Stadterkundung

Stadterkundung
Urban Explorer vor einem Regenwassereinlauf in Saint Paul

Urban Exploration bzw. Stadterkundung ist die private Erforschung von Einrichtungen des städtischen Raums. Oftmals handelt es sich dabei um das Erkunden alter Industrieruinen, aber auch Kanalisationen, Katakomben, Dächern oder unzugänglicher Räumlichkeiten noch genutzter Einrichtungen. Der Begriff wird jedoch durchaus auch für die Erkundung zugänglicher Orte wie Parks verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Ungenutzte Industriehalle

Für die meisten Urban Explorer liegt die Motivation neben der Entdeckung und Dokumentation der Objekte, in der Ästhetik und Romantik, die jene Orte mit sich bringen, so wie im Erlebnis einer authentisch-historischen Atmosphäre. Zudem wird die eintretende Verwilderung und der Verfall nach dem Verlassen ehemals genutzter Anlagen und strukturierter Betriebe, sowie der Kontrast zu moderner städtebaulicher Investition und Ordnung als entspannende und befreiende Zivilisationsflucht beschrieben.[1] In schon länger stillgelegten Betrieben zeigen sich oft zahlreiche Graffiti oder bizarre Bilder, zum Beispiel von aus den Wänden wachsenden Bäumen. Der Großteil der Urban Explorer hält diese Eindrücke auf Fotos fest. Hierbei entstehen häufig zum Teil sehr surreale Kunstwerke. Der Schwerpunkt kann bei Urban Exploration individuell neben der Erkundung selbst auf künstlerischer und dokumentarischer Fotografie liegen, historischen Recherchen, dem Anlegen von Online-Dokumentationen zu Anlagen, die vom Verschwinden oder völligen Verfall bedroht sind, oder auch auf der sportlichen Herausforderung bei der Überwindung von Hindernissen und dem Eindringen in schwer zugängliche, aktive Anlagen.

Objekte

Gebäude

Der Einstieg in stillgelegte und verlassene Gebäude gehört zu der häufigsten Form von Urban Exploration. Meist handelt es sich dabei um alte Industriebauten, aber auch ehemalige öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Schulen, die häufig intensiv mit Graffiti besprüht und teilweise stark demoliert wurden, sowie über die Jahre intensiven Verwitterungserscheinungen ausgesetzt waren. Im Gegensatz zu bekannten, unterirdischen Katakomben, die häufig touristische Ziele sind, werden sie überwiegend von Einheimischen betreten. Während viele Gebäude nur einfach oder teilweise verschlossen und somit leicht zugänglich sind, können andere Einrichtungen auf Grund von Bewegungsmeldern, Sicherheitspersonal oder Wachhunden nur sehr schwierig betreten werden. Verlassene Gebäude werden vor allem gerne von Fotografen, Graffiti-Künstlern und aus historischem Interesse besucht.

Gebäude, die noch aktiv genutzt werden, gelten als interessant, sofern dabei öffentlich nicht zugängliche Bereiche, Maschinenräume, Fahrstuhlschächte oder Dächer betreten werden können.

Katakomben

Als besonders exotische Expeditionsziele gelten unterirdische Katakomben wie sie in Paris, Rom oder Neapel existieren.

Kanalisationen

Das Betreten von Kanalisationen ist eine weitere gängige Form der Urban Exploration und gilt, vor allem bei Regenwetter, als besonders gefährlich. In Australien bildete sich 1986 die Gruppe Cave Clan deren Aktivitäten sich auf das Besteigen von Kanalisationen konzentrieren. Einige wenige Personen begehen auch die unterirdischen Kanäle von Kläranlagen. Gelegentlich finden sich dort die einzigen Möglichkeiten Höhlen oder andere unterirdische Zugänge zu betreten.

U-Bahntunnel

Besonderes Interesse gilt auch alten, verlassenen U-Bahnschächten. Besonders nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wird das Besteigen jedoch besonders hart bestraft und zählt somit zu den selteneren Aktivitäten. Neben vielen weiteren Großstädten finden sich solche Anlagen vor allem in New York City, Toronto, London, Sydney und Moskau.

Versorgungsanlagen

Universitäten und andere größere Institutionen wie Krankenhäuser, deren Heizanlagen zentral mit Dampf versorgt werden, besitzen häufig größere unterirdische Anlagen, die nur für Wartungsarbeiten zugänglich sind. Häufig wurden diese von Studierenden unerlaubterweise betreten, worauf sich am Massachusetts Institute of Technology in den 1970er Jahren der Begriff vadding, abgeleitet von dem Computerspiel Adventure, etablierte. Während der vergangenen Jahre wurden diese Anlagen jedoch zunehmend stärker gesichert und unzugänglicher.

Die Umstände können dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Einige Versorgungsanlagen sind sehr schmutzig, dunkel und können Temperaturen von bis zu 46°C aufweisen. Andere dagegen besitzen Betonböden, helle Beleuchtung und Belüftungsanlagen.

Popularität

Urban Explorer leisten oft auch einen Beitrag zur Dokumentation historischer Anlagen

Die Popularitätszunahme von Urban Exploration kann mit der zunehmenden Medienaufmerksamkeit begründet werden. So wurde das Thema von Fernsehsendungen wie Urban Explorers im Discovery Channel oder der Reality Show MTV's Fear thematisiert. In Interviews, wie z. B. in der Sendung New Morning auf dem Hallmark Channel, wurden die Aktivitäten näher erläutert. Ebenfalls war das Thema Gegenstand der Konferenzreihe Hackers on Planet Earth. Auch in Deutschland steigt das Interesse der Medien, wie zahlreiche Zeitungsartikel und einige Fernsehbeiträge belegen.

Mit der steigenden Popularität ist jedoch ebenso ein Anstieg des Vandalismus zu verzeichnen. In der Regenbogenpresse wurde zunehmend von den illegalen Aspekten wie Einbruch und Hausfriedensbruch berichtet, woraufhin viele Online-Plattformen ihre Informationen reduzierten oder diese nur noch für persönlich bekannte Mitglieder zugänglich machten.

Mittlerweile finden weltweit diverse Treffen und Veranstaltungen wie Campinglager und organisierte Tageserkundungen statt, die jedoch meist mit illegalen Aktivitäten einhergehen und teilweise auch innerhalb der Szene auf Kritik stoßen.

Gefahren

Urban Exploration kann verschiedene Gefahren mit sich bringen. Dazu zählen vor allem einsturzgefährdete Gebäude, Asbest, Säuren, Industrieabfälle und morsche Bretter, weshalb festes Schuhwerk und Atemschutzmasken häufig zur Ausrüstung gehören. Bei Wasserpfützen ist die Tiefe meist nicht abschätzbar und die Gefahr elektrischer Leitung gegeben. Auch Wachhunde können eine mögliche Gefahrenquelle darstellen.

Rechtslage

Da es nicht viele Grundstücksverwalter gibt, die Verständnis für Urban Explorer aufbringen können und Sondergenehmigungen nur äußerst schwierig zu bekommen sind, betreiben viele ihr Hobby ohne die nötigen Genehmigungen. Deshalb ist Urban Exploration im Grunde genommen meistens Hausfriedensbruch. Anders als in vielen Fällen von Hausfriedensbruch geht es den Urban Explorern nicht darum, Dinge zu zerstören, zu stehlen oder anderweitig dem Grundstück oder Gebäude und der vielleicht noch vorhandenen Einrichtung Schaden zuzufügen, sondern üblicherweise nur um die fotografische und geschichtliche Dokumentation. Menschen, die aus Zerstörungswut eben solche Industrieruinen aufsuchen, oder Kupferdiebe, die noch vorhandene Materialien und Kupferleitungen entwenden und verkaufen, werden nicht unter dem Begriff Urban Explorer erfasst und werden von der Urban Exploration-Szene strikt abgelehnt.

Im Gegensatz zu privaten, meist illegalen Erkundungstouren werden von Organisationen wie dem Verein Berliner Unterwelten, offizielle Führungen und Besichtigungstouren alter städtischer Anlagen angeboten.

Literatur

  • Ein Roman, der sich mit Urban Exploration befasst, ist Creepers von David Morrell.
  • Mielzarjewicz, Marc (2008). Lost Places - Schönheit des Verfalls. Mitteldeutscher Verlag, Germany. ISBN 978-3-89812-575-8

Weblinks

Quellen

  1. Vom Charme unaufgeräumter Orte
Gesprochene Wikipedia Dieser Artikel ist als Audiodatei verfügbar:
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