Stablinienorganisation

Stablinienorganisation
Beispiel für ein Stabliniensystem

Die Stablinienorganisation bzw. das Stabliniensystem ist eine um Stabsstellen erweiterte Form des Einliniensystems.[1] Sie wurde eingeführt, um die Linieninstanzen zu entlasten und die Vorgesetzten vom unterstellten Bereich weniger abhängig zu machen.[2]

Der Stab instruiert bzw. berät den zugeordneten Vorgesetzten. Die Stäbe haben keine oder allerhöchstens fachliche Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorgesetzten unterstellten Bereich. Diese Organisationsform erzeugt höhere Kosten als das Einliniensystem und führt evtl. zu Konflikten zwischen der Stabs- und der Linienstelle.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Geschichte der Stabsidee lässt sich weit in der Geschichte zurückverfolgen.[3]

Zum einen kann man die Römisch-katholische Kirche anführen, deren zentral operierende Kirchenverwaltung in Rom durch Kardinalskollegium und Römische Kurie unterstützt wurde, d. h. die dem Papst als Helfer und Berater in Spezialfragen zur Verfügung standen.

Zum anderen kann man einen militärischen Ursprung ausmachen. So führte König Gustav Adolf von Schweden im Dreißigjährigen Krieg erstmals Stabsstellen ein, um die Offiziere seiner Armee von Erkundungs- und Analysetätigkeiten zu entlasten und für die eigentliche Entscheidungsaufgabe freizuhalten. Später nutzte auch das preußische Militär nach den Niederlagen gegen den französischen Kaiser Napoleon I. diese Organisationsform, um ihre Generäle zu entlasten. In dieser Richtung entwickelte sich der Generalstab.

Eine Übernahme des Stabsprinzips auf die Wirtschaft begann Anfang des 20. Jahrhunderts, im Zuge der Herausbildung des Einliniensystems. Dieses hatte unter anderem den Nachteil, dass bei den Führungskräften alle Informationen zusammenliefen und diese alle Entscheidungen treffen mussten und somit zwangsläufig überfordert wurden.

In den USA wurde das Stabsprinzip zuerst von den Eisenbahngesellschaften übernommen.

Vorteile

Jeder Mitarbeiter hat wie beim Einliniensystem genau einen Vorgesetzten, durch die Einsetzung von Spezialisten wird aber die Entscheidungsqualität erhöht und die Abhängigkeit des Vorgesetzten vom unterstellten Bereich verringert. Durch die Einbeziehung von Stabsstellen werden sowohl die Linieninstanzen als auch die Führungskräfte entlastet, ohne in deren Entscheidungskompetenzen einzugreifen. Die Nutzung von Spezialwissen und Entlastung von Leitungsinstanzen sind weitere Vorteile, ebenso wie die übersichtlichen Befehlsverhältnisse und die klaren Kompetenzabgrenzungen.

Nachteile

Obwohl die Stabsstellen keine Entscheidungsbefugnis besitzen, ergibt sich in der Praxis aufgrund des Spezialistenwissens eine gewisse Entscheidungsgewalt. Durch Machtausübung aufgrund von Wissensvorsprüngen gegenüber der zugehörigen Linienstelle kann ein Konfliktpotenzial entstehen. Dadurch und durch eine selektive Weitergabe von Informationen entsteht die Gefahr von Manipulationen. Es entstehen höhere Kosten. Das autoritäre Führungsverhalten wird verstärkt, da Vorgesetzte nicht mehr auf die Beratung der Untergebenen angewiesen sind. Überdimensionierte Stabsstrukturen können Entscheidungsprozesse verlangsamen.

Anwendung

Man könnte vermuten, dass die Vorteile der Stabsbildung dort abnehmen, wo die Organisation an sich schon stark fachlich differenziert ist und die zu bewältigenden Aufgaben heterogen sind. Andererseits zeigt sich, dass gerade in Großorganisationen ein Bedarf nach Stabsunterstützung seitens der Führung vorhanden ist. Das sich hier auftuende Dilemma aller Großorganisationen rät dazu, möglichst überschaubare Verwaltungseinheiten zu bilden.[4]

Generell kann die Stablinienorganisation eine Erweiterung sowohl der Einlinien- als auch der Mehrlinienorganisation sein, insbesondere bei der obersten Leitungsebene. Allgemein findet sie also überall Anwendung, wo die Linienorganisation ohnehin vorhanden ist.

Typische Stabsstellen, die in den meisten größeren Behörden vorhanden sind, sind Persönliche Referenten und das Pressereferat. In Ministerien findet sich üblicherweise noch ein Kabinettreferat und ein Ministerbüro. In der Wirtschaft gehören Strategische Planung, Public Relations, Rechtsabteilung oder volkswirtschaftliche Abteilungen in Banken zu typischen Stabsaufgaben. Dem militärischen Ursprung nach findet man sie weiterhin in der Form der Stabsabteilung beim Militär und der Polizei weit verbreitet.

Beispiele für Stabsstellen in Unternehmen

Beispiele für Stabsstellen in Unternehmen sind häufig:

  • der betriebliche Datenschutzbeauftragte
  • Marktforschung als Stabsstelle des Vertriebs/Marketing
  • EDV (besonders bei KMUs)
  • Rechtsstelle oder Justiziare
  • Interne Revision als Stabsstelle des Vorstands, Aufsichtsrates oder Audit Committees
  • Unternehmensplanung als Stabsstelle der Geschäftsführung
  • Gleichstellungsbeauftragte als Stabsstelle des Personalwesens
  • Fachkraft für Arbeitssicherheit

Einzelnachweise

  1. Stab-Linienorganisation – Definition beim Gabler Wirtschaftslexikon
  2. Rainer Bergmann, Martin Garrecht: Organisation und Projektmanagement (BA Kompakt), Physica-Verlag, 1. Auflage, 2008, ISBN 3790820172, Seite 66, 3.3.3. Stabliniennorganisation
  3. Georg Schreyögg: Organisation, 5. Auflage, Gabler, ISBN 978-3-8349-0703-5, Seite 125, Fokus 3.5 Zur Geschichte der Stab-Linie-Organisation
  4. 2.2.3.3 Stab-/Linienorganisation – Die Organisation der öffentlichen Verwaltungen, von Iryna Spektor

Weblinks


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