Soteria

Soteria

Soteria (v. griech. σωτηρία „Rettung“, auch: Wohl, Bewahrung, Heil) ist eine alternative stationäre Behandlung von Menschen in psychotischen Krisen, d.h. weniger Zwangsmaßnahmen, zurückhaltender Umgang mit neuroleptischer Medikation, wohnliche Einrichtung und offene Stationsführung.

Entwickelt wurde dieses alternative Behandlungsmodell im Zuge der Antipsychiatrie-Bewegung seit den 1960er Jahren. Die erste Einrichtung dieser Art wurde 1971 in Kalifornien (USA) vom Psychiater Loren Mosher (*1933; †2004) gegründet, musste jedoch nach 12 Jahren wegen Einstellung staatlicher Hilfen geschlossen werden. In Bern (Schweiz) führte 1984 der Schizophrenieforscher Luc Ciompi die Soteria in Europa ein.

In Deutschland gibt es in Zwiefalten (seit 1999) und München (seit 2003) Soteria-Einrichtungen. Mehrere Kliniken in Deutschland - Aachen, Friedberg, Gießen, Hannover und Langenfeld - haben mit Erfolg Soteria-Elemente in psychiatrische Akutstationen eingebunden.

Eine theoretische Basis dieser Therapieform ist die Affektlogik nach Luc Ciompi.[1]

Inhaltsverzeichnis

Kriterien der Soteria

Soteria ist in einem kleinen heimartigen Gebäude mit nicht mehr als zehn Betten (einschließlich zweier Mitarbeiter-Plätze) untergebracht. Dies soll eine normale Atmosphäre schaffen. Die Patienten werden „Bewohner“ genannt und sollen ganzheitlich in ihrer Psychose begleitet werden mit bis zu einer 1:1 Betreuung rund um die Uhr. Die Mitarbeiter sollten ideologiefrei die Psychose positiv bewerten. In der Soteria bemüht man sich um die Schaffung einer kognitiv-affektiven Beruhigung und Ausgeglichenheit. Die Mitarbeiter und Bewohner gestalten ihre Beziehung gleichwertig, es gibt wenig Rollendifferenzierung und wenig Hierarchie.

Es gibt keine formale Therapie, die Mitarbeiter stützen oder fordern je nach aktueller Befindlichkeit der Bewohner. Es soll eine Ersatzfamilie auf Zeit geschaffen werden. Eine personelle und konzeptuelle Kontinuität ist für die Bewohner und ihre Angehörigen wichtig, da dies in einer meist angstbesetzten Psychose mehr zur Beruhigung beiträgt als beispielsweise ein Aufenthalt auf Akutstationen mit häufig wechselnden Bezugspersonen und Behandlungsvorstellungen. Wichtig sind die gemeinsame Entwicklung konkreter Behandlungsziele und das alltagsorientierte Leben und Lernen in der Gemeinschaft (gemeinsames Kochen, Putzen, Freizeitgestaltung usw.).

Es gibt keine starren Stationsregeln, Konflikte werden in einer interpersonellen Grenzsetzung ausgehandelt. Eine enge Zusammenarbeit mit Angehörigen, weiteren Bezugspersonen und Betreuern ist ein wichtiger Aspekt des Ansatzes. Ein vorsichtiger Einsatz von Psychopharmaka hat sich als vorteilhaft erwiesen, um die Verarbeitung der Psychose zu ermöglichen, aber nicht zu verhindern. Eine ausreichende individuelle Aufenthaltszeit ist zur Aufarbeitung einer Psychose und zur konstruktiven Integration für den weiteren Lebensweg erforderlich.

Einzelnachweise

  1. Ciompi, L. u.a. Wie wirkt Soteria? Eine atypische Psychosenbehandlung kritisch durchleuchtet. Huber, Bern, 2001, ISBN 3456835701

Literatur

  • Aderhold, V. / Stastny, P. / Lehmann, P.: Soteria – Eine alternative psychosoziale Reformbewegung. In: P. Lehmann / P. Stastny (Hg.): Statt Psychiatrie 2. Berlin, 2007, ISBN 978-3-925931-38-3, S. 150-165
  • Ciompi L., Hoffmann H., Broccard M. (Hrsg.): Wie wirkt Soteria? Eine atypische Psychosenbehandlung kritisch durchleuchtet. Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, 2001
  • Ciompi, L. u.a. Das Pilotprojekt „Soteria Bern“ zur Behandlung akut Schizophrener. Konzeptuelle Grundlagen, praktische Realisierung, klinische Erfahrungen. Nervenarzt. 1991 Jul;62(7):428-35, PMID 1922582 (englisch)
  • Ciompi L., Hoffmann H., Leisinger S.: „Soteria-Station“? – Zur Frage des Namens von psychiatrischen Krankenhausstationen mit sog. Soteria-Elementen. Krankenhauspsychiatrie 16: 120-124, 2005
  • Hoffmann H., Leisinger S.: Soteria Bern: Ein Schrittmacher in der Schizophreniebehandlung. Schweizerische Ärztezeitung 87: 1859 – 1863, 2006
  • Hoffmann H.: Soteria – Atmosphäre als Therapeutikum in der Schizophreniebehandlung. In: Debus S., Posner R. (Hrsg.) Atmosphären im Alltag. Psychiatrie-Verlag, Bonn, 2007, pp. 15-41
  • Hoffmann H.: Zum Mythos der „Laienmitarbeiter“ in der Soteria. Die Kerbe – Forum für Sozialpsychiatrie 1/2009: 21-23, 2009
  • Kroll, B. Mit Soteria auf Reformkurs. Paranus-Verlag, Gütersloh, 1998, ISBN 3926278382
  • Lehmann, P.: Soteria und Empowerment. Berlin 2003, ISBN 3-925931-24-4
  • Mosher, L. / Burti, L.: Seelische Gesundheit – Community Mental Health. Ein Leitfaden für die Praxis. Itten-books, 2004, ISBN 978-3-9522485-2-2
  • Mosher, L. / Hendrix, V. / Fort, D.: Soteria: Through Madness to Deliverance. Xlibris Corporation 2004. ISBN 978-1-4134-6523-5
  • Runte, I. Begleitung höchst persönlich. Innovative milieu-therapeutische Projekte für akut psychotische Menschen. Bonn, 2001, ISBN 3884142755

Siehe auch

Weblinks


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