, Racial Classification, and Cherokee National Identity: The Trials and Tribulations of the Cherokee Freedmen, in: American Indian Quarterly, Bd. 22, Nr. 1/2. (Winter - Spring, 1998), S. 230-258. Im Jahr 1835 hielten 7,4% der Cherokee-Familien Sklaven. Zum Vergleich: Im Jahre 1860 hielt fast ein Drittel der weißen Familien in den Konföderierten Staaten Sklaven. Eine weitere Auswertung des Federal Cherokee Census von 1835 ist zu finden in: W. G. McLoughlin: The Cherokees in Transition: a Statistical Analysis of the Federal Cherokee Census of 1835, in: Journal of American History, Bd. 64, 3, 1977, S. 678. Mit der Gesamtzahl der sklavenhaltenden Familien beschäftigt sich: Otto H. Olsen: Historians and the extent of slave ownership in the Southern United States, in: Civil War History, December 2004
  11. J. W. Duncan: Interesting ante-bellum laws of the Cherokee, now Oklahoma history, in: Chronicles of Oklahoma, 6 (2), S. 178-180, 1928; J. B. Davis:, J. B. 1933. Slavery in the Cherokee nation, in: Chronicles of Oklahoma, 11 (4), 1933, S. 1056-1072
  12. Charles J. Kappler: Treaty with the Cherokee, 1866. Article 9. In: Indian Affairs: Laws and Treaties. Vol. 2, Treaties. Government Printing Office, 1904, abgerufen am 27. Juni 2010.
  13. Cherokee Nation: Summary of Citizenship Issue (abgerufen am 2. Juli 2010)
  14. Descendants Of Freedmen Of The Five Civilized Tribes: Status aus Sicht der Freedman (abgerufen am 2. Juli 2010)

Literatur

Alle angegebenen Buchtitel sind englischsprachig:

  • Russell M. Magnaghi: Indian Slavery, Labor, Evangelization, and Captivity in the Americas, The Scarecrow Press, 1998, ISBN 0-8108-3355-7
  • Patrick Minges: Slavery in the Cherokee Nation: The Keetoowah Society and the Defining of a People 1855-1867, Routledge, 2003, ISBN 0-415-94586-0
  • Barbara J. Olexer: The Enslavement of the American Indian in Colonial Times, Joyous Publishing, 2005, ISBN 0-9722740-4-9

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