Sonderungsverbot

Sonderungsverbot

Sonderungsverbot ist ein juristischer Fachbegriff, der aus Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes abgeleitet ist. Da die Gründung von privaten Schulen („in Freier Trägerschaft“) durch den Staat garantiert ist, dürfen Kinder nicht über die Höhe des Schulgeldes vom Besuch der Schule ausgeschlossen werden. Art. 7 Absatz 4 GG verbietet die soziale Segregation von Schülern aus wirtschaftlichen Gründen. Außerdem ist die Situation der Lehrer an privaten Schulen wirtschaftlich und rechtlich besonders geschützt.

Art. 7 Abs. 4 GG lautet:

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

Aus dem Sonderungsverbot ergeben sich Konsequenzen unter anderem für die zulässige Höhe des Schulgeldes, das private Schulträger fordern dürfen, und für die staatliche Förderung solcher Schulen.

Inhaltsverzeichnis

Schulgeld

Eine private Schule als Ersatz für öffentliche Schulen muss allen Schülern ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern offen stehen. Die Höhe der zu zahlenden Beträge muss so bemessen sein, dass sie nicht nur von Besserverdienenden aufgebracht werden können.

Die Genehmigung für eine private Schule darf nicht erteilt werden, wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) selbst hat in einem Beschluss des Ersten Senats vom 9. März 1994 festgestellt, dass Beträge in der Größenordnung von monatlich 170 bis 190 DM nicht von allen Eltern gezahlt werden können und damit verfassungswidrig sind. Auch durch die Einrichtung von Freiplätzen bzw. Stipendien, wird die allgemeine Zugänglichkeit nicht gewährleistet.

Da andererseits private Schulen in ihren Leistungen nicht hinter öffentlichen Schulen zurückstehen dürfen und der Staat, der durch seine Finanzierung öffentlicher Schulen zugleich auch die Anforderungen an die Gleichwertigkeit privater Schulen bestimmt, diese Anforderungen laufend verschärft hat, können private Schulen sich heute nicht mehr allein aus Elternbeiträgen finanzieren, ohne gegen GG Art. 7 Abs. 4 zu verstoßen. Insofern ergeben sich aus dem Sonderungsverbot auch Konsequenzen für die staatliche Förderung privater Schulen.

Gewährleistung der privaten Schulen

Der Staat gewährleistet das Recht zur Gründung privater Schulen. „Der Anspruch auf Gründungsfreiheit und Schulvielfalt“ ist ein subjektives und individuelles Recht, ein Freiheitsrecht, das nicht durch fehlende staatliche Förderung ausgehebelt werden darf (BVerfGE 1990/1994).

Das BVerfG hat in einem Urteil (1994) in Bezug auf Art. 7 Abs. 4 die Schulvielfalt und den schulischen Pluralismus als öffentliche Aufgabe institutionalisiert. In der Bundesrepublik Deutschland besteht also ein gewollter Wettbewerb zwischen öffentlichen und Schulen in Freier Trägerschaft.

Bei der Wahlfreiheit der Schule durch die Eltern geht es nicht nur um die Wahl zwischen innerhalb des staatlichen Schulwesens bestehenden Angeboten, sondern die Wahlfreiheit bezieht sich auch auf gleichwertige Ersatzschulen, die im Verhältnis zu staatlichen Schulen nicht allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und Inhalte verhindert werden dürfen.

Das „Gewährleistung der Schulvielfalt“ und „die Gründungsfreiheit“ bedeuten, dass die Freien Schulen dabei nicht nur durch Art. 7 Abs. 4 GG - also durch ein Freiheitsrecht - im Wettbewerb mit den staatlichen Schulen geschützt sind. Die Schulvielfalt richtet sich auch gegen den Staat selbst: Dieser muss - weil er monopolartiger Anbieter im Bildungsbereich ist - die Gleichheit des Wettbewerbs beachten und staatlich verursachte Ungleichheiten durch kompensatorische Maßnahmen ausgleichen. Der Staat darf daher bei der Zumessung von Mitteln Freie Schulen gegenüber den staatlichen Schulen nicht bevorzugen oder benachteiligen.

Freie Träger schulischer Alternativen zum öffentlichen Schulwesen haben daher einen Anspruch auf Förderung, da sie an der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, Schulvielfalt herzustellen, beteiligt sind. Diese Aufgabe ist durch finanzielle Leistungen ausreichend zu fördern. Über die Höhe der Förderung und inwiefern sie auch nicht wieder zu einer Benachteiligung öffentlicher Schulen führen darf, gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen. Einzelne Bundesländer ergänzen die allgemeine Pauschale je nach Bedürftigkeit durch einen Schulgeldersatz.

In Entscheidungen der letzten Jahre ist das Bundesverfassungsgericht schrittweise von der zuvor privatschulfreundlicheren Rechtsprechung abgerückt, da[1]

  • mit BVerwGE 90,107 die das Sonderungsverbot während der ersten Jahre (Wartefrist bis zu Zulassung) faktisch außer Kraft gesetzt wurde,
  • mit BVerwG-Beschluss vom 4. März 1997 – 1 BvL 26/96, 1 BvL 27/96 auch in der Folgezeit die Differenz zwischen Schulgeldeinnahmen und geforderten Aufwendungen nicht mehr vollständig erstattet werden muss und
  • laut BVerwGE 112,75 die staatliche Förderpflicht erst dann verletzt ist, wenn die Institution Privatschule in ihrer Existenz gefährdet wird.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hufen, Friedhelm / Vogel, Johann Peter (Hgg.): Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft? – Rechtsprechung und Realität im Schutzbereich eines bedrohten Grundrechts, Duncker & Humblot 2006, ISBN 978-3-428-12124-3
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